Berlin. Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich auf das Auswärtige Amt vorbereitet. Doch im Ausland eckte er öfter an und löste Irritationen aus.

Die letzten Auslandsreisen Sigmar Gabriels im Regierungsauftrag brachten vor allem eines: Irritationen bei den Gastgebern. Ein Besuch des Vizekanzlers Anfang Oktober im Iran endete mit einem Eklat, zwei Monate später erlebte er auch in China einen kühlen Empfang. Der Wirtschaftsminister hatte zuvor, von Deutschland aus, seine Gastgeber in Peking und Teheran mit scharfer Kritik gereizt.

Es sind solche Erfahrungen, die in Berlin kritische Fragen provozieren: Kann Gabriel wirklich Chef-Diplomat? Hatte er nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump wegen seiner „hochnationalistischen Töne“ hart kritisiert? Als Wirtschaftsminister ist seine Bilanz gut, aber als Außenminister erscheint der rauflustige Genosse manchem als Risiko.

Vielleicht zu Unrecht: Gabriel kennt sich auf dem internationalen Parkett besser aus als allgemein wahrgenommen – und diplomatisches Geschick hat er, wenn er will, auch. Seine Interventionen in Teheran oder Peking waren nicht spontane Ausfälle, sondern kühl geplante Mahnungen, die in der Bundesregierung abgesprochen waren.

Gabriel spricht von einer „Neuvermessung der Welt“

Wenn der SPD-Politiker am Freitag nach der Vereidigung im Bundestag sein neues Amt antritt, ist er vergleichsweise gut vorbereitet. „Diese Lösung hat sich angeboten“, sagt der scheidende Parteivorsitzende selbstbewusst. Er habe nach Schulz vermutlich innerhalb der SPD und innerhalb der Regierung aufseiten der Sozialdemokraten „die meiste internationale Erfahrung.“ Er verfügt über ein breites Netzwerk vor allem auf europäischer Ebene, war öfter in China als die Kanzlerin, er hat als Wirtschaftsminister in Polen für die weitere Verständigung geworben und in Kanada die Hürden für das Freihandelsabkommen Ceta abgeräumt.

Seit längerer Zeit treiben ihn die internationalen Krisen um. Gabriel spricht von einer „Neuvermessung der Welt“, bei der die Spielregeln und Beziehungen der Staaten des 21. Jahrhunderts erst noch festgelegt werden. Europa brauche dringend eine gemeinsame Strategie, um die Spielregeln mitzubestimmen. Durch den Rückzug der USA aus Freihandel und internationaler Verantwortung sieht Gabriel aber auch Chancen für Deutschland und Europa, selbst eine größere Rolle in Asien zu spielen.

Gabriel will eng an seinen Vorgänger Frank-Walter Steinmeier anknüpfen

Dreimal in zwei Jahren ist Gabriel vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen worden. Nicht nur was den Kontakt zu Moskau anbelangt, wird er eng an seinen Vorgänger Frank-Walter Steinmeier anknüpfen. Im Stil allerdings dürfte Gabriel mitunter deutlicher werden: Er plädiert für einen „doppelten Dialog“ mit schwierigen Staaten, bei dem Probleme wie Menschenrechtsverletzungen klar benannt werden.

Mögliche Differenzen mit der Union würden wie bisher intern in der Regierung besprochen, nach außen werde Berlin weiter mit einer Stimme sprechen, verspricht der SPD-Politiker. Dennoch darf sich die Kanzlerin darauf einstellen, dass die SPD das im Wahljahr wichtige Feld der Außenpolitik offensiver besetzt als bisher – im Zangengriff des außerparlamentarisch agierenden Kanzlerkandidaten und des tatendurstigen Außenministers.

Außenamt ist wohl interessanter als das Wirtschaftsministerium

Angesichts der Unruhen in der Welt und auch der Drohungen der neuen US-Regierung sei die Leitung des Auswärtigen Amtes „eine spannende und große Aufgabe“, erklärt Gabriel – interessanter wohl auch als das Wirtschaftsministerium.

Für den Vizekanzler bietet der neue Job die unverhoffte Aussicht, womöglich doch noch seine miserablen Umfragewerte zu verbessern – die medial stark präsenten Außenminister zählen in der Regel zu den beliebtesten Politikern. Und die Familie? Als Minister wird Gabriel nun ein halbes Jahr viel im Ausland unterwegs sein. Aber zur Planung gehört wohl auch: Was immer nach der Bundestagswahl passiert, Außenminister bleibt Gabriel dann sicher nicht.