London. Die britischen Behörden durchleuchten Khalid Masoods Vergangenheit. Das Motiv des London-Attentäters und sein Leben werfen Fragen auf.
Die britischen Sicherheitsbehörden haben zur Aufklärung des Terroranschlags von London eine massive Ermittlungsoffensive gestartet. Zwei Tage nach dem Attentat im Zentrum der Hauptstadt sei bereits mit rund 3500 Zeugen gesprochen worden, elf Wohnungen seien durchsucht worden, teilte Scotland Yard am Freitag mit.
Im Zusammenhang mit dem Attentat nahm die Polizei in der Region West Midlands um Birmingham und in Manchester zwei weitere Personen fest. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.
Die Ermittler bemühten sich intensiv um Klarheit über die Motive des 52-jährigen Attentäters Khalid Masood sowie über mögliche Mitwisser und Helfer. Zehn Personen befanden sich nach neuesten Angaben am Freitag in Polizei-Gewahrsam, eine Frau war wieder frei gekommen. Am Freitag veröffentlichte die Polizei auch ein Foto Masoods. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte die Tat für sich reklamiert.
Masood kam als Adrian Russell Ajao zur Welt
Der Anti-Terror-Chef bei Scotland Yard ist skeptisch. Laut Mark Rowley passe der zum Islam übergetretene Brite mit seinen 52 Jahren nicht in das Schema früherer islamistischer Attentäter. Die seien jünger als 30 Jahre gewesen. „Unsere Arbeitshypothese ist, dass er vom internationalen Terrorismus inspiriert wurde“, sagte Rowley am Freitag.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin sagte zu dem Anschlag: „Ein vollständiges Bild erschließt sich uns noch nicht.“ Er fügte an, man teile gemeinsame Werte, aber auch den Bedrohungsraum. Die Gefährdungslage sei hoch.
Bildergalerie - Anschlag vor dem britischen Parlament
Rowley bat Bevölkerung erneut um Mithilfe
Der Terrorismusforscher Neumann zweifelte an einem IS-Auftrag für Masood. Die Miliz habe den Anschlag zwar für sich reklamiert, aber es gebe IS-Publikationen, die in den vergangenen 24 Stunden veröffentlicht wurden, die den Anschlag in London nicht erwähnen, sagte der Leiter des internationalen Zentrums zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR) am Londoner King's College der Deutschen Presse-Agentur. „Und das bedeutet, dass offensichtlich die Leute in Syrien keine Ahnung hatten, dass der Anschlag passiert.“
Anti-Terror-Chef Rowley gab außerdem bekannt, dass der Geburtsname Masoods Adrian Russell Ajao lautete. Den Behörden zufolge trat er auch als Adrian Elms und mit anderen Namen auf, auch den Wohnort wechselte er wohl häufig.
Rowley bat die Bevölkerung erneut um Mithilfe bei den Ermittlungen. Seinen Angaben nach wurden bei den Durchsuchungen bislang rund 2700 Gegenstände sichergestellt, darunter auch eine große Menge an Daten von Computern.
Masood lebte zuletzt in Birmingham
Masood wurde in Großbritannien geboren. Nach Angaben von Premierministerin Theresa May stand er früher unter Verdacht, ein gewalttätiger Extremist zu sein. Masood lebte zuletzt in Birmingham. Die zweitgrößte Stadt des Landes und die umliegende Region West Midlands gelten als Hotspots der radikalen Islamistenszene.
Ein ehemaliger Nachbar sagte Reportern, er habe dort mit einer asiatischen Frau und einem jungen Kind gewohnt. Vergangenen Dezember sei er jedoch plötzlich ausgezogen. Die Zeitung „Sun“ berichtete, Masood habe seine letzte Nacht in einem preiswerten Hotel in Brighton verbracht. Ein Gast sagte dem Blatt, der Attentäter habe einen freundlichen Eindruck gemacht und keinen Verdacht erweckt.
Der 52-Jährige war mehrfach vorbestraft und der Polizei vor allem durch Gewaltdelikte aufgefallen. Britischen Medien zufolge wurde er im Jahr 2000 zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, weil er einem Mann mit einem Messer das Gesicht aufgeschlitzt hatte. Drei Jahre später verletzte er demnach bei einem Streit erneut das Gesicht eines Mannes und wurde zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt.
Attentäter tötete vier Menschen
Masood war am Mittwoch mit einem Wagen gezielt in Passanten auf der Westminster-Brücke in London gefahren. Dabei tötete er drei Menschen , anschließend erstach er einen Polizisten vor dem Parlament. Masood wurde von Sicherheitskräften erschossen. 50 Menschen wurden bei seinem Attentat teils schwer verletzt. Prinz Charles besuchte Verletzte im Krankenhaus.
Es war der verheerendste Anschlag in Großbritannien seit mehr als zehn Jahren. Im Juli 2005 starben bei Sprengstoffanschlägen in einer U-Bahn und in einem Bus 56 Menschen. (dpa/rtr)