Berlin. In Münster stirbt trans Mann Malte, in Bremen wird eine trans Frau attackiert, Taten, die den Hass gegen LGBQT-Menschen offenbaren.

  • Trans Menschen fühlen sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig.
  • In Bremen wurde eine trans Frau in einer Straßenbahn von Jugendlichen angegriffen, ihr Gesicht wurde verletzt.
  • Trans Mann Malt C. starb in Münster an den Folgen seiner Verletzungen. Er wurde auf dem CSD niedergeschlagen.
  • Der mutmaßliche Angreifer sitzt wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft.

Es war eigentlich ein heiterer Samstagabend. Vor ein paar Wochen bin ich im sommerlichen mit meinem schwulen Freund in einem portugiesischen Restaurant essen gegangen. Wir aßen kleine Köstlichkeiten, gebratenes Gemüse, gegrillten Fisch, danach noch Süßes. Später kamen sein Lebensgefährte und die beiden Inhaberinnen des Lokals dazu. Die eine kocht, die andere bewirtet die Gäste. Auch sie ein Paar. Alles war freundlich, respektvoll, eine lustige Runde – eine völlig ungefährliche Parallelwelt. Ein safe space.

Auf der Straße ist es dagegen für Homosexuelle, transgender und alle Menschen, die sich als queer oder LGBTQ bezeichnen, immer wieder gefährlich. 2021 hat das Bundeskriminalamt 1051 Straftaten im Unterfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ und „sexuellen Orientierung“ registriert, 190 davon waren Gewalttaten.

Malte wurde in Münster getötet: Die Tat steht für den wachsenden Hass

Dass der 25-jährige trans Mann Malte in der vergangenen Woche auf einem Christopher Street Day in Münster mitten in Deutschland brutal niedergeschlagen wurde, nur weil er zwei lesbischen Frauen, die bepöbelt wurden, helfen wollte, ist unfassbar. Am Freitag wurde bekannt, dass Malte an seinen Verletzungen gestorben ist.

Sein Tod ist schmerzliches Zeugnis für Intoleranz und Hass. Überall in Deutschland finden Solidaritätsbekundung und Demonstrationen statt. Die LGBQT-Gemeinschaft trauert, aber spricht auch aus, was immer stärker geworden ist. Der Hass gegen sie. Gerade wurde in Bremen in einer Straßenbahn auch wieder eine trans Frau attackiert.

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In Münster zündet eine Frau eine Kerze in Gedenken an Malte C. an. Menschen demonstrieren gegen Gewalt an queeren Menschen.
In Münster zündet eine Frau eine Kerze in Gedenken an Malte C. an. Menschen demonstrieren gegen Gewalt an queeren Menschen. © dpa | Friso Gentsch

Als ich an jenem Samstagabend mit meinem Freund und seinem Partner nach zwei Grapparunden schließlich nach Hause ging, fühlte ich mich unwohl. Die beiden hielten Händchen, küssten sich, umarmten sich. Es kamen uns Männer und Frauen in Gruppen entgegen, aufgekratzt und feierbereit – alkoholisiert. Ich hatte Angst um die beiden. Dass sie jemand bepöbeln könnte, angreifen und beleidigen. Und wenn ich schon die Angst fühlte, wie muss es ihnen täglich ergehen? Als wir am S-Bahn-Gleis standen und von zwei jungen Typen beäugt wurden, hätte ich meine Freunde am liebsten gefragt: „Müsst ihr euch jetzt anfassen?“

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Ich sprach das aber nicht aus, ich musste das aushalten, die beiden lassen sich ja auch nicht einschüchtern. Aber ich fühlte körperlich, meine schwulen Freunde sind ständig in Gefahr angegriffen zu werden. Zwei Männer mit karierten Hemden, Jeans und weißen Turnschuhen, der eine wählt CDU, der andere die Grünen. Der eine selbständig, der andere festangestellt in leitender Position. Zwei, die sich nur von der Masse abheben, weil sie ihre Gefühle füreinander offen zeigen und eben nicht der heterosexuellen Mehrheit angehören. Die werden beäugt?

In Münster demonstrieren zwei Frauen mit regenbogenfarbenen Mundschutz. Der Regenbogen ist ein Symbol der LGBTQ-Bewegung,
In Münster demonstrieren zwei Frauen mit regenbogenfarbenen Mundschutz. Der Regenbogen ist ein Symbol der LGBTQ-Bewegung, © dpa | Friso Gentsch

LGBQT: Ein schwuler Freund wurde depressiv

Ein anderer schwuler Freund wuchs in einem niedersächsischen Dorf auf. Er wurde in der Zeit depressiv. Es gab dort keinen Ort für seine Sexualität, keinen Raum. Schon als Kind spürte er, dass er schwul ist, aber er hatte keine Vorbilder, keine Jungs oder Männer, denen es ähnlich ging. Niemand fing ihn auf, half ihm in seinem gefühlten Anderssein.

Er nahm Drogen, versuchte sich mit einem intensiven Karriereplan abzulenken. Arbeitete so intensiv, dass es für echte Gefühle und Beziehungen nicht mehr reichte. Erst mit Mitte 30 verstand er, was ihn so unglücklich gemacht hatte. Doch die Rastlosigkeit geht nicht weg, bis heute hat er das Gefühl nirgendwo dazuzugehören.

Christopher Street Day: Das Fest der Freiheit

Jedes Mal, wenn der Christopher Street Day gefeiert wird, ist das eine riesige politische Party. Für mich ist die wichtigste Botschaft der bunten Gemeinde: Wir sind frei. Endlich frei. Dieser Gedanke berührt mich beim Anblick jedes und jeder einzelnen, der oder die mitmarschiert. Einmal traf ich einen jungen Chilenen, der in grünen glänzenden Shorts, schwindelhohen High-Heels und weißen Flügeln an der Straße tanzte. Er war tausende Kilometer von Chile hierhergeflogen, um zu leben – wie es ihm gefällt. Sein sexy Körper, seine Nacktheit standen in diesem Moment für die Tür zu seinem Leben, die sich in der deutschen Großstadt weit für ihn geöffnet hatte.

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Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser postete auf Twitter: „Hassgewalt“, wie sie Malte erlebte, „müssen wir mit aller Härte entgegentreten“. Das ist das eine, das andere ist, alle Farben des Lebens zuzulassen. Denn das ist schön, besonders regenbogenfarbenbunt.

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