Stockholm/Berlin. Schweden werden die Republik fordern, sagt ein Experte voraus. Victorias Tochter Prinzessin Estelle könnte die letzte Königin werden.

Ausgerechnet vor laufenden TV-Kameras öffnet König Carl XVI Gustaf von Schweden eine royale Büchse der Pandora. Öffentlich zweifelt er auf einmal die vier Jahrzehnte zurückliegenden Änderungen des Thronfolge-Gesetzes an, denen es seine Tochter zu verdanken hat, dass sie eines Tages auf dem Thron sitzen wird – und nicht ihr Bruder.

Der König, ein Mann von gestern? Nicht nur wegen Carl Gustafs unbedachten Äußerungen in einer TV-Doku diskutieren die Schweden dieser Tage, ob die Monarchie in ihrem Land eine Zukunft hat.

Ein schwedischer Historiker sagt: Nein, hat sie nicht. Herman Lindqvist (79) prognostiziert ein baldiges Ende des Königtums in seinem Land. Seine düstere Vorhersage elektrisiert royale Fans wie Kritiker. Denn Lindqvist ist keineswegs ein Gegner der Monarchie, er war Privatlehrer der Thronfolgerin Kronprinzessin Victoria (45). Deren Tochter Estelle (10), orakelt er, dürfte eines Tages die letzte Königin von Schweden sein.

Schweden: König Carl Gustaf und der Zeitgeist

Ausgerechnet in dieser unsicheren Zeit also gibt sich Carl Gustaf als jemand zu erkennen, der mit dem Zeitgeist hadert. In diesem Jahr feiert der 76-Jährige sein 50-jähriges Thronjubiläum – aus diesem Anlass ließ er sich fürs Fernsehen interviewen. Darin kritisiert er die Änderungen des Thronfolge-Gesetzes: Als Sohn Carl Philip (43) am 13. Mai 1979 das Licht der Welt erblickte, war kurzzeitig er der Kronprinz.

Die letzten Royals? Carl XVI Gustaf von Schweden und Königin Silvia mit Kronprinzessin Victoria, deren Mann Prinz Daniel und den Kindern estelle und Oscar.
Die letzten Royals? Carl XVI Gustaf von Schweden und Königin Silvia mit Kronprinzessin Victoria, deren Mann Prinz Daniel und den Kindern estelle und Oscar. © pa / Royal Press Europe | Albert Nieboer

Doch kurz darauf folgte die politische Entscheidung, seine ältere Schwester Victoria zur Thronfolgerin zu ernennen. Schweden gehört wie die anderen skandinavischen Länder zu den Vorreitern der Gleichberechtigung – ein Beharren auf der männlichen Thronfolge hätte bereits in in den frühen 1980er-Jahren nicht zum Selbstverständnis des Landes gepasst.

Trotzdem klagt Carl Gustaf: „Ich als Vater fand das furchtbar.“ Da war er vermutlich der einzige. Denn der abgesetzte Carl Philip war ein Baby, als er im Alter von einem Jahr den Kronprinzen-Titel verlor und dürfte das kaum persönlich verfolgt, schon gar nicht verstanden und auf keinen Fall schwere psychische Schäden dadurch davongetragen haben.

König verteidigt Kronprinzessin

Das Volk ist empört. Carl Gustaf, der – höflich ausgedrückt – nicht gerade als Feminist, sondern eher als Elchjäger, Liebhaber schneller Autos und enttarnter Ex-Lover der Popsängerin Camilla Henemark (58, „Army of Lovers“) aufgefallen ist, ruderte schnell zurück. Er wolle klarstellen, dass er seine Tochter nicht kritisiert habe: „Die Kronprinzessin ist meine Nachfolgerin.“ Und: „Ich bin stolz auf sie und ihren unermüdlichen Einsatz für Schweden.“

Victoria, bei den Landsleuten wesentlich beliebter als ihr Vater, sagte nichts. Stattdessen arrangierten die beiden einen gemeinsamen Fototermin, bei dem sich Papa und Tochter zusammen beim Langlaufen zeigten. Dabei stürzte Victoria in den Schnee, stand aber lachend auf. Der König blieb auf seinen Skiern. Trotzdem kommen seine unbedachten Äußerungen einer Bruchlandung gleich.

Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.
Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.

Der Imageschaden ist groß. Und jetzt kommt auch noch Historiker Lindqvist und behauptet in der Boulevardzeitung „Aftonbladet“, dass es mit der Monarchie zuende geht. „Es wird Referenden und Untersuchungen geben und dann wird man sich für die Republik entscheiden“, sagt er voraus. Victoria werde nach Carl Gustaf das Zepter übernehmen und irgendwann an ihre Tochter Estelle weitergeben – dann sei Schluss.

Victoria beliebter als der König

Zu seinem Denkmodell gehört die These, dass immer weniger ur-royale DNA im schwedischen Königshaus anzutreffen sei, da ja beispielsweise alle drei Kinder von Carl Gustaf und Königin Silvia (79) bürgerliche Ehepartner gewählt hätten.

Fakt ist: Victoria kommt im Land sehr gut an, nicht wenige Schwedinnen und Schweden hätten gerne, dass sie schnellstmöglich den Thron übernimmt. Auch ihre Tochter Estelle ist Liebling der Landsleute und überzeugt bereits als Zehnjährige mit einer Mischung aus Charme, Natürlichkeit und einem durchaus sichtbaren Interesse an royalen Auftritten. Im internationalen Vergleich hat die neue royale Heiratspolitik in vielen Fällen der Popularität der Königshäuser nicht geschadet – bestes Beispiel: Herzogin Kate (41) im Vereinigten Königreich.

Die Zeit „nach Estelle“ dürfte, realistisch gerechnet, in etwa 80 Jahren beginnen. Orakel Lindqvist wäre dann theoretisch 159 Jahre alt. Und wird wohl nie erfahren, ob seine kühnen Prognosen tatsächlich eintreffen werden.