Casamicciola. Im Norden Ischias herrscht nach Sturm und Regen vom Wochenende weiter Chaos. Zwischen Schutt und Schlamm finden die Suchtrupps weitere Opfer. Erste Fragen werden laut: Hätte es so weit kommen müssen?

Nach dem verheerenden Unwetter auf der italienischen Insel Ischia haben die Behörden die Bergungsarbeiten fortgesetzt und einen weiteren Toten geborgen. Die Feuerwehr fand am Montagmorgen einen 15 Jahre alten Jungen im nördlichen Küstenort Casamicciola, wie die Präfektur in Neapel mitteilte. Damit stieg die Zahl der Toten auf acht.

Am Sonntag hatten die Rettungskräfte die sechs Jahre alte Schwester und den elf Jahre alten Bruder des Jungen in den Schlammmassen entdeckt. Außerdem bargen sie ein erst 22 Tage altes Baby tot aus den Trümmern sowie drei Frauen und einen Mann.

Vier Menschen galten am Montagnachmittag noch als vermisst, darunter laut Medien die Eltern der drei gestorbenen Geschwister. Starke Regenfälle hatten zu Überschwemmungen und Erdrutschen geführt. Besonders betroffen war der Nordteil der Insel. Etwa 30 Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen. Schlammmassen trieben durch die Straßen bis in die Häuser, zerstörten Autos und rissen sie ins Meer.

Altkanzlerin Angela Merkel drückte am Montag ihre Anteilnahme mit den Menschen auf Ischia aus: „Ich trauere mit Ihnen um die Opfer und bin in Gedanken bei Ihren Angehörigen, bei allen von der Katastrophe Betroffenen und bei den Rettungskräften.“ Merkel machte in der Vergangenheit immer wieder Urlaub auf der beliebten Ferieninsel.

Die Bebauung der Hänge wirft viele Fragen auf

Nachdem das Ausmaß des Unwetters deutlich wurde, tauchten erste Fragen nach dem Warum auf und ob das Unglück nicht hätte verhindert werden können. Vorwürfe richteten sich gegen die Behörden, die nicht genug in den Schutz der Hänge investiert hätten. Andere kritisierten die Politik der vergangenen Jahre, die den Schwarzbau auf Ischia noch unterstützt habe. Bekannt war, dass an den bebauten Hängen auf der größten Insel im Golf von Neapel ein Risiko für Erdrutsche bei Unwettern bestand. Einige Häuser sollen dort laut Medienberichten ohne Erlaubnis und entsprechend Prüfungen gebaut worden sein.

„Ungenehmigtes Bauen stellt sicherlich ein Problem dar“, sagte Zivilschutz-Chef Fabrizio Curcio in einem Zeitungsinterview am Montag. Auf Ischia sei klar, dass es Schwarzbauten gebe, weshalb ein höheres Risiko bestehe. Der 56-Jährige merkte jedoch an, dass auch bei legalen Bauten in Gegenden, in denen die Natur ihren Raum zurückfordere, durch Fehlplanungen Unsicherheiten entstünden.

Mehr Prävention gefordert

Ein Risiko für Überschwemmungen, Erdrutsche und Erosionen besteht laut Curcio in ganz Italien und nicht nur auf Ischia mit seinen etwas mehr als 60 000 Einwohnern. 94 Prozent der Kommunen seien gefährdet. Deshalb brauche es mehr Prävention und Verbesserung beim Bau von Wehren sowie an Flussufern. Auch die Menschen müssten ihr Verhalten bei Unwetterwarnungen anpassen. „Ereignisse, wie das auf Ischia, werden immer häufiger: Dies ist die Zeit des Tuns, nicht das Nachdenkens“, sagte Curcio.

Seine Behörde hatte noch am Freitagabend vor Starkregen und Sturm in Süditalien gewarnt. In der Nacht zu Samstag brach das Unwetter dann über Ischia herein. Autos und Busse wurden von den Schlammmassen mitgerissen und landeten teilweise im Meer. Rund 230 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.

Die Behörden waren zeitweilig mit fast 400 Rettungskräften im Einsatz, von denen viele vom Festland aus auf die Insel geschickt wurden. Die Regierung in Rom verhängte am Sonntag den Notstand auf der Urlaubsinsel und sicherte zwei Millionen Euro Finanzhilfe zu.