Madrid. Nach dem Vulkanausbruch zirkulieren giftige Gase auf La Palma. Im Urlaubsort Puerto Naos warnt ein Schild sogar vor Erstickungsgefahr.

  • Der Vulkanausbruch auf La Palma auf den Kanarischen Inseln ist bereits ein Jahr her
  • Doch noch immer ist die Gefahr nicht gebannt: Denn giftige Gase sorgen für Erstickungsgefahr
  • Für die Bewohner der Gegend ist es ein Alptraum

Auch ein Jahr nach dem Vulkanausbruch auf La Palma ist die Gefahr auf dem paradiesischen Eiland noch nicht restlos verschwunden. Knapp drei Monate lang hatte der Ausbruch die Kanaren in Atem gehalten. Doch im Urlaubsort Puerto Naos, der im vergangenen Herbst evakuiert und wenig später von den Lavamassen eingeschlossen wurde, wabern auch heute noch giftige Gase durch die Straßen.

Der Badeort unterhalb des Vulkankraters an der Westküste der spanischen Kanareninsel ist neun Monate nach Ende des Vulkanausbruchs auf La Palma weiterhin hermetisch abgesperrt. Die Messgeräte schlagen regelmäßig Alarm, weil sie dort tödliche Gaskonzentrationen entdecken.

"Erstickungsgefahr wegen Kohlendioxid", steht am Ortseingang. Der schwarze Totenkopf in den dreieckigen Warnschildern spricht eine klare Sprache. Ein Albtraum für die 900 Einwohner von Puerto Naos, denn sie können immer noch nicht in ihre Häuser und Wohnungen zurück. Auch in den 4000 Hotelbetten – ein Drittel aller Übernachtungsplätze auf der Insel – darf niemand schlafen.

Dieser Tage schlichen sich zwei Männer aus Puerto Naos unerlaubt in ihre Häuser, weil sie nach so langer Zeit sehen wollten, was von ihrem Wohneigentum noch übrig ist. Das wäre ihnen beinahe zum Verhängnis geworden: Beiden wurden wegen der Gaswolken plötzlich schwindelig – sie konnten sich im letzten Moment aus der Gefahrenzone retten.

Urlaub auf den Kanaren: Am Krater finden Wandertouren statt

Der Vulkan im Gebirge Cumbre Vieja im Südwesten der Insel war am 19. September 2021 nach tagelangem Rumoren mit aller Heftigkeit ausgebrochen. Drei Monate später, kurz vor Weihnachten, verstummte der Vulkan wieder und stieß keine Lava mehr aus.

Inzwischen wurde der Vulkankrater auf den Namen Tajogaite getauft. Die neue Vulkan- und Aschelandschaft ist zur Touristenattraktion geworden. "Viele Besucher wollen dieses Naturphänomen aus der Nähe sehen", freut sich ein Sprecher der örtlichen Hotelvereinigung.

Am 19. September 2021 brach der Vulkan im Gebirge Cumbre Vieja aus
Am 19. September 2021 brach der Vulkan im Gebirge Cumbre Vieja aus © dpa

Örtliche Führer bieten Wanderungen ins Kratergebiet an. Aber es ist Vorsicht geboten: Unter der Erde brodelt es weiter und diese unterirdischen Aktivitäten produzieren Gase, die an die Erdoberfläche kommen. In der Nähe des Kraters orteten die Geologen Spalten, in der noch Lava glüht.

La Palma: Die Lava verschlang mehr als 1500 Gebäude

"Es ist nicht möglich, künftige Reaktivierungen des Vulkans auszuschließen", schreiben die Behörden in ihrem jüngsten Lagebericht. Aber wann der nächste Ausbruch kommt, weiß niemand. La Palma ist vulkanischen Ursprungs und erlebte in den vergangenen 80 Jahren drei Eruptionen.

Die Lavaströme der jüngsten Vulkanexplosion verschlangen mehrere Ortschaften, darunter die Siedlungen Todoque und Paraíso sowie Teile des Ortes La Laguna. 1200 Hektar Land, was etwa ebenso vielen Fußballfeldern entspricht, wurden von der Lavawalze überrollt. Mehr als 1500 Gebäude und viele der landschaftsprägenden Bananenplantagen liegen unter einer dicken schwarzen Schicht.

Häuseransammlung auf La Palma, versunken in Lava.
Häuseransammlung auf La Palma, versunken in Lava. © JORGE GUERRERO / AFP | JORGE GUERRERO / AFP

Der Wiederaufbau kommt nur schleppend voran. Meter für Meter graben sich Bagger und Raupen durch die Lavawände, um zu Häusern vorzudringen, die nicht vollends zerdrückt wurden. "Wir haben den Zugang zu etwa 200 Gebäuden freischaufeln können", sagt Borja Perdomo. Er ist auf der Insel für den Straßenbau zuständig.

Von der Kleinstadt La Laguna wurde inzwischen eine provisorische Straße zum vier Kilometer entfernten Ort Las Norias durch das kilometerbreite Lavafeld gefräst. Der Straßenbelag wurde aus einer Mischung aus Vulkanasche, Salzwasser und Kalk hergestellt – ein Baumaterial, das schon die alten Römer benutzten und deswegen auch "römischer Mörtel" genannt wird.

La Palma: 3000 Menschen leben in Notunterkünften

Spaniens Regierung habe bereits nahezu 500 Millionen Euro auf die Insel gepumpt, um den Wiederaufbau zu finanzieren, berichtet Regierungssprecherin Isabel Rodríguez. Trotzdem wächst die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, weil die Normalität nicht schnell genug zurückkehrt oder weil die Hilfen nur nach einem bürokratischen Hindernislauf bei den Betroffenen ankommen.

3000 von den evakuierten 7000 Menschen leben immer noch in provisorischen Unterkünften. Die Inselregierung stellte Notunterkünfte in einer Barackensiedlung bereit, die jedoch weder groß genug noch besonders einladend ist. Die meisten Evakuierten wohnen deswegen weiterhin bei Freunden, Familienangehörigen, in Wohnwagen oder auch im Hotel.

Den Frust der Menschen bekam Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez zu spüren, als er kürzlich auf die Insel kam, um sich über die Fortschritte des Wiederaufbaus zu informieren: Er wurde mit Buhrufen und Pfiffen begrüßt.

Puerto Naos auf den Kanaren: Gas könnte jahrelang bleiben

Unterdessen warnen die Vulkanologen, dass die Insel möglicherweise noch länger mit den Gaswolken über manchen Lavafeldern und auch im Geister-Ferienort Puerto Naos rechnen müsse.

"Es ist unmöglich abzuschätzen, wann das aufhört", sagt Stavros Meletlidis vom staatlichen Geografischen Institut, das mit der Überwachung des Vulkans beauftragt ist. Es könne, so Meletlidis, Monate, Jahre oder sogar Jahrhunderte dauern, bis der Ausstoß der giftigen Gase zurückgehe.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.