Berlin. Frühling extrem: Der März 2022 war in Deutschland so trocken wie seit Jahrzehnten nicht. Die dramatischen Folgen des Klimawandels.

Immer zeitiger, immer wärmer, immer trockener: Von einem Naturerwachen, wie wir es kennen, werden wir uns wohl verabschieden müssen. Meteorologen sprechen von beängstigenden Werten. Es war ein Frühlingssonntag wie aus dem Bilderbuch – das Bilderbuch 2022 ist jedoch, sieht man genauer hin, ein Mängelexemplar.

Mancher Hobbygärtner betrachtete bekümmert seinen Rasen: Wo sonst Gänseblümchen die warme Jahreszeit begrüßen, sah es nun aus wie in einer Steppe.

Jana Hoff aus dem Gartenverein Breitehorn in Berlin-Kladow füllt ihre Gießkanne in der Havel. „Dass ich im März bewässern muss, noch bevor die Pumpe wieder angeschlossen ist, das habe ich auch noch nicht erlebt“, sagt sie.

Lange vereinnahmte hierzulande der Winter den März als Nachspielzeit. Vorbei. 2022 nimmt der erste Frühlingsmonat eine absolute Ausnahmestellung ein, teilte der Deutsche Wetterdient (DWD) mit.

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Sonnenreichster März seit 70 Jahren

Es ist der sonnenreichste März seit 70 Jahren – der Rekord von 195,2 Sonnenstunden im Jahr 1953 wurde bereits am Wochenende geknackt. Im Norden, Nordosten, Süden und Südwesten wird es der trockenste März seit 30 Jahren, dort fielen nur ein bis zehn Prozent der relativen Gesamtniederschlagsmenge. In den meisten anderen Landesteilen waren es bis auf Ausnahmen bis 40 Prozent.

Der Boden in den Wäldern ist derzeit viel zu trocken, da es im März zu wenig geregnet hat.
Der Boden in den Wäldern ist derzeit viel zu trocken, da es im März zu wenig geregnet hat. © ZB | Klaus-Dietmar Gabbert

In Bayern droht es der trockenste März seit 1880 zu werden. In Berlin und Umgebung fiel seit dem 25. Februar kein Niederschlag. „Das ist auch für diese trockenste Gegend Deutschlands sehr, sehr ungewöhnlich,“ sagt Andreas Brömser vom DWD. In den letzten Märztagen soll es in den meisten Teilen Deutschlands regnen. Den Rekorden wird das wohl nichts anhaben. Und ausreichen wird es längst nicht.

Die Auswirkungen sind deutlich drastischer als vergilbtes Gras: Bei Dachau (Bayern) standen 2500 Quadratmeter Fichtenwald in Flammen. Im Sauerland fingen zuvor 5000 Quadratmeter Wald Feuer, nachdem ein Kind mit Streichhölzern gespielt hatte. Rund 1000 Quadratmeter Wald brannten in Neustadt an der Weinstraße. Im Osten herrschte Waldbrandgefahr vier von fünf.

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Frühjahre bringen immer weniger Regen

Es sind Meldungen, wie man sie eigentlich aus dem August kennt. Gebetsmühlenartig erklärten Meteorologen jahrelang, dass sich einzelne Wetterphänomene noch nicht dem Klimawandel zuschreiben lassen. Doch die Experten sind längst nicht mehr so vage in ihren Aussagen wie noch vor zwei, drei Jahren.

Ja, die ungewöhnlichen Wettererscheinungen häufen sich. Ja, tendenziell bringen die Frühjahre immer weniger Regen. Und besonders der einst als „launisch“ geltende April werde immer wärmer, trockener und sonniger, bestätigt Brömser.

Bereits Januar und Februar lagen mit mehr als drei und fast vier Grad über dem Mittel. „Das sind extreme und beängstigende Werte“, sagt Meteorologe Oliver Hantke von Wetter.de. Eindeutig verschoben hat sich der phänologische Kalender, der die Jahreszeiten an der Vegetation festmacht.

Den Vorfrühling läutete die Haselblüte statt am 11. Februar schon am 24. Januar ein. Stichtag für die Blüten der Forsythie, „Zeigerpflanze“ für den Erstfrühling, ist der 23. März, das ist bereits elf Tage früher als noch in den 70er-Jahren. Dieses Jahr aber wurden die Blüten ab 2. März gesichtet.

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Waldbrand ist nicht die einzige Gefahr

Das immer frühere Erwachen der Natur verstärke Problem. Wo früh Blätter sprießen, wird früh viel Wasser für das Wachstum benötigt. Von einer Vegetation, wie wir sie in Deutschland kennen, müssen wir uns womöglich verabschieden, Nicht alle Arten werden sich anpassen können.

Fichten haben bei Trockenheit kaum mehr die Kraft, sich mit ausreichender Harzproduktion gegen den Borkenkäfer zu wehren – oder sterben gleich ab.