Madrid. Vor rund einem Jahr richtete der Cumbre Vieja auf La Palma Verwüstung an. Forscher haben jetzt neue besorgniserregende Erkenntnisse.

  • Im vergangenen Jahr sorgte der größte Vulkanausbruch in den vergangenen Jahren auf den Kanaren für Chaos und große Einschränkungen
  • Doch dabei bot sich Forschern die Gelegenheit, den Vulkan genauer unter die Lupe zu nehmen
  • Dabei haben die Wissenschaftler eine Beobachtung gemacht, die zu einer deutlichen Warnung führte

Für die Bewohner war der Vulkanausbruch vor einem Jahr auf der kanarischen Ferieninsel La Palma ein Albtraum. Die Explosion des Vulkangebirges Cumbre Vieja im Süden der spanischen Atlantikinsel zerstörte mehrere Dörfer, begrub mehr als 1500 Wohnhäuser und richtete schwere Schäden auf Bananenplantagen und in der traumhaften Landschaft an.

Doch für die Wissenschaft war die Eruption, die im Herbst 2021 vorübergehend ganz Europa in Atem hielt, eine Riesenchance. Noch nie konnten Forscher eine Vulkanexplosion so hautnah vom Anfang bis zum Ende dokumentieren. Es gelang den Geologen mit ihren Messgeräten sogar kilometertief in den brodelnden Vulkan hineinzuschauen.

Bei dieser wissenschaftlichen Reise ins Innere der Erde konnte sogar mit 3D-Bildern die Entwicklung der Magmablase und der Aufstieg des flüssigen Materials an die Erdoberfläche mitverfolgt werden konnte. Nun stellte das kanarische Vulkaninstitut Involcan erste Ergebnisse dieser spektakulären Untersuchungen vor.

La Palma: Vulkan auf könnte erneut explodieren

Die Studie, bei der Forscher aus Spanien und Russland zusammenarbeiteten, bestätigte, dass unter La Palma auch nach Ende des dreimonatigen Ausbruchs im Dezember 2021 weiterhin eine riesige Magmablase brodelt. Oder anders gesagt: Die 83.000 Bewohner des paradiesischen Eilands müssen sich wohl damit abfinden, dass sie auf einem Vulkan leben, der wieder explodieren kann.

„Erstmals konnte die Existenz eines großen Magmavorrates unter La Palma nachgewiesen werden“, erklärten die Involcan-Forscher in einer Mitteilung. „Diese Magmakammer hat den Eruptionsprozess des Cumbre Vieja ernährt. Und sie kann potenziell in der Zukunft ähnliche Eruptionsprozesse speisen.“

Wann der nächste Ausbruch auf der Insel, die jedes Jahr von Zehntausenden Wanderurlaubern aus dem deutschsprachigen Raum besucht wird, stattfinden wird, lässt sich nicht hervorsagen. Allerdings gibt es kurzfristige Warnzeichen, wie etwa jene Erdbebenwelle, die Tage vor der Explosion des Cumbre Vieja die Insel erschütterte.

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Risiko für Vulkanausbruch nimmt zu

Langfristig gleichen die Versuche, einen neuen Ausbruch exakt zu prognostizieren, eher der Kaffeesatzleserei. Doch immerhin kann aus den drei Eruptionen auf La Palma in den vergangenen 72 Jahren (2021, 1971, 1949) geschlossen werden, dass in den nächsten Jahrzehnten wohl tatsächlich wieder mit einer Lavaexplosion gerechnet werden muss.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden 50 Jahren einen neuen Ausbruch auf La Palma gibt, liegt bei 48,7 Prozent“, erklärte Involcan-Koordinator Nemesio Pérez dieser Tage im Inselparlament, das über die Vulkanrisiken auf den Kanaren beriet. Seine Angaben fußen auf mathematischen Berechnungen, in welche die Erkenntnisse der jüngsten Eruption und früherer Ausbrüche einflossen.

Pérez warnte die Inselpolitiker, das Risiko neuer Lavakatastrophen auf die leichte Schulter zu nehmen. „Das vulkanische Risiko nimmt zu“, sagte er. Und zwar nicht nur auf La Palma, sondern auf allen Kanarischen Inseln, die durchweg vulkanischen Ursprungs sind.

Teneriffa: Insel auch von Vulkanausbrüchen betroffen

Der Teide-Berg auf Teneriffa ist der berühmteste und höchste Vulkan der Inselgruppe.
Der Teide-Berg auf Teneriffa ist der berühmteste und höchste Vulkan der Inselgruppe. © Andrea Drouve/dpa-tmn

Auch Teneriffa, die meistbesuchte Kanareninsel, sei davon nicht ausgenommen. Für Teneriffa liegt, nach der von Pérez benutzten Modellrechnung, die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs in den kommenden fünf Jahrzehnten bei 39,4 Prozent.

Der Teide-Berg auf Teneriffa ist der berühmteste Vulkan der Inselgruppe. Er ist mit 3715 Metern der höchste Berg Spaniens und der dritthöchste Vulkanberg der Welt. Der letzte Ausbruch des Teides fand 1909 statt, also vor mehr als 100 Jahren, richtete aber keine größeren Schäden an. Vor mehr als drei Jahrhunderten hatte eine Lavalawine, die sich vom Teide herabwälzte, Teile des Dorfes Garachico zerstört.

Die Warnung der Involcan-Forscher, dass das Vulkanrisiko auf den Kanaren nicht geringer geworden ist, hängt auch mit den Ergebnissen der jüngsten Studie zusammen. „Es bestätigt sich die mögliche Existenz großer Magmalager unter den kanarischen Inseln“, betonen die Wissenschaftler.

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Wissenschaftler: Magmavorräte unter großen Druck

Diese Magmavorräte stehen unter großem Druck. Das habe im Falle von La Palma dazu geführt, dass das flüssige Vulkanmaterial in nur sieben Tagen aus zehn Kilometer Tiefe mit großer Gewalt an die Erdoberfläche gesprudelt und dort in die Höhe geschossen sei.

„Die möglichen eruptiven Szenarios können schneller und explosiver ablaufen, als dies bisher angenommen worden ist“, schlussfolgern die Forscher. Auch das erhöhe das Risiko. Denn die früheren Vulkanausbrüche auf den Inseln waren in der Regel nicht explosiver Art, sondern eher langsam ablaufende Eruptionen.

Als Konsequenz fordert Involcan-Koordinator Pérez, die Überwachung der vulkanischen Aktivitäten sowie die Zivilschutzpläne auf allen Inseln zu verbessern. Denn der überraschend heftige Ausbruch auf La Palma, einer der schlimmsten in ganz Europa in den letzten Jahrzehnten, habe einen Wendepunkt markiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.