Berlin. Tausende Menschen werden sich in Herbst und Winter mit dem Coronavirus infizieren. Wer dann vom Medikament Paxlovid profitieren könnte.

Ob es tatsächlich eine schwere Corona-Welle im Herbst und Winter geben wird, wie Virologe Christian Drosten vorhersagt, oder eine mittlere, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) prophezeit, bleibt abzuwarten. Fest steht aber: Tausende Menschen aus allen Altersgruppen werden sich in den kommenden Wochen zum ersten oder wiederholten Mal mit Sars-CoV-2 infizieren. Ein Mittel, um schwere Verläufe und Todesfälle zu vermeiden, ist neben der Impfung laut wissenschaftlichen Erkenntnissen das antivirale Medikament Paxlovid. Wer könnte davon profitieren? Und was gilt es bei der Einnahme zu beachten? Ein Überblick.

Paxlovid gegen Corona: Was ist das für ein Medikament?

Das Medikament des US-Herstellers Pfizer wird als Tablette verabreicht und besteht aus zwei Substanzen: Nirmatrelvir hindert Sars-CoV-2 daran, sich in den Zellen zu vermehren, und Ritonavir ist ein Wirkverstärker, der den Abbau von Nirmatrelvir im Körper verlangsamt. Die ­Tabletten müssen in Kombination zwei Mal täglich über einen Zeitraum von fünf Tagen eingenommen werden. Das Medikament war Ende Januar in der EU bedingt zugelassen worden. Lesen Sie auch: Corona: Berliner Behörde ermittelt gegen Karl Lauterbach

Nach der Beschaffung von einer Million Packungen durch die Bundesregierung Ende Februar liegen noch mehr als 600.000 Einheiten im Pharmagroßhandel bereit. Weitere Lieferungen stehen aus. An Apotheken ausgeliefert wurden laut dem Bundesgesundheitsministerium bisher rund 64.000 Einheiten. Bis Fe­bruar drohen 280.000 Einheiten zu verfallen. Eine Verlängerung der Haltbarkeit wird geprüft.

Für wen ist Paxlovid geeignet?

„Die idealen Patienten für den Einsatz von Paxlovid sind erst seit kurzer Zeit symptomatisch und noch nicht schwer erkrankt, haben aber Risikofaktoren für einen schweren Verlauf“, sagt Torsten Feldt, Bereichsleiter der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Uniklinikum Düsseldorf. Das Risiko sei vor allem bei einem Alter ab 65 Jahren, bei relevanten Vorerkrankungen an wichtigen Organen wie Herz, Lunge oder Niere und bei einem geschwächten Immunsystem erhöht. „Je höher das Risiko ist und je früher die Therapie begonnen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für einen positiven Effekt der Therapie“, so Feldt. Diese sollte in den ersten fünf Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen.

Bringt das was? So ist die Studienlage

Egal, ob bei einer Infektion mit der Delta- oder der Omikron-Variante, ob geimpft oder ungeimpft: Bei Menschen ab 65 senkt eine Paxlovid-Therapie mehreren Studien zufolge das Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf. US-Forscher etwa werteten Krankenkassendaten im Hinblick auf Besuche in der Notaufnahme, Krankenhausbehandlungen und Todesfälle wegen Covid-19 aus. Sie stellten verglichen mit unbehandelten Patienten ein verringertes Risiko bei mit Paxlovid behandelten Corona-Infizierten fest. Das relative Risiko sank laut der im Fachjournal „Clinical Infectious Diseases“ veröffentlichten Studie um 45 Prozent.

Ergebnisse einer Studie mit israelischen Krankenkassendaten stützen ebenfalls den Einsatz bei älteren Patienten in Zeiten kursierender Omikron-Varianten. Wie das Autorenteam im „New England Journal of Medicine“ festhält, fielen bei Patienten über 65, die Paxlovid bekamen, die Raten von Krankenhausbehandlungen und Tod wegen Covid-19 signifikant niedriger aus als bei nicht damit behandelten Infizierten. Das relative Risiko sank um über 70 Prozent. Bei jüngeren Erwachsenen wurden keine Hinweise auf einen Nutzen gefunden. Auch interessant: Oktoberfest trotz Corona – warum es keine Maskenpflicht gibt

Leichter durch neue Verordnung - wie wird Paxlovid verschrieben?

Fünf Packungen dürfen Ärzte jetzt bevorraten und an die Patienten direkt abgeben.
Fünf Packungen dürfen Ärzte jetzt bevorraten und an die Patienten direkt abgeben. © dpa | Fabian Sommer

Über Verschreibung und Abgabe entscheiden Ärztin oder Arzt nach Abwägung. Bei entsprechender klinischer Symptomatik kann die Therapie auf Grundlage eines positiven Schnelltestes eingeleitet werden. Die Pflicht zur Bestätigung durch einen PCR-Test besteht nicht.

Jede Arztpraxis darf bis zu fünf Packungen des Medikaments von ihrer Stammapotheke beziehen, vorrätig halten und an Patienten abgeben. Darüber hinaus kann die Verschreibung telefonisch oder per Videosprechstunde erfolgen. Die Auslieferung kann dann via Bote oder Online-Lieferung erfolgen.

Auch Pflegeheime dürfen sich bevorraten. Die Leitung oder eine von dieser benannte Person darf fünf bis zehn Therapieeinheiten von der Apotheke beziehen. Die Abgabe erfolgt nach entsprechender Verschreibung durch den Arzt. Im August waren die Regeln für die Verschreibung von Paxlovid von der Bundesregierung per Verordnung vereinfacht worden.

Gibt es Wechsel- und Nebenwirkungen?

„Es gibt bei der Substanz viele Wechselwirkungen. Besonders ältere Menschen ab 65 Jahren, die am meisten von Paxlovid profitieren könnten, nehmen häufig noch andere Arzneimittel ein“, sagt Prof. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Eine Überprüfung aller möglichen Wechselwirkungen und eine Abwägung, welche Medikamente abgesetzt werden können, koste im Praxisalltag viel Zeit, so Kluge. „Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum Paxlovid bisher noch nicht so viel eingesetzt wurde.“ Lesen Sie auch: Intensivmediziner für stärkere Nutzung von Paxlovid

„Zu den Wechselwirkungen sind inzwischen Medikamentenlisten veröffentlicht und genaue Anweisungen, wie in welchem Fall zu verfahren ist“, sagt Torsten Feldt. Trotzdem müsse man als Hausarzt lernen, mit den komplexen Wechselwirkungen umzugehen. In manchen Fällen müsse man die Dosis eines Medikaments reduzieren, in anderen es für einige Tage absetzen oder durch ein anderes ersetzen. Manche Patienten dürften Paxlovid auch gar nicht bekommen. Bei Nichtbeachtung drohten ernste Probleme.

„Es gibt inzwischen aber eine App, mit der man diese Fragen recht schnell und zuverlässig klären kann“, erklärt Feldt (https://covid19-druginteractions.org/checker). Darüber hinaus böten die Infektiologischen Zen­tren in Deutschland Hilfestellungen für medizinisches Fachpersonal in Form einer Hotline an. „Wir hier in Düsseldorf machen dabei auch mit und versuchen damit, den frühen Einsatz der Therapie bei Risikopatienten zu fördern“, so Feldt.

Die Nebenwirkungen sind den Experten zufolge überschaubar. Stefan Kluge: „Es können zwar Durchfall oder Geschmacksstörungen auftreten, allgemein ist Paxlovid aber gut verträglich.“

Das Fazit

Paxlovid kann einen schweren Covid-19-Verlauf insbesondere bei Risikopatientinnen und -patienten verhindern, wenn es rechtzeitig verschrieben und eingenommen wird. Vor allem ältere Menschen und Vorerkrankte können davon profitieren. Wegen möglicher Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sollte eine Einnahme jedoch sorgfältig abgeklärt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.