Calais. Der Staat spricht von einer „humanitären Aktion“: Ab diesem Montag sollen Tausende Flüchtlinge ihr Elendslager in Frankreich verlassen.

Mit einem beispiellosen Kraftakt räumt Frankreich von diesem Montag an das große Flüchtlingslager in Calais. Vom „Dschungel“ genannten Lager aus sollen die Migranten zu Aufnahmezentren in ganz Frankreich gebracht werden.

Viele der etwa 6500 Bewohner der Zelt- und Hüttenstadt wehren sich – sie sind auf dem Weg nach Großbritannien in der nordfranzösischen Hafenstadt am Ärmelkanal gestrandet. Die Räumung soll etwa eine Woche lang dauern, im Einsatz sind nach offiziellen Angaben rund 1250 Polizisten.

„Keiner wird in den Bus gezwungen“

„Das ist ein wichtiger Tag. Der Staat macht eine beträchtliche Anstrengung“, sagte der Sprecher des Pariser Innenministeriums, Pierre-Henri Brandet. Vor dem Registrierzentrum in der Nähe des „Dschungel“ genannten Camps warteten am Montagmorgen mehrere hundert Menschen.

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Sie sollen dort befragt werden, bevor sie auf ganz Frankreich verteilt werden. Ein Asylverfahren findet dort noch nicht statt. Den Menschen sollen zwei Regionen vorgegeben werden, zwischen denen sie wählen können. Ausgenommen sind der Großraum Paris und Korsika.

Man setze darauf, dass sich die Menschen freiwillig melden, sagte Brandet. „Keiner wird gezwungen, sich in einen Bus zu setzen.“ Seit langem arbeiteten die Behörden mit Hilfsorganisationen zusammen, um die Menschen davon zu überzeugen, das Lager zu verlassen.

Einsatzkräfte und Flüchtlinge liefern sich Schlacht im "Dschungel" von Calais

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    Tränengas gegen Steinewerfer

    In der Nacht zum Montag war es erneut zu Zusammenstößen zwischen Migranten und Sicherheitskräften gekommen. Bereits in der Nacht zuvor hatte es Ausschreitungen gegeben. Aus aus einer Gruppe von mehreren Dutzend Menschen flogen Steine auf Polizisten, die dann Tränengas einsetzten.

    Selbst von Behördenseite wird eingeräumt, dass die Auflösung der Hütten- und Zeltstadt vor den Toren von Calais risikoreich ist. „Es wird am Montag sehr viele Menschen geben. Die Flüchtlinge denken, dass es nicht genug Platz gibt“, sagte die Präfektin des Départements Pas-de-Calais, Fabienne Buccio. Der Eindruck sei jedoch nicht richtig, denn 7500 Aufnahmeplätze stünden zur Verfügung.

    Alltag im Flüchtlingslager in Calais

    In Nordfrankreich in Calais ist eine Siedlung von Flüchtlingen entstanden. Die Menschen aus Krisenstaaten wie Afghanistan, Syrien oder Eritrea hoffen, nach England weiterreisen zu können.
    In Nordfrankreich in Calais ist eine Siedlung von Flüchtlingen entstanden. Die Menschen aus Krisenstaaten wie Afghanistan, Syrien oder Eritrea hoffen, nach England weiterreisen zu können. © dpa | Etienne Laurent
    Vor der angekündigten Räumung von Calais kommt es zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen der französischen Polizei und einigen Menschen aus dem Camp. Die Polizei ist mit modernen Waffen ausgerüstet...
    Vor der angekündigten Räumung von Calais kommt es zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen der französischen Polizei und einigen Menschen aus dem Camp. Die Polizei ist mit modernen Waffen ausgerüstet... © Getty Images | Christopher Furlong
    ... und schießt mit Gaspatronen auf die Flüchtlinge.
    ... und schießt mit Gaspatronen auf die Flüchtlinge. © dpa | Etienne Laurent
    Diese Männer treten gegen den Zaun, der ihre Weiterreise nach England verhindert. Frankreich und Großbritannien haben mehrere Millionen Euro in Sicherheitsanlagen investiert, um die Migranten von ihrem Ziel fernzuhalten.
    Diese Männer treten gegen den Zaun, der ihre Weiterreise nach England verhindert. Frankreich und Großbritannien haben mehrere Millionen Euro in Sicherheitsanlagen investiert, um die Migranten von ihrem Ziel fernzuhalten. © Getty Images | Christopher Furlong
    Das Flüchtlingslager von Calais. Mehr als 7000 Menschen sollen hier unter schwierigsten Bedingungen leben.
    Das Flüchtlingslager von Calais. Mehr als 7000 Menschen sollen hier unter schwierigsten Bedingungen leben. © dpa | Etienne Laurent
    Bei Regen entstehen auf den Straßen im Lager große Pfützen. Die Menschen selbst wohnen in selbstgebauten Hütten, Wohnwagen und jeder Unterkunft, die sich ihnen bietet.
    Bei Regen entstehen auf den Straßen im Lager große Pfützen. Die Menschen selbst wohnen in selbstgebauten Hütten, Wohnwagen und jeder Unterkunft, die sich ihnen bietet. © dpa | Etienne Laurent
    Eine Luftbildaufnahme zeigt Teile des Lagers.
    Eine Luftbildaufnahme zeigt Teile des Lagers. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Das illegale Lager hat sich zu einer Kleinstadt aus Zelten und Containern entwickelt.
    Das illegale Lager hat sich zu einer Kleinstadt aus Zelten und Containern entwickelt. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Der junge Mann im roten Pullover kommt aus dem kriegszerstörten Afghanistan. Noch immer terrorisieren dort die fundamentalistischen Taliban die Bevölkerung.
    Der junge Mann im roten Pullover kommt aus dem kriegszerstörten Afghanistan. Noch immer terrorisieren dort die fundamentalistischen Taliban die Bevölkerung. © Getty Images | Jack Taylor
    Manche Menschen wohnen schon lange Zeit in dem Camp. Diese Aufnahme von einer Frau und ihrem Kind entstand einen Tag vor Weihnachten 2015. Was aus ihnen geworden ist?
    Manche Menschen wohnen schon lange Zeit in dem Camp. Diese Aufnahme von einer Frau und ihrem Kind entstand einen Tag vor Weihnachten 2015. Was aus ihnen geworden ist? © dpa | Stephanie Lecocq
    Sogar eine selbstgebaute Kirche gibt es in Calais. Flüchtlinge aus Eritrea haben sie errichtet.
    Sogar eine selbstgebaute Kirche gibt es in Calais. Flüchtlinge aus Eritrea haben sie errichtet. © Getty Images | Jack Taylor
    Mitte Oktober kam ein massives Polizeiaufgebot in das Flüchtlingscamp. Die Polizisten überbrachten die Räumungsaufforderung und gaben den geplanten Abriss des „Dschungels von Calais“ bekannt.
    Mitte Oktober kam ein massives Polizeiaufgebot in das Flüchtlingscamp. Die Polizisten überbrachten die Räumungsaufforderung und gaben den geplanten Abriss des „Dschungels von Calais“ bekannt. © dpa | Arnulf Stoffel
    Dieser französische Polizist nagelt ein offizielles Dokument an einen Mast im Camp: Räumung.
    Dieser französische Polizist nagelt ein offizielles Dokument an einen Mast im Camp: Räumung. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Um das Camp aufzulösen, ist ein massives Polizeiaufgebot vor Ort. Dass die Sicherheitskräfte nicht mit einem gewaltfreien Ablauf rechnen, zeigt dieser Wasserwerfer.
    Um das Camp aufzulösen, ist ein massives Polizeiaufgebot vor Ort. Dass die Sicherheitskräfte nicht mit einem gewaltfreien Ablauf rechnen, zeigt dieser Wasserwerfer. © Getty Images | Christopher Furlong
    Vor der Räumung wenden sich diese jungen Flüchtlinge an die Polizei. Sie sagen, dass sie minderjährig sind. Als solche hätten sie – anders als die Erwachsenen – Anrecht auf besonderen Schutz.
    Vor der Räumung wenden sich diese jungen Flüchtlinge an die Polizei. Sie sagen, dass sie minderjährig sind. Als solche hätten sie – anders als die Erwachsenen – Anrecht auf besonderen Schutz. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Diese Flüchtlinge warten die Räumung des Camps nicht ab. Sie verlassen Calais schon zuvor.
    Diese Flüchtlinge warten die Räumung des Camps nicht ab. Sie verlassen Calais schon zuvor. © Getty Images | Jack Taylor
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    Ohne Asylbewilligung droht die Ausweisung

    Buccio sagte, die Flüchtlinge seien rechtzeitig informiert worden. Sie setzt darauf, dass sich die Menschen freiwillig in einer neu eingerichteten Halle bei der Einwanderungsbehörde melden. „Wir werden diese Menschen aufnehmen“, sagte sie.

    Der Staat hatte aber bereits mehrfach deutlich gemacht, dass für eine menschenwürdige Unterbringung ein Asylantrag gestellt werden muss. Wer kein Recht auf Asyl hat, soll ausgewiesen werden.

    Grenze nach Großbritannien ist dicht

    Unter den Flüchtlingen gibt es laut Buccio einen Bewusstseinswandel, denn die Lage am Ärmelkanal habe sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich geändert. „Die Grenze zu Großbritannien ist dicht. Es ist sehr gefährlich, Kurs auf das Vereinigte Königreich zu nehmen, einige Migranten haben ihr Leben dabei verloren.“

    Die Behörden stellen sich darauf ein, bereits am ersten Tag bis zu 3000 Menschen in Bussen von Calais aus in andere Orte zu bringen. 60 Busse seien im Einsatz, sagte Serge Szarzyncki, Leiter des Sozialdienstes vom Département. Auch an den folgenden Tagen seien Dutzende Busse im Einsatz. (dpa)