New York/Berlin. In den Hamptons wurde ein Rettungsschwimmer von einem Hai attackiert. Und die Angriffe nehmen rund um New York immer weiter zu – Wieso?

Verbände verhindern, dass seine rechte Hand und seine Brust wieder anfangen zu bluten. Bereitwillig zeigt Zachari Gallo, Rettungsschwimmer vor den Toren New Yorks, Reportern die Stellen seines Körpers, wo sich die Zähne eines Hais ins Fleisch gegraben haben. „Ich spürte heftige, heftige Schmerzen“, beschreibt der Familienvater den Moment, als der Raubfisch nach ihm schnappte.

Er habe dann auf das Tier eingeschlagen und ihn drei Mal getroffen. „Bum! Bum! Bum!“ Nach dem dritten Schlag drehte sich der Hai um. „Seine Schwanzflosse traf mich an der Brust.“ Gallo rettete sich verletzt ans Ufer.

Haialarm in den Hamptons, dem Naherholungsgebiet der New Yorker Promis. Unternehmer, Schauspieler und Wall-Street-Manager verbringen auf der an manchen Stellen nur einige Hundert Meter breiten Landzunge im Atlantik bevorzugt ihre Wochenenden, aber die Badelust ist vielen gründlich vergangen. Der Angriff auf Zachari Gallo war schon der zweite in der Gegend innerhalb weniger Tage. Lesen Sie auch: Hai-Angriffe – Das sind die gefährlichsten Haie

Hai vor New York – „Der weiße Hai“ wird Realität

Bereits am vergangenen Donnerstag war ein 37-jähriger Schwimmer gebissen worden. Die Behörden haben vorsorglich Strände gesperrt. Will sich ja keiner vorwerfen lassen, man nehme die Gefahr nicht ernst. So wie in Steven Spielbergs Filmklassiker „Der weiße Hai“ von 1975, der genau zu dieser Jahreszeit unweit von New York spielt. Darin kommt es zu dramatischen Todesfällen, weil der Bürgermeister aus Sorge davor, Touristen zu verschrecken, zu lange zögert.

Ein Schild warnt Strandbesucher vor hungrigen Haien: Innerhalb weniger Tage wurden zwei Menschen gebissen.
Ein Schild warnt Strandbesucher vor hungrigen Haien: Innerhalb weniger Tage wurden zwei Menschen gebissen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Charles Krupa

Die im Film gezeigte Verunsicherung wird Realität. Seit einigen Jahren kommt es an der Nordostküste der USA immer wieder zu Attacken: 2018 wurde ein Surfer auf der Halbinsel Cape Cod im Bundesstaat Massachusetts getötet, 2020 starb eine 63-jährige New Yorkerin, als sie nördlich der Stadt beim Schwimmen attackiert wurde. Es war der erste tödliche Haiangriff im Bundesstaat Maine überhaupt.

Meeresbiologen zufolge nähern sich immer mehr Haie der Küste im Raum New York, weil das Meerwasser dort sauber sei und viele Fische anziehe, die wiederum Haie anlockten.

Schiffsunglück könnte Haie an Ägyptens Küste gelockt haben

Nicht nur an der US-Ostküste, weltweit nehmen Haiangriffe zu. Unweit des ägyptischen Badeorts Hurghada waren am Wochenende eine Österreicherin und eine Rumänin bei zwei Attacken innerhalb weniger Stunden ums Leben gekommen. Dem ägyptischen Umweltministerium zufolge ist für beide Todesfälle offenbar dasselbe Tier verantwortlich.

In diesem Jahr wurden weltweit bislang fast 40 Haibisse dokumentiert, 2021 waren es 73, während für 2020 nur 52 Angriffe verzeichnet wurden, wie aus einem Bericht von US-Forschern hervorgeht. Werden Haie etwa immer gefräßiger?

Rettungsschwimmer nahe New York leben gefährlich.
Rettungsschwimmer nahe New York leben gefährlich. © Moment Editorial / Getty Images | Keith Getter

Nein, der momentane Häufung hat wohl eher mit der Aufhebung vieler Corona-Restriktionen zu tun. „Die Zahl der Haibisse ist 2020 aufgrund der Pandemie drastisch zurückgegangen“, sagt Tyler Bowling, Leiter der vom Naturkundemuseum in Florida geführten Datenbank International Shark Attack File. Der globale Fünfjahresdurchschnitt liegt bei 72 Angriffen pro Jahr.

Für Urlauber ist die Gefahr statistisch an den Stränden Floridas, Australiens und Südafrikas am größten. Haie halten sich bevorzugt in relativ flachen Küstenregionen auf, da Flüsse in diese Gewässer Nährstoffe für Kleinstlebewesen transportieren. Und die bilden wiederum die Grundlage der Nahrungskette. Lesen Sie auch: Tödlicher Haiangriff in Sydney: „Es war schrecklich“

Haie von Wassersportlern angezogen?

Experten vermuten, dass die zunehmenden Attacken auch damit zu tun haben könnten, dass immer mehr Menschen Wassersport betreiben. Hinzu kommen lokale Faktoren. Im Roten Meer ist Mitte Juni ein Frachtschiff mit 16.000 für die Schlachtung bestimmten Schafen gesunken. In Ägypten wird nun spekuliert, dass die vielen im Meer treibenden Kadaver Haie angelockt haben könnten.

Zachari Gallo, der Rettungsschwimmer aus den Hamptons, ist jedenfalls heilfroh, überlebt zu haben. Seine Wunden wurden genäht, er hat das Krankenhaus verlassen. Das Meer wird er eine Zeit lang meiden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.