Berlin. Größe zeigen – viele Männer glauben, ihr Wert wird an der Penis-Größe gemessen. Alles über die Methoden einer Penisverlängerung.

„Doch, er ist wirklich ziemlich klein“, sagt Vessel R. (Name geändert). Auf Zentimeter will der Düsseldorfer sich nicht festlegen. Der 34-Jährige wurde islamisch erzogen und ging immer sehr zurückhaltend mit Nacktheit um. Penisvergleiche mit Kumpels, nackt zusammen duschen nach dem Sport: Das war nie sein Ding, und so ging er davon aus, dass bei ihm alles „normal“ sei. „Mit 19 sah ich meinen ersten Porno und mich traf der Schlag“, sagt er.

Aber schneidet nicht fast jeder Mann im Vergleich zu Pornodarstellern schlecht ab? „Meine langjährige Freundin nannte ihn Micky Maus“, sagt er dann. „Das war okay. Es war eine schöne Beziehung, der Sex war gut. Sie sagte, sie liebt einen Mann, nicht einen Penis.“

Durchschnittspenis ist kleiner als vermutet

Nach der Trennung probiert er Tinder aus. Spätestens nach dem ersten Sex hätten sich die Frauen nicht mehr gemeldet. Vessel ist sich sicher: Es lag an „Micky Maus“. Er hat seitdem viele Muskeln aufgebaut. „Klar will ich damit kompensieren.“ Doch jetzt will er den Penis operativ vergrößern lassen. „Warum ist eine Brust-OP bei Frauen völlig akzeptiert, aber wenn wir Männer was machen lassen, ist das ein großes Tabu?“

Das King’s College London hat 15.500 Männer verschiedener Nationalitäten und sozialer sowie ethnischer Hintergründe vermessen. Eine große Studie mit einem gar nicht so großen Ergebnis: Der Durchschnittpenis ist 13,12 Zentimeter lang – erigiert. Schlaff sind es 9,16 Zentimeter. „Wir glauben, dass unsere Daten Ärzten helfen werden, die große Mehrheit der Männer davon zu überzeugen, dass ihre Penislänge im normalen Bereich liegt“, so Dr. David Veale, leitender Autor des Instituts für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaften.

Penisgröße für manche Frauen (und Männer) spielentscheidend

Viele Männer haben tatsächlich überzogene Vorstellungen von der Größe eines Penis. Während früher oft mit Kumpels verglichen wurde, speist heute die im Internet leicht verfügbare Pornografie falsche Mythen. Zudem sagt die Größe eines Penis nichts aus über Stehvermögen, Fitness oder Zeugungskraft. Sex mit einem kleinen Penis kann genauso befriedigend sein wie mit einem großen, sowohl für einen selbst als auch für die Partnerin bzw. den Partner. Sex ist schließlich weit mehr als Penetration, und der ganze Körper ist ein Sexualorgan, nicht nur die Genitalien.

Und dennoch: Einige Frauen und Männer, die mit Männern Sex haben, definieren ganz klar eine Untergrenze. Yana (28) sagt: „Ich gebe es zu, ich bin eine Size Queen. Ich fühle inzwischen vor, wie der Mann bestückt ist. Ich bin eine beschäftigte Frau, ich habe keinen Sinn für Kleinigkeiten.“

Frauen- und Schwulenbewegung holten Penis aus der Tabuzone

In der TV-Serie "Sex and the City" sprachen Frauen erstmals so über Sex und das andere Geschlecht, wie es bis dahin nur Männern zugestanden wurde.

In einer Folge weint die sexuell überaus aktive PR-Lady Samantha Jones (Kim Cattrall) bitterlich, weil der Mann, mit dem sie eine neue Affäre hat, einfach perfekt ist – bis auf ein paar fehlende Zentimeter an entscheidender Stelle.

„Wisch und weg“ für kleine Penisse

Durch Dating-Portale wie Tinder vergrößert sich das Angebot, aus dem Frauen wählen können – das sorgt für schärfere und auch oberflächlichere Kriterien und Ausschlussverfahren. Ökonomisch unabhängige Frauen beurteilen einen potenziellen Partner weniger nach Status, Sicherheit oder Vaterqualität. Vermeintliche körperliche Vorzüge rücken in den Vordergrund.

Neben der Frauenbewegung war es auch die Schwulenbewegung, die den Penis aus der Tabuzone holte. Queere Männer sprachen offen über Größen und erhoben teilweise das große Glied zum gefeierten Fetisch. Das Internet sorgte für einen Pornoboom. Plötzlich verglichen sich junge Männer wie Vessel nicht mehr mit Schulkumpels in der Jugendherberge, sondern mit internationalen Pornostars. Erwartung und Wahrnehmung verzerrten. All dies setzte Männer zunehmend unter Druck.

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Penis-Komplex führt zu Depression und Versagensangst

Narzissmus Narzißmus Ein Mann steht vor einem Spiegel und schaut sich selbst an Herz Herzen Illustration
Narzissmus Narzißmus Ein Mann steht vor einem Spiegel und schaut sich selbst an Herz Herzen Illustration © shutterstock | Shutterstock

Die Fixierung auf das Genitale kann sich bei Männern, egal, wie sich ihr Penis tatsächlich zur Durchschnittsgröße verhält, gravierend auswirken. Sie leiden dann an Depression, Versagensangst, Erektionsstörung oder vermeiden Sex ganz.

„Die meisten Männer, die mit dem Wunsch nach einer Penisverlängerung zu mir in die Praxis kommen, haben ein psychisches Problem, sagt Dr. Afschin Fatemi, Facharzt für Dermatologie mit Schwerpunkt Dermatochirurgie und ästhetische Medizin in Düsseldorf.

Penisvergrößerung kann bis zu sechs Extra-Zentimeter bedeuten

Die Penisvergrößerung ist ein operativer Eingriff, der 40 Minuten dauern kann und ambulant durchgeführt wird. Dabei werden die vorderen Penishaltebänder durchtrennt und der innen liegende Teil des Penis wird so ein Stück nach außen verlagert.

Dadurch, dass der innere Teil begradigt wird, entsteht ein Überhang, der vorne ausgenutzt wird. Es wird also nicht in den Penis hineingeschnitten. Die für die neuen Zentimeter benötigte Haut wird vom Hodensack genommen. Die Narbenbildung ist bestenfalls gering. Wie bei jeder Operation gibt es jedoch Risiken wie allergische Reaktionen.

Etwa vier Wochen muss der Bereich durch weite Unterwäsche geschont und auf Geschlechtsverkehr verzichtet werden. Im schlaffen Zustand lassen sich so eine Verlängerung von 2 bis 6 Zentimeter gewinnen. Die Kosten von rund 3000 Euro übernimmt in kaum einem Fall die Krankenkasse.

Hyaluronsäure verdickt den Penis

Eine schonendere Möglichkeit ist die Behandlung mit Hyaluronsäure. Dabei handelt es sich vor allem um eine Penisverdickung.

Viele Männer haben überholte Vorstellungen von Männlichkeit und bewerten und messen den Zentimetern zu viel Bedeutung für eine erfüllte Sexualität bei.
Viele Männer haben überholte Vorstellungen von Männlichkeit und bewerten und messen den Zentimetern zu viel Bedeutung für eine erfüllte Sexualität bei. © iStockphoto | GeorgeRudy

Denn der körpereigene Wirkstoff Hyaluron kann ein Vielfaches an Wasser speichern und führt so zu einem vermehrten Volumen. Der Eingriff ist nicht-operativ und es gibt keine langen Ausfallzeiten.

Das Hyaluron wird dabei ambulant mit örtlicher Betäubung in verschiedene Stellen des Penis injiziert. Nach rund drei Wochen hat sich das Hyaluron im gesamten Penis verteilt und das endgültige Ergebnis sollte sichtbar sein.

Da das Hyaluron allerdings nach und nach wieder vom Körper abgebaut wird, kann der Effekt der Penisvergrößerung nach rund neun bis zwölf Monaten zunehmend zurückgehen. Dann ist es aber kein Problem, eine erneute Behandlung durchzuführen. Laut Fatemi können zwei Zentimeter mehr an Länge und Dicke gewonnen werden.

Eigenfettbehandlung ist weitere Alternative

Eine weitere Alternativmethode ist die Penisverdickung mittels Eigenfett. Der Eingriff kann ebenfalls unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden, allerdings wird dem Patienten hierbei vorab noch das benötigte Fett an geeigneter Stelle entnommen. Dann wird das Eigenfett in den Penis injiziert. Die Methode ist aufgrund des größeren Aufwands teurer als eine Vergrößerung mittels Hyaluron. Allerdings ist sie auch nachhaltiger, denn nur ein kleiner Teil des Eigenfetts wird vom Körper abgebaut.

Rund 70 Prozent der Fettzellen bleiben bestehen und sorgen für ein langfristiges Penisvolumen. Von Methoden, wie dem Einsetzen von Plastikimplantaten oder die Verwendung von Silikon rät Fatemi ab. Es kann dabei zu Abstoßungsreaktionen des Körpers kommen.

Der Penis als Sündenbock

Psychische Probleme löst eine Penisvergrößerung selten. Es ist wie mit Reichtum – es wird immer jemanden geben, der um Längen voraus ist. Der Penis wird zum Lastenesel und Sündenbock gemacht. Auf ihm lastet die Aufgabe, das männliche Ego zu bedienen.

Eine Psychotherapie kann helfen, überholte Männlichkeitsideale zu überdenken und den Penis zu entlasten. Männlichkeit ist ein diffuser, komplexer und flüchtiger Begriff. Ganz sicher lässt sie sich nicht in Zentimetern messen. Insofern ist die Fixierung auf den Penis auch eine Form der Vereinfachung.

Inzwischen wünschen manche Männer auch eine rein ästhetische Korrektur, etwa das Penis-Bleaching: Dabei werden die Farbpigmente der Haut mithilfe eines Lasers zerstört und die behandelten Stellen werden aufgehellt. Diese Art der Peniskorrektur ist vor allem in Asien beliebt, denn dort gilt helle Haut als Schönheitsideal - auch im Genitalbereich.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de