Berlin. In den 1980er-Jahren sammelte Drogenboss Pablo Escobar seltene Tiere. Darunter auch Hippos. Deren Nachfahren sorgen für viel Ärger.

In Kolumbien tobt ein Streit zwischen Tierschützern und Umweltaktivisten. Zankapfel sind Nilpferde, die sich im Flusssystem des Rio Magdalena immer weiter ausbreiten und zur Bedrohung für Menschen, Tiere und das gesamte Ökosystem geworden sind. Geschätzt 150 Exemplare der eingeschleppten Spezies gibt es mittlerweile, Tendenz steigend. Dass es die aggressiven Dickhäuter überhaupt nach Südamerika verschlagen hat, liegt am Faible eines einst steinreichen Drogenhändlers.

Flusspferde gehören zu den gefährlichsten Tieren der Welt. Über 500 Menschen sterben jährlich durch Begegnungen mit den wasserliebenden Paarhufern. Und das obwohl sie aus dem Großteil ihres natürlichen Lebensraums in Afrika vertrieben wurden. Ein neues Zuhause fanden vier Exemplare in den 1980er-Jahren auf dem Privatgelände des berüchtigten Drogenbaron Pablo Escobar in den kolumbianischen Bergen.

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Hippos in Südamerika: Keine Fressfeinde, reichlich Nahrung

Mehr als 200 exotische Tiere hatte der milliardenschwere Kokain-Dealer Augenzeugen zufolge illegal in seinen Privatzoo importieren lassen. Nach seinem Tod im Jahr 1993 wurden Zebras, Flamingos, Giraffen und andere Wildtiere wieder in ihre Heimat verschifft oder an Zoos verkauft. Die tonnenschweren Hippos, die Territorium und Nachwuchs aggressiv verteidigen, waren den Behörden eine Nummer zu groß. So kam es, dass aus den vier Exemplaren, die auf der Hacienda Napolés herumstreiften, innerhalb von 30 Jahren rund 150 wurden.

In Escobars Privatzoo begrüßt eine gut gelaunte Hippo-Statue die Besucher. Eine Begegnung mit einem echten Flusspferd kann schnell tödlich enden.
In Escobars Privatzoo begrüßt eine gut gelaunte Hippo-Statue die Besucher. Eine Begegnung mit einem echten Flusspferd kann schnell tödlich enden. © dpa | Bernardo Cano

Von dem luxuriösen Privatanwesen aus breiteten sie sich schnell aus. Befreit von natürlichen Fressfeinden wie Löwen oder territorialen Rivalen wie Wasserbüffeln und Elefanten, dominieren sie einen großen Abschnitt von Kolumbiens Lebensader, dem Rio Magdalena. Mit gravierenden Folgen fürs Ökosystem. Seitdem terrorisiert die invasive Spezies geschützte Arten wie die Karibik-Manati. Auch Tiere, die nicht in direkter Konkurrenz stehen, leiden unter ihrer Präsenz. So ergaben Untersuchungen, dass die Hippos Gewässer kippen lassen können und die Ausbreitung gefährlicher Algen begünstigen.

Wissenschaftler im Clinch mit Politik und Hippo-Fans

Infolgedessen kam es bereits zu massenhaftem Fischsterben und damit tiefen Einschnitten in die Lebensgrundlage der Flussbevölkerung. Wie eine "Geo" schreibt, wurden Menschen Opfer von Nilpferd-Attacken. Die Stoßzähne der bis zu zwei Tonnen schweren Großmäuler, die sich von Pflanzen ernähren, können tödliche Wunden verursachen.

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Dennoch erfahren die Hippos viel Unterstützung aus der kolumbianischen Öffentlichkeit. Der genehmigte Abschuss von Escobars Alpha-Hippo Pepe im Jahr 2009 sorgte für einen Aufschrei. Seit einigen Jahren bemüht sich eine Gruppe um die Veterinärmedizinerin Gina Serna, die Population ohne Schusswaffen einzudämmen. Die Sterilisierungen sind jedoch ein kostspieliges und gefährliches Unterfangen. Wie Serna "Geo" erklärte, können sich Eingriffe dabei als vergeblich erweisen: "Weil die gesamte Population im Rio Magdalena von einem männlichen Flusspferd abstammt, sind viele Jungbullen ohnehin unfruchtbar."

Population am Scheideweg: Angeborene Unfruchtbarkeit, Sterilisierung oder Abschuss?

Wie die Ökologin Nataly Castelblanco Martínez vom Nationalrat für Wissenschaft und Technologie schätzt, müssten dem Ökosystem jedes Jahr 30 Hippos entnommen werden, um Population und Ökosystem unter Kontrolle zu halten. Kostenpunkt pro Flusspferd: geschätzte 50.000 Dollar. Noch teurer wäre ein artgerechter Abtransport ins natürliche Habitat in Subsahara-Afrika. Andernfalls, so kalkuliert Castelblanco, könne die Population bis 2030 auf 1600 Tiere anwachsen. Deshalb könne sie das Zaudern der Regierung nicht verstehen. "Wenn wir jetzt nichts unternehmen, gibt es für das Problem keine Lösung mehr."

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Beobachtungen von Biologen zufolge zeichnen sich die kolumbianischen Flusspferde durch eine frühere Fruchtbarkeit aus, kommen aber selten auf Größe und Gewicht ihrer afrikanischen Artgenossen. Obwohl die Population zuletzt rasant gewachsen ist, solidarisieren sich viele Kolumbianer mit den Hippos. Aus der Faszination hat sich ein Safari-artiger Tourismus entwickelt. Isabel Romero, die ihren Lebensunterhalt mit dem Hippo-Spotting verdient, sagt: "Wir wehren uns dagegen, dass unseren Hippos etwas angetan wird. Wir werden sie schützen, mit allem was wir haben."

Rückendeckung erhält die Unternehmerin von unerwarteter Seite. 2021 entschied ein US-amerikanisches Gericht, dass die Hippos als "juristische Personen" zu behandeln seien. Auch wenn kolumbianische Rechtsexperten bekräftigen, dass das Urteil keinerlei Auswirkungen auf örtliche Behörden hat, ließ eine Ankündigung von Umweltministerin Susana Muhamad im Januar aufhorchen. Sie versprach neue Schutzgesetze für "alle Tiere des Landes".