Berlin. Der Händler Gravis ist Vorreiter dabei, das Bargeld abzuschaffen. Das Feedback: Es ist leichter als gedacht. Wie sehen das Aldi & Co.?

Ein Leben ohne Bargeld? Ist das möglich? Der deutsche Apple-Händler Gravis versucht es zumindest. Seit Jahresbeginn nimmt er keine Scheine und Münzen mehr an. Und das bundesweit, in allen 40 Filialen. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen steht: Ab dem 16. Januar 2023 wird ausschließlich die bargeldlose Zahlung in unseren Verkaufsstellen möglich sein.

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Erster Händler schafft Bargeld ab: die Hintergründe

Pia Northoff, Gravis-Pressesprecherin, erklärt dazu: „Nur ein kleiner einstelliger Prozentanteil zahlte zuletzt noch bar bei uns. Die Entscheidung wurde dann nach einer sorgfältigen Prüfung der internen Prozesse und einer erfolgreichen Testphase in ausgewählten Stores auf Basis der überdurchschnittlich großen Akzeptanz von bargeldlosem Zahlen getroffen.“

Es sei praktisch, sicher sowie schnell – und eben auch schon längst gelernt. Auch der Konzern profitiere davon. „Unmittelbar damit verknüpft ist der Vorteil, dass wir Preise für die Kundinnen und Kunden länger stabil halten können“, meint Northoff.

Das Pappschild mit der Aufschrift „No Cash Accepted" gibt es auch beim jährlich in Berlin stattfindenden Musikfestival Lollapalooza. Dort gibt es nur bargeldlose Bezahlung. „Damit sind lange Schlangen passé und wir beugen Diebstahl vor“, heißt es auf der Webseite. Oder beim Mitfahrdienst BlaBlaCar. Er akzeptiert nur die Bezahlung per PayPal, Kreditkarte oder mit Gutscheinen. Sind diese Unternehmen bzw. Veranstalter die Vorreiter einer Bewegung? Nach dem Motto: Wir sorgen dafür, dass das Bargeld aus den Kassen und Geldbörsen verschwindet.

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Bargeld ade? Seit der Pandemie verstärkte Nutzung von Kartenzahlungen

Auch Aldi Nord versucht, aufs Bargeld zu verzichten, wenn auch örtlich begrenzt. Denn in den Niederlanden erprobt der Discounter mit einer kassenlosen Testfiliale automatische Bezahlvorgänge mit hinterlegten Kreditkartendaten.

In Deutschland hingegen behalte man noch beides bei. „Aldi Nord möchte als Grundversorger seinen Kundinnen und Kunden einen einfachen und schnellen Einkauf ermöglichen. Daher akzeptieren wir in allen der mehr als 2.200 Märkte sowohl Bargeld als auch bargeldlose Bezahlmöglichkeiten. Seit der Pandemie registrieren aber auch wir eine verstärkte Nutzung von Kartenzahlungen in unseren Filialen“, heißt es auf Anfrage.

Bei Aldi Süd ist aktuell keine rein bargeldlose Bezahlung geplant. „Sowohl an den normalen Kassen, als auch an den Self-Check-Out-Kassen werden alle gängigen Zahlungsmittel – so auch Bargeld – weiterhin akzeptiert“, sagt Sprecherin Jette Kemna. Ähnlich sieht es bei Kaufland, Edeka und Lidl aus. „Darüber hinaus haben unsere Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, mit dem Smartphone kontaktlos zu bezahlen – beispielsweise mit Lidl Pay.“

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    Digitales Bezahlen wird weiter an Boden gewinnen

    Und was ist mit der Rewe-Group? Sie setzt im Moment auf Bargeld, Debit- und Kreditkarten sowie App-basierte Bezahlmöglichkeiten. „Bargeld nimmt zwar von Bedeutung ab, stellt aber immer noch die zweitbeliebteste Bezahlform dar. Für uns als Händler haben digitale Versionen auch Handlings- und Versicherungsvorteile. Letztlich ist es uns aber wichtig, unseren Kundinnen und Kunden die Entscheidung zu überlassen, wie sie zahlen möchten. Weshalb wir auch zukünftig möglichst viele Bezahlverfahren anbieten werden – also auch weiterhin die Barzahlung“, so Sprecher Andreas Krämer.

    Ganz abschaffen möchte man die Bargeldzahlung dann also doch nicht. Eine Studie des Kreditkartenanbieters Visa zeigt: 87 Prozent der Befragten nutzen häufig oder zumindest gelegentlich Bargeld für Waren oder Dienstleistungen.

    Anders sieht es bei den unter 36-Jährigen aus. Sie zahlen vermehrt kontaktlos. 2022 waren es 65 Prozent. „Sie haben während der Pandemie Vorteile wie Schnelligkeit und Sicherheit zu schätzen gelernt. Wir erwarten, dass das digitale Bezahlen weiter an Boden gewinnen wird“, erklärt Albrecht Kiel, Visa-Zentraleuropa-Chef.

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    In Ländern wie Belgien, den Niederlanden, Großbritannien ist Bargeld unüblich

    Überraschend: Immerhin 87 Prozent der Befragten gaben an, häufig oder zumindest gelegentlich noch Bargeld zu nutzen. Auch die Deutsche Bundesbank stellte in einer Studie aus dem letzten Jahr fest: „Bargeld ist nach wie vor das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel in Deutschland: 58 Prozent aller alltäglichen Zahlungen werden bar getätigt.“

    So bleiben immer mehr Händler bei der bewährten Praxis, wenn es ums Geld geht. Beim Blick in andere europäische Länder fällt auf, dass es beispielsweise in den Niederlanden, Großbritannien oder in Belgien an vielen Orten bereits üblich ist, bargeldlos zu zahlen.

    In Deutschland – so scheint es – wird sich da nichts so schnell ändern. „Die Bezahlung mit Bargeld ist ein einfacher und flexibler Weg der Bezahlung, der in unseren stationären Märkten nach wie vor gerne genutzt wird. Daher werden wir die Bargeldzahlung auch weiterhin anbieten“, heißt es bei der MediaMarktSaturn-Retail-Group.