Berlin. Die deutsche Bevölkerung wächst. Und das, obwohl mehr Menschen sterben als neu geboren werden. Das sind die Ursachen für den Rekord.

In Deutschland wurden zuletzt weniger Kinder geboren. Gleichzeitig sterben geburtenstarke Jahrgänge. Und trotzdem ist die Bevölkerung gewachsen. In der Summe hat Deutschland zum Jahreswechsel einen Bevölkerungshöchststand von schätzungsweise mindestens 84,3 Millionen erreicht. „Damit lebten hierzulande so viele Menschen wie noch nie am Ende eines Jahres“, berichtete das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden auf Basis vorläufiger Ergebnisse.

Wie kommt das Bevölkerungswachstum zustande? Schätzungsweise seien 1,42 bis 1,45 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gekommen, als ins Ausland fortgezogen seien. In der Folge sei die sogenannte Nettozuwanderung so hoch gewesen wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950. „Neben der starken Zuwanderung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat auch die Zuwanderung von Menschen anderer Nationalitäten deutlich zugenommen“, erläuterte das Statistische Bundesamt.

Ohne Zuwanderung würde Deutschland schrumpfen

Zugleich sei die Geburtenzahl zurückgegangen und die Zahl der Sterbefälle gestiegen. Das habe sich dämpfend auf das Bevölkerungswachstum ausgewirkt, erklärten die Fachleute. Insgesamt habe die Bevölkerungszahl vom Jahresende 2021 bis zum Jahresende 2022 um 1,1 Millionen Menschen zugenommen.

In den drei Jahrzehnten seit der Wiedervereinigung Deutschlands sei die Bevölkerung Deutschlands überwiegend gewachsen – mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Das Wachstum habe sich jedoch ausschließlich dadurch ergeben, dass mehr Menschen zu- als abgewandert seien, erklärten die Fachleute aus Wiesbaden. „Ohne Nettozuwanderung wäre die Bevölkerung bereits seit 1972 geschrumpft, da seither jedes Jahr mehr Menschen starben als geboren wurden.“

Mehr Menschen sterben, weniger Menschen werden geboren

Die Zahl der Geburten sank vom Jahr 2021 auf 2022 um etwa sieben Prozent „und dürfte zwischen 735.000 und 745.000 betragen“, wie es vom Statistischen Bundesamt weiter hieß (2021: 795.492). Die Zahl der Gestorbenen sei dagegen um rund vier Prozent auf etwa 1,06 Millionen gestiegen (2021: 1.023.687).

„In der Bevölkerung passiert erheblich was“, kommentierte Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) die Entwicklung. Die Alterung der Babyboomer – also der Angehörigen geburtenstarker Jahrgänge – und die damit verbundenen Herausforderungen für Arbeitsmarkt, Rente und Gesundheit würden in den nächsten zehn Jahren „ein Riesenthema“ sein. „Deutschland altert“, sagte Klüsener.

Kriegsflüchtlinge verstärken das Bevölkerungswachstum

Das jüngste Bevölkerungswachstum hat vor allem mit Fluchtmigration im Zusammenhang mit Krieg und Gewalt in Syrien, Afghanistan und im Irak 2015/2016 sowie nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 zu tun, wie das Statistische Bundesamt im November erklärt hatte. Aber auch aus den EU-Staaten Rumänien, Bulgarien und Polen seien stetig Zuzüge zu verzeichnen. „Entsprechend nahm zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 30. Juni 2022 die Zahl der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu (+ 4.341.000), während die Zahl jener mit deutscher Staatsangehörigkeit rückläufig war (- 1.458.000).“

Im ersten Corona-Jahr 2020 war Deutschlands Bevölkerungszahl nahezu unverändert geblieben (minus 12.000 Menschen im Vergleich zum Jahr 2019). Zum Jahresende 2021 stieg sie dann um 0,1 Prozent (82.000 Menschen) auf gut 83,2 Millionen, womit in Deutschland mehr Leute lebten als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Auch diese Entwicklung war bereits auf Zuwanderung zurückzuführen, wie das Statistische Bundesamt im Sommer 2022 berichtet hatte.

Wie sich Deutschlands Bevölkerung etwa angesichts des Kriegs in der Ukraine entwickelt, sei noch nicht abzusehen, sagte Klüsener. Ob die Menschen in Deutschland bleiben oder wieder in ihre Heimat zurückkehren, hänge sehr stark davon ab, wie lange der Konflikt dauert. Zu sogenannten Außenwanderungen – also Migration über Staatsgrenzen hinweg – seien Aussagen für die nähere Zukunft nur sehr schwer zu treffen. (dpa/lro)

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