Berlin. Jeden Tag mindestens 10.000 Schritte laufen, um gesund zu bleiben? Eine neue Studie zeigt, warum dieser Fitness-Grundsatz Quatsch ist.

Wer gesund sein möchte, sollte täglich mindestens 10.000 Schritte gehen. Nach dieser Faustregel leben viele Menschen, um fit zu bleiben. Jeden Tag werden die Schritte per Schrittzähler auf dem Handy oder der Smartwatch gezählt. Eine neue Studie zeigt jetzt, dass das Quatsch sein soll.

Denn diese Faustregel beruht nicht auf medizinischen Untersuchungen, sondern geht auf eine Werbekampagne für den ersten transportablen Schrittzähler zurück. „Manpo-kei“ kam 1964 auf den Markt, pünktlich zu den Olympischen Spielen. Forschende fanden jetzt heraus, wie viele Schritte wirklich ausreichen.

Studie zeigt: 10.000-Schritt-Theorie ist Quatsch

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Mediziner Maciej Banach von der Medizinischen Universität Lodz in Polen veröffentlichten nun in der Fachzeitschrift „European Journal of Preventive Cardiology“ eine Metaanalyse, die die 10.000-Schritt-Theorie widerlegt.

Die 10.000-Schritte-Theorie stammt eigentlich aus einer Werbekampagne für den ersten transportablen Schrittzähler „Manpo-kei
Die 10.000-Schritte-Theorie stammt eigentlich aus einer Werbekampagne für den ersten transportablen Schrittzähler „Manpo-kei". © IMAGO / Shotshop

Laut den Forschenden sinkt die Sterblichkeit bei deutlich weniger Schritte. Bereits bei etwa 2300 Schritten soll das Risiko für einen Tod durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung geringer sein. Mit 4000 Schritten pro Tag beginnt das allgemeine Sterberisiko zu sinken.

Die Forschenden werteten Daten von rund 227.000 Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt aus. Die Menschen waren durchschnittlich 64 Jahre alt und wiesen keine signifikanten vorbestehenden Gesundheitsprobleme auf.

Die Daten wurden über einen Zeitraum von insgesamt rund sieben Jahren ausgewertet. Die Analyse zeigte: Schon bei 3967 Schritte pro Tag sinkt die Gesamtsterblichkeit.

Das bedeutet konkret, dass selbst eine tägliche Schrittzahl von unter 4000 bereits dazu beitragen kann, die Gesamtheit der Todesfälle aufgrund sämtlicher Krankheiten zu reduzieren und somit die Lebensdauer zu verlängern.

Sterberisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung sinkt schon bei wenigen Schritten

Das Risiko an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, sinkt sogar schon bei 2337 Schritte pro Tag. Mit jeden 500 bis 1000 Schritten wird das Risiko geringer. Bei 1000 Schritten mehr stellten die Forschenden ein 15-prozentig niedrigeres Sterberisiko fest. Bei 500 Schritten mehr wurde das Risiko um sieben Prozent gesenkt.

Die Studienergebnisse gelten für alle Menschen unabhängig vom Geschlecht, Alter oder Wohnort. Doch die größten Erfolge wurden bei Probanden unter 60 Jahren festgestellt. Hier sankt das Sterberisiko bei 7000 bis 13.000 Schritten pro Tag um 49 Prozent.

Allerdings sind 10.000 Schritte pro Tag den Wissenschaftlern zufolge nicht kompletter Nonsens. „Unsere Studie bestätigt: Je mehr man läuft, desto besser“, sagt Maciej Banach einer Mitteilung zufolge.

Auch interessant: Kinder-Vitamine: Der unkontrollierte Markt ist eine Gefahr

WHO: Menschen weltweit bewegen sich zu wenig

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegen sich die Menschen weltweit zu wenig, was Grund für Millionen Kranke ist. Fast 500 Millionen Menschen könnten in den Jahren 2020 bis 2030 an Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Diabetes, Depressionen und Demenz erkranken.

Im „Global Status Report of Physical Activity 2022“ gibt die WHO an, dass sich Erwachsene 150 Minuten pro Woche körperlich betätigen sollten. Dazu reicht es, Fahrrad zu fahren oder schnell zu gehen.

Lesen Sie auch: Depressionen und Angststörungen im Beruf nehmen massiv zu

Allein in Deutschland sind die Zahlen für zu wenig Bewegung hoch. Nach Angaben des Berichts sind es 44 Prozent der Frauen und rund 40 Prozent der Männer über 18 Jahren, die aktiver werden müssen. Bei Jugendlichen sind die Zahlen noch höher. 88 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen müssen sich mehr bewegen.

Grund für die fehlende Bewegung sei vor allem die Corona-Pandemie gewesen, durch die die Bewegungsfaulheit beschleunigt wurde. Und wenn sich nichts verändert, könnte das ganz schön teuer werden. Die medizinische Versorgung für die weltweit durch Bewegungsmangel krank gewordenen Menschen könnte bis 2030 etwa 300 Milliarden US-Dollar kosten.