Berlin. Großbritannien hatte so einige Könige in der Geschichte. Doch einer von ihnen wurde nicht gekrönt. Warum Edward VIII. abdanken musste.

Die Teetassen, Geschirrtücher, Fähnchen und Schokoladen-Blechdosen mit seinem Bild und dem Schriftzug „Coronation 1937“ waren schon produziert. Und in Großbritannien kursierten bereits Briefe, die Marken mit seinem Porträt trugen. Dem Porträt von König Edward VIII. – dem König, der nur knapp ein Jahr regierte, obwohl er sich bester Gesundheit erfreute. Ein König, dessen Andenken bis heute in seiner Heimat klein gehalten wird. Und ein König, der zwar kurzzeitig regierte, aber nie offiziell gekrönt wurde.

König Edward VIII.: Der König ohne Krönung

Eigentlich war es seit Jahrzehnten klar: Edward (1894-1972), ältester Sohn von König George V. (1865-1936) und Mary von Teck (1867-1953), würde nach dem Tod seines Vaters den britischen Thron übernehmen.

Und an seinen Qualitäten gab es eigentlich keinen Zweifel: Er sah blendend aus, war bestens ausgebildet, hatte sich im Ersten Weltkrieg in Frankreich bewährt, besaß einen Pilotenschein, war Großwildjäger, Segler, prägte die elegante Herrenmode seiner Zeit (heute würde man ihn vermutlich „Stilikone“ nennen) und wurde „Prince Charming“ genannt.

Dementsprechend genoss er auch zahlreiche Affären, unwichtig, ob die Frauen sehr viel jünger oder auch verheiratet waren. In seinem Junggesellen-Wohnsitz „Fort Belvedere“ bei Windsor pflegte er ein geselliges Leben ohne höfische Zwänge.

Edward VIII. mit seiner Frau Wallis im Jahr 1965 in London.
Edward VIII. mit seiner Frau Wallis im Jahr 1965 in London. © IMAGO / ZUMA/Keystone

Royals: Deshalb musste König Edward abdanken

Als der 42-jährige Junggeselle bereits König war, gönnte er sich einen Yachturlaub an der kroatischen Küste. Mit von der Partie: Die zwei Mal geschiedene US-Amerikanerin Wallis Warfield, besser bekannt als Wallis Simpson (1896-1986). Die britischen Medien wahrten Diskretion, die US-Blätter berichteten genüsslich über die Affäre.

Edward wollte nicht auf Wallis verzichten, sie sogar heiraten. Er selbst bot eine morganatische Ehe an: Wallis sollte nicht Königin werden, sondern lediglich einen niedrigeren Adelsrang erhalten, gemeinsame Kinder aus der Thronfolge ausgeschlossen werden. Die konservative Regierung unter Premierminister Stanley Baldwin (1867-1947) und der oberste Geistliche der anglikanischen Kirche, Cosmo Gordon Lang (1864-1945), Erzbischof von Canterbury, verweigerten ihre Zustimmung.

Edward wollte trotzdem heiraten – am 11. Dezember 1936 unterschrieb er seine Abdankung. Die Souvenirs wurden eingestampft, zu Kampfpreisen verschleudert oder verschwanden in Lagerhallen, die Briefmarken wurden schleunigst durch welche mit dem Porträt seines Bruders Bertie, jetzt König George V., ersetzt. Aus König Edward VIII. wurde der „Herzog von Windsor“, der sich nach Paris zurückzog, dort am 3. Juni 1937 seine Wallis heiratete und bis zu seinem Tod im Jahr 1972 nur noch zu wenigen Anlässen nach England zurückkam.

Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.
Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.

Edward VIII.: Großes Interesse an Hitlers Politik

So sehr diese Geschichte die Elemente eines Liebesromans in sich trägt: Die erzwungene Abdankung, die Ende 1936 vermutlich keine Mehrheit in der Bevölkerung gefunden hätte, besaß eine sehr politische Komponente.

Nach einem Besuch der Kohlenminen in Wales deutete Edward an, dass er die Zustände der Arbeiter und ihrer Familien missbilligte: „Something must be done“ – „Es muss etwas getan werden“, war sein Versprechen – ein Versprechen, das die regierenden Konservativen und die ihnen nahestehenden Hochadligen, Grundbesitzer und Industriellen in Aufregung und Angst um Reichtum und Pfründe versetzte.

Dazu kam ein unverhohlenes Interesse und Wohlwollen an der Politik Hitlers in seinen frühen Regierungsjahren – zudem war bekannt, dass Wallis private Kontakte mit dem NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop (1893-1946), zuvor deutscher Botschafter in London, unterhielt.

Ein Paar, dessen politische Kontakte und Ansichten den britischen Konservativen und Establishment riskanter erschienen als dessen Bruder, der zu diesem als scheuer Stotterer galt, und dessen erzkonservative Gattin Elizabeth (1900-2002), besser bekannt als Queen Mum.

König Edward: Seltener Besuch in England nach Abdankung

Edward und Wallis ließen sich ihren Ausstieg aus dem Königshaus wenigstens königlich vergüten – über genaue Zahlungen gibt es bis heute keine offiziellen Unterlagen. Zumindest reichte es für ein veritables Dandy- und Society-Leben zwischen Paris, der Schweiz, Österreich, den Bahamas und Biarritz. Und eine, vorwiegend von Cartier und Van Cleef & Arpels, wohlgefüllte Schmuckschatulle von Gattin Wallis.

Wallis überlebte ihren Mann um 14 Jahre. Ihre letzte Ruhestätte fanden beide dann doch in britischer Erde: In den Frogmore Gardens nahe Windsor Castle.

In der Geschichte der Könige von England nach der normannischen Eroberung im Jahr 1066 gab es nur einen „Leidensgenossen“, der das Schicksal teilte, zwar König gewesen aber niemals gekrönt worden zu sein: Edward V. (1470-1483), der allerdings nur ein Lebensalter von 13 Jahren erreichte, auf Veranlassung seiner offenbar überaus liebenswerten Verwandtschaft im Tower von London endete und zu einem unbekannten Datum verstarb. So gesehen hatte es Edward VIII. wesentlich besser erwischt – auch ohne Krönung.