Berlin. Es herrscht Frühling im Winter. Mit Folgen für die Natur: Tiere erwachen zu früh aus dem Winterschlaf. Allergiker haben zu kämpfen.

Weg mit Anorak und dicken Stiefeln: Die Luft ist lau, schon manche Knospe zeigt sich vor der Zeit. Dieser Frühling im Winter kann vor allem für die Tierwelt zum reinsten Stresstest werden. „Die Winterruhe wird ja gestört“, so Silvia Teich vom Nabu. Und auch der Mensch fremdelt. Selbst wenn er Heizkosten spart, fragt er sich doch: Ist diese Wärme eigentlich noch normal?

„Schon im Dezember gab es an Silvester zahlreiche Temperaturrekorde, im Januar geht es gerade so weiter“, sagt der Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). An vielen Wetterstationen in Deutschland sei es noch nie so warm gewesen wie in den vergangenen sieben Tagen.

So zeigte Deutschlands älteste Wetterstation auf dem Hohen Peißenberg im Bayerischen Alpenvorland, die dort bereits seit 1782 die Temperaturen misst, am 2. Januar 18,1 Grad Celsius – und überbot damit den alten Rekord von 17,2 Grad aus dem Jahr 2002 um fast ein Grad.

Frühblüher machen Allergikern Ärger

Hinter diesen frühlingshaften Temperaturen steckt laut Friedrich eine Großwetterlage, die bereits vor Weihnachten begonnen hat und bis heute andauert. „Grund für die milden Temperaturen ist eine Südwestströmung, die warme Luft von den Kanaren bis nach Mitteleuropa transportiert“, so Friedrich. Hinzu komme, dass die Meeresgebiete rund um die Kanaren deutliche Temperaturabweichungen nach oben zeigen, „deswegen konnte sich die Luft auf dem Weg nach Mitteleuropa nicht abkühlen“.

In Süddeutschland kam auch noch die Sonne heraus. Die Folge: Rekordtemperaturen mit teilweise über 20 Grad. Ist das nun Wetter oder Klima? Laut Friedrich kommen milde Temperaturen um den Jahreswechsel immer wieder mal vor, dieses extrem milde Wetter der vergangenen Tage sei jedoch zum Teil auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.

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Biergartenstimmung mitten im Winter: Bei um die 18 Grad an Neujahr in Münchens Englischen Garten.
Biergartenstimmung mitten im Winter: Bei um die 18 Grad an Neujahr in Münchens Englischen Garten. © IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Die Frühlingstemperaturen wirken sich auch auf die Pflanzenwelt aus. Meteorologe Friedrich hat bereits eine erste Biene auf der Suche nach Pollen gesichtet. Nicht ohne Grund: „Die ersten Frühblüher wie die Hasel sind bereits unterwegs und können bei Allergikern zu ersten Beschwerden führen“, sagt Friedrich.

Aus diesem Grund hat der DWD bereits seinen Polleninformationsdienst für dieses Jahr aktiviert. Normalerweise geschieht das laut Friedrich vier bis sechs Wochen später im Jahr. Vor allem im Westen Deutschlands zeigte die Karte am Dienstag zumindest eine geringe Belastung durch Haselpollen.

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Milde Temperaturen – Brutzeiten verlängern sich

Auch die Tiere spüren die Belastung. Es ist das Problem der „Synchronisation“, so Albert Wotke vom WWF. Wird es warm, schwirren vor allem den Bienen die Sinne. „In der Tat schwärmen einige dann schon aus.“ Aber der Frust folgt auf dem Fluge: „Es gibt ja noch keine Blüten. Ganz schwierig für die Imker.“

Gerade am warmen Jahreswechsel waren sie schon zu sehen. Sie verschwenden ihre Energie, die sie ja noch brauchen. Sie könnten schwächeln, wenn es dann im echten Frühling an die Arbeit gehen muss.

Ein Strauch blüht bei schönem Wetter in einem Garten.
Ein Strauch blüht bei schönem Wetter in einem Garten. © pa / dpa

Auch für die Fledermäuse kann es eng werden, wenn sie sich durch vermeintliche Frühlingstemperaturen in die Irre leiten lassen, so Wotke. „Sie finden ja noch keine Insekten.“ Ein Problem, das auch die Vögel bekommen können, so Wotke. „Die Brutzeit wird durch die Wärme nach vorne verlegt.“ Den ganz Kleinen fehlen dann Ameiseneier, tote Fliegenmaden, Raupen, Spinnen und die Grillen.

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Durch die milderen Temperaturen können sich zudem die Brutzeiten von Vögeln verlängern. Arten wie beispielsweise Meisen können dabei bis zu dreimal im Jahr Junge heranziehen. Das ist gut für die Population, stresst das Brutpaar jedoch bedrohlich.

Wärme bringt Tiere durcheinander

Wärme ist einfach verlockend – und lässt auch Igel und manche Kröte zum Beispiel schon mal aus der Winterruhe aufwachen. „Das ist ein Problem“, sagt Silvia Teich vom Nabu. „Aber sie haben ja eine innere Uhr. Und wissen schon, dass es noch nicht Zeit ist, die Winterruhe wirklich ganz zu beenden.“

Das Problem allerdings sei das Wechselbad, dieses Hin und Her zwischen Kälte und Wärme könnte das innere Navi der Tiere schon durcheinanderbringen. „Dieser Zwang, sich immer wieder neu einzustellen, verbraucht sehr viel Kraft. Und genau die fehlt den Tieren ja.“ Häufige Wechsel zwischen Minus- und Plusgraden könnten für die Tiere dann auch lebensbedrohlich werden.

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Sollte jemand ein geschwächtes Tier sehen – am besten nicht selbst helfen, sondern es zum Tierarzt oder in eine Auffangstation bringen. Die seien darauf eingestellt, dass manche Frühaufsteher noch mal aufgepäppelt werden müssen.