Berlin. Früher war nicht alles besser, aber das Transportunternehmen schon. Darum muss sich die Deutsche Bahn gerade jetzt radikal ändern.

Ich sitze in einem ICE. Strecke: Berlin–Düsseldorf. Gerade als ich versuche, mir auszurechnen, wie sich der unplanmäßige lange Halt in Hannover auf meine Ankunft auswirken wird, kommt die Durchsage. „Wir haben derzeit 74 Minuten Verspätung.“ 74 Minuten! Ich könnte mich jetzt richtig aufregen und den Schaffner, wenn er sich hier noch einmal blicken lassen würde, für seine Arroganz von vorher bepöbeln. Dass passiert natürlich alles nur in meinem Kopf. Und der platzt gleich.

In einem Deutschland von morgen, brauchen wir ein klimafreundliches Verkehrssystem zum Klimaschutz. Weniger Autos, weniger Flugreisen, doch damit das passiert, muss die Deutsche Bahn sich radikal wandeln. Zurück zu einem funktionierenden Großunternehmen, das es früher einmal war. Früher war nicht alles besser, aber die Bahn schon.

Deutsche Bahn: Jeder weiß, mehr als vier Stunden im Zug sind lang

Das heißt, meine Reise verlängert sich um ein Viertel der geplanten Fahrtzeit, in etwa. Eigentlich hätte ich nur viereinhalb Stunden gebraucht. Und jeder weiß: Mehr als vier Stunden im Zug sind lang. Dazu mit zwei Kindern, die schon Eis hatten, alle Brötchen aufgegessen, Wasser und Brause im Gang ausgekippt, Erdnüsse unter dem Sitz verteilt und einen ganzen Film geschaut haben. Nebenbei tragen wir natürlich die ganze Zeit wegen der Corona-Pandemie FFP-2-Masken.

Noch nie ist die Deutsche Bahn so unpünktlich gewesen wie heute.
Noch nie ist die Deutsche Bahn so unpünktlich gewesen wie heute. © dpa | Demy Becker

Das Internet im ICE funktioniert dazu nicht nennenswert gut, mit Mühe lese ich ein Interview mit dem Autor und Bahn-Experten Arno Luik, der erklärt, wie die Deutsche Bahn heruntergekommen ist. In der Ankündigung zu seinem Buch „Schaden in der Oberleitung – das geplante Desaster der Deutschen Bahn“ schreibt er: „Die Malaise liegt im System: Seit der Bahnreform im Jahr 1994, nach der die Bahn an die Börse sollte, handeln die Bahn-Verantwortlichen, als wollten sie die Menschen zum Autofahrer erziehen.“

Er stellt das Missmanagement eindrücklich dar, die Verspätungen, die abgeschnittenen Orte, die Verkleinerung des Schienennetzes und des Güterverkehrs, schürt noch mehr Ärger, als er die zehn Milliarden Euro, die die Bahn jährlich vom Steuerzahler als Subvention erhält, aufzählt – und die Verspätungen eben.

Mein Morgenland – die meistgelesenen Kolumnen:

Ich gehe im Kopf meine letzten Zugfahrten durch: Neujahr fuhr ich mit der ganzen Familie von Köln nach Berlin, schon am Kölner Hauptbahnhof höre ich, dass mein gebuchter Zug gestrichen ist, eigenmächtig suche ich uns eine neue Verbindung, statt um 22.30 Uhr erreichten wir Berlin um 00.30 Uhr.

Im April wollte ich unbedingt für ein paar Stunden die Geburtstagsparty einer Freundin in Hamburg besuchen, musste aber noch am selben Abend zurück. Statt um Mitternacht fuhr mein Zug in Berlin um 3 Uhr morgens ein. Mir geht es nicht um die Erstattung, die ich auch nach dieser Fahrt nicht zugesprochen bekommen habe.

Die Durchsage war so schleierhaft wie eine Geheimdienstnachricht

Mir geht es um die Zeit, um Verlässlichkeit, um meine Lebensplanung. Einsteigen, Dinge tun, ausruhen, ankommen, so war das mal. Darauf war Verlass. Jetzt muss man bei jeder Zugfahrt mit einer stundenlangen Verspätung rechnen, Halt auf freier Strecke, irgendwo in Deutschland. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wann es weitergeht, ist anstrengender als der Durst oder die steifen Beine.

In ihrer Kolumne „Mein Morgenland“ schreibt Diana Zinkler über alles was die Gesellschaft und sie bewegt.
In ihrer Kolumne „Mein Morgenland“ schreibt Diana Zinkler über alles was die Gesellschaft und sie bewegt. © ZRB | ZRB

Statt um 18 Uhr kommen wir jetzt gegen 19.22 Uhr an. Nur 82 Minuten Verspätung. Ich bin schon so mürbe im Kopf, dass ich denke, geht doch noch. Dabei ist die Wahrheit viel ernüchternder. Tatsächlich bin ich schon einen Tag früher losgefahren, habe eine Übernachtung in Düsseldorf eingeplant, weil ich am nächsten Tag um die Mittagszeit einen Flug in Düsseldorf kriegen muss. Und obwohl ich eine Verbindung am selben Tag hätte nehmen können und drei Stunden vor Boarding am Flughafen hätte sein können, misstraute ich der Planmäßigkeit der Deutschen Bahn.

Geheimnisvolle Botschaften des Schaffner

Ich weiß nicht einmal, warum wir eben so lange in Hannover herumstehen mussten. Die Durchsage war so schleierhaft und undurchschaubar, als hätte die CIA eine verschlüsselte Nachricht für ihre Spione hinterlassen. Seitdem hat sich auch kein Schaffner mehr blicken lassen. Als ich aber zu Anfang der Reise nicht gleich meine Bahncard digital vorzeigen konnte, weil die DB-App sie nicht laden konnte, kam der Kontrolleur dreimal vorbei.