Berlin. Weihnachten naht und derzeit sinken die Corona-Fallzahlen. Dennoch schlagen Experten Alarm. Omikron könnte sich unbemerkt verbreiten.
Die Weihnachtsfeiertage stehen vor die Tür. Seit Anfang Dezember sinkt die Gesamtzahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren. Doch aufgrund der sich weltweit ausbreitenden Omikron-Variante zeigen sich viele Experten besorgt. In Ländern wie Dänemark oder England ist die Mutation bereits für den Großteil der Infektionen verantwortlich.
In Deutschland liegt ihr Anteil laut des Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) noch bei 0,6 Prozent. Über die Feiertage könnte sich das ändern – ohne, dass wir es bemerken.
Omikron: Sandra Ciezek warnt vor „Blindflug“
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek zeigt sich in dem NDR-Podcast „Coronavirus Update“ vom 21. Dezember 2021 beunruhigt. Über die Weihnachtsfeiertage werde man wahrscheinlich „in einer Art Blindflug geraten“.
Schon im vergangenen Jahr habe man gesehen, dass es länger dauere, bis Testergebnisse feststehen und Infektionen später registriert werden. Ciezek erwartet, dass wahrscheinlich erst zwischen Anfang und Mitte Januar die gemeldeten Zahlen wieder zuverlässiger sein werden. Sie warnt daher vor „einer falschen Sicherheit“.
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RKI-Chef: Corona-Lage über Weihnachten unübersichtlich
Der Präsident des RKI, Lothar Wieler, machte auf der Bundespressekonferenz am Mittwoch ebenfalls auf unvollständige Meldedaten an den Feiertagen aufmerksam: „Viele Menschen sind im Urlaub und in Folge sind auch Arztpraxen und andere Institutionen geschlossen.“
Zusätzlich würden auch weniger Personen zu einem Arzt gehen oder sich am Arbeitsplatz oder in Kindergärten und Schulen testen. Dadurch würden nur wenige erkannte Infektionen an die Gesundheitsämter gemeldet werden, so Wieler.
Hinsichtlich der Omikron-Variante gab der RKI-Präsident zu bedenken, dass die genauen Meldedaten auch immer circa zwei Wochen zurückliegen. Wenn der Anteil der neuen Variante sich innerhalb weniger Tagen verdoppelt, so könnte sie in zwei bis drei Wochen das gesamte Infektionsgeschehen bestimmen.
Corona-Tests: Gemischtes Bild bei Laboren
Der Interessenverband der der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) versammelt ein Teil der medizinischen Labore, die in Deutschland die Corona-Tests auswerten. In der Woche vom 13. Dezember bis 19. Dezember waren sie laut einer Pressemitteilung der ALM bundesweit zu 68 Prozent ausgelastet. In der Woche davor lag die Auslastung noch bei 76 Prozent.
Mit der aktuellen Kapazität könne der „medizinische Bedarf zur Diagnostik“ gut gedeckt werden, heißt es. „Wir haben jedoch gesehen, wie schnell unsere Labore auch wieder an die Belastungsgrenze und darüber hinaus und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter zusätzlichen Druck geraten können“, sagt Evangelos Kotsopoulos aus dem Vorstand der ALM.
Man wolle selbstverständlich die Versorgung auch über Weihnachten aufrechterhalten. Allerdings arbeiteten Labore in Bundesländern mit hohem Infektionsgeschehen bereits jetzt über der Belastungsgrenze.
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Positivrate der Corona-Tests weiterhin hoch
Die sogenannte Positivrate gibt an, wie hoch der Anteil der positiven Tests an der Gesamtzahl ist. In der Vergangenheit wurde ein Positivrate unter zehn Prozent als Maßstab genommen, um einen guten Überblick über das Infektionsgeschehen zu behalten.
Der positive Anteil an Test beträgt in der 50. Kalenderwoche laut ALM 18,6 Prozent. Damit liegt er zwar niedriger als in der Woche zuvor. Die Positivrate ist aber immer noch größer als beim Höhepunkt der zweiten Welle im vergangenen Winter.
Michael Müller von ALM warnt deshalb: „SARS-CoV-2 und somit auch die Pandemie machen keine Weihnachtspause. Die aktuellen Inzidenzen sind kein Zeichen der Entspannung, denn die zunehmende Ausbreitung der Omikron-Variante führt in einigen Regionen wieder zu einer steigenden Neuinfektionsrate.“
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Laborärzte erwarten auch Meldelücke
Andreas Bobrowksi vom Berufsverbandes deutscher Laborärzte (BDL) rechnet auch damit, „dass das Infektionsgeschehen zum Jahreswechsel statistisch nicht optimal abgebildet wird“. Das liege daran, dass Testangebote und Testnachfrage in dieser Zeit zurückgehen würden und weniger Personen in der Nachverfolgung arbeiten.
Dieses Jahr sei man aber auch durch die Erfahrungen aus dem Jahreswechsel 2020/21 besser vorbereitet, erklärt Bobrowski. Die meisten medizinischen Labore würden „auch in den kommenden Tagen im 24/7-Betrieb arbeiten“, da „an eine Weihnachtspause nicht zu denken ist“.
Er rechnet damit, dass die Zahlen spätestens am 10. Januar wieder zuverlässiger sein werden. Wie sich die Omikron-Variante auf die Erfassung auswirkt, sei aber noch unklar, sagt Bobrowksi.
Corona: Kritik an unklarer Datenlage
Gesundheitsexperten kritisieren die Ungewissheit. „Es ist mir vollkommen unverständlich, warum wir nach wie vor an jedem Wochenende eine unklare Datenlage haben, wie auch an Feiertagen“, sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, der „Welt“. „Wir sind nicht auf der Höhe der Zeit. Die Daten, die wir in den nächsten Wochen bekommen werden, dürften unterschiedlichsten Interpretationen Tür und Tor öffnen. Darunter sicher viele falsche.“
Der Leiter des Berliner Gesundheitsforschungsinstitut IGES, Bertram Häussler, sagte der Zeitung am Tag vor Heiligabend: „Heute bekommen wir die letzten validen Daten, bevor das Land für drei Wochen in der Unwissenheit versinkt“. Häussler kritisiert, dass fast zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie weiterhin eine „ähnlich nebulöse Meldelage“ herrsche; an Wochenenden sei dies regelmäßig der Fall. Nur werde der Blindflug zum Jahresende nicht zwei bis drei Tage anhalten, sondern mehrere Wochen. Lesen Sie auch: Umfrage - Mehrheit der Bundesbürger für neuen Lockdown
Genauigkeit der Erfassung hängt von Region ab
Wie genau Gesundheitsämter über die Feiertage Infektionen melden können, ist regional unterschiedlich. Die Stadt Köln hat das größte deutsche Gesundheitsamt. Dort wird keine Unterfassung über die Feiertage erwartet, wie das Amt auf Anfrage mitteilt.
Man arbeite momentan wieder tagesaktuell, nachdem man den Rückstand in den letzten Wochen aufgeholt habe, heißt es. Auch während der Feiertage würden alle Kontakte nachverfolgt werden. Es sei aber gut möglich, dass „es eine Dunkelziffer von nicht symptomatisch Erkrankten gibt, die sich nicht testen lassen und demzufolge auch nicht gemeldet und erfasst werden“.