Berlin. Barack Obama und Bruce Springsteen verbindet eine lange Freundschaft. Ihre Gespräche gab es erst als Podcast - und jetzt auch als Buch.

US-Wahlkampf 2008. Barack Obama steht bei einer Veranstaltung auf der Bühne, die Hand zum Gruß in die Menge nach oben gestreckt. Links von ihm im Bild Rapper Jay-Z, rechts Sänger Bruce Springsteen, dem Obama kameradschaftlich die Hand auf den Rücken legt.

Es ist der Beginn einer intensiven Freundschaft der beiden Männer und vieler Gespräche – die sie im vergangenen Jahr in einem Podcast weitergeführt haben. Unter dem Titel „Renegades: Born in the USA“ („Abtrünnige: Geboren in den USA“) veröffentlichten sie in insgesamt acht Folgen auf der Streaming-Plattform Spotify – und nun auch in gedruckter Version als Buch.

Obama und Springsteen: Zwei Außenseiter

Abtrünnige zu sein, Außenseiter, dieses Gefühl ist etwas, das Springsteen und Obama schon lange verbindet. Beide kommen aus den unterschiedlichsten Teilen Amerikas und aus sehr unterschiedlichen Familien. Obama wächst zunächst auf Hawaii auf, seine Mutter ist gerade einmal 18 Jahre alt, als er geboren wird, noch Collegestudentin.

Sein Vater studiert zu der Zeit an der Universität in Honolulu, verlässt die Familie allerdings früh, um zum Stipendium nach Harvard zu gehen. „Ich fühlte mich als Außenseiter. Es war offensichtlich, dass ich nicht wie die anderen war“, erzählt der Mann, der acht Jahre lang Präsident der Vereinigten Staaten war, offen und eindrucksvoll in den in Dialogform abgedruckten Gesprächen.

Der Beginn einer langen Freundschaft

Springsteen verbringt seine Kindheit in der amerikanischen Provinzstadt Freehold im Bundesstaat New Jersey. Seine Familie sei anders gewesen als andere, sagt er zu Obama, seine Mutter war die Hauptverdienerin der Familie, sein Vater hingegen, an Schizophrenie erkrankt, konnte nur wenig arbeiten. Das Außenseiter-Dasein suche man sich nicht aus, erklärt der 20-fache Grammy-Gewinner: „Ich glaube, das steckt in dir drin. Ich hatte eine sehr, sehr sonderbare Kindheit und Jugend.“

Doch Obama und Springsteen verbindet nicht nur das Gefühl, nicht so richtig dazuzugehören, es ist auch ihre politische Einstellung. Als Obama 2008 im Wahlkampf durch das ganze Land tourt, bekommt er Unterstützung von zahlreichen bekannten Musikern und Bands, darunter unter anderem Stevie Wonder, John Legend, Jay-Z – und eben Bruce Springsteen.

US-Präsident Barack Obama (r) verleiht dem Musiker Bruce Springsteen die Freiheitsmedaille.
US-Präsident Barack Obama (r) verleiht dem Musiker Bruce Springsteen die Freiheitsmedaille. © Shawn Thew/epa/dpa

„Ich habe mich in deiner Nähe gleich wohlgefühlt“

Auch von ihrer ersten Begegnung bei besagter Kundgebung erzählen die beiden in ihren Gesprächen. Er habe sich gedacht, erinnert sich Obama, Springsteen sei „sehr zurückhaltend, vielleicht sogar etwas schüchtern“, aber das habe er sehr gemocht. Die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit, sagt auch Springsteen: „Ich empfand eine enorme innere Gemeinsamkeit mit deiner Vision für das Land.“

So kam schließlich eines zum anderen und die beiden Männer – einer der erfolgreichsten Musiker und einer der wichtigsten Politiker der USA – wurden Freunde. „Wir begannen einander einfach zu vertrauen und regelmäßig solche Gespräche zu führen,“ erzählt Obama. Und Springsteen ergänzt: „Ich habe mich in deiner Nähe gleich wohlgefühlt“. Der eine der Präsident, der andere der „Boss“ - so sagte es Obama 2009 bei einer Ehrung des Musikers („I’m the President, but he’s The Boss“) in Anspielung auf den Spitznamen des Sängers.

"Bruce ist ein großartiger Geschichtenerzähler"

Es waren diese Gespräche über Amerika, die Politik, die Spaltung im Land und das Leben, die im Jahr 2020 dazu führten, dass Obama Springsteen fragte, ob er nicht einen Podcast mit ihm mache wolle. Er habe nicht gewusst, wie die Gespräche verlaufen würden, so schreibt Obama im Vorwort, nur, dass „Bruce ein großartiger Geschichtenerzähler ist“ und, dass beiden „viel im Kopf herumging“.

Also setzen sie sich in Springsteens Farmhaus in New Jersey an einen Tisch, der Präsident und der „Boss“, umgeben von zig Gitarren, stellten zwei Mikrofone auf und erzählten. Es geht um ihre Freundschaft, ihre Familien, um Musik, um Rollenbildern, um Politik und Geschichte. Obama ist 60 Jahre alt, Springsteen 72, sie sind nicht eine Generation und haben doch oftmals die gleichen Vorstellungen.

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Obama und Springsteen als Familienmenschen

Die Vertrautheit zwischen beiden ist auch für Zuhörende und Lesende deutlich spürbar. Nicht nur aufgrund des lockeren Tonfalls, in dem sie miteinander sprechen und in dem Springsteen gleich zu Beginn fragt: „Wie spreche ich dich an?“ Obama erwidert: „Als Barack, Mann. Komm schon, Junge.“

Die Gespräche bieten tiefe Einblicke in die Privatleben des ehemals mächtigsten Mannes der Welt und des Ausnahme-Musikers. Neben ihren Ansichten verbindet beide auch ihre Familien-Bezogenheit. Springsteen hat mit seiner Frau Patti Scialfa drei gemeinsame Kinder, Michelle und Barack Obama zwei.

„Ich habe Michelle eine riesige Bürde auferlegt“

Doch es war nicht immer leicht – auch darüber sprechen die beiden in der Scheune in New Jersey. Springsteen erzählt von den Bindungsängste, die ihn begleiteten, bevor er seine heutige Frau Patti kennenlernte und plötzlich eine Partnerin hatte, „auf die sich mich stützen und der gegenüber ich diese Ängste zum Ausdruck bringen konnte“.

Und Obama erinnert sich, wie schwer es für ihn war, phasenweise so wenig Zeit für seine Familie gehabt zu haben. „Ich habe Michelle eine riesige Bürde auferlegt“, sagt er retrospektiv. Nur durch ihre „heldenhafte Fähigkeit, zu Hause alles zu regeln, und das unglaubliche Geschenk, dass meine Töchter ihren Daddy trotzdem liebten“, habe die Familie diese Zeiten überstanden.

Die Familie war Obamas Rettungsring

Sie sprechen auch darüber, wie sie ihre Vaterschaft verändert hat. „Ich wurde ein ziemlich guter Frühstückskoch“, erzählt Springsteen. Er habe irgendwann verstanden, dass er im Leben seiner Kinder anwesend sein musste, auch wenn es hieß, dafür früh aufzustehen.

In der Familie Obama hingegen war das Abendessen der einzige gemeinsame Termin am Tag. Im Weißen Haus habe er die Regel aufgestellt, dass er jeden Abend um halb sieben mit seiner Familie zu Abend esse, sagt Obama. „Und das war tatsächlich mein Rettungsring in einem Beruf, bei dem ich es täglich mit Verwüstung zu tun habe, mit Chaos, Krisen, Tod, Zerstörung, Naturkatastrophen …“

Wie kann Amerika wieder vereint werden?

Ein anderes Thema, das die beiden immer wieder beschäftigt: das amerikanische Ideal. „Amerika ist nach wie vor stärker polarisiert als zu jedem anderen Zeitpunkt, an den wir uns erinnern können“, schreibt Obama im Vorwort. Auch darauf kommen sie immer wieder zurück – auf die Unruhen, die Spaltung im Land, Rassismus. Und auf die Hoffnung, die sie in die USA setzen, es gäbe kein anderes Land, schreibt Springsteen, „das die Mischung hätte zusammenbringen können, aus der ein Barack Obama und ein Bruce Springsteen entstanden sind“.

Es schwingt eine ordentliche Ladung Patriotismus mit, wenn die beiden über das Amerika sprechen, in dem sie geboren sind („Born in the USA“ ist nicht nur der Titel von einem der bekanntesten Songs von Springsteen, sondern auch der Untertitel des Buches), aber auch Kritik. Der Tod von George Floyd, die Trump-Ära, der Sturm des Kapitols – die Frage, die über allem schwebt, ist: Wie kann das gespaltene Land wieder vereint werden?

"Deine Kinder zwingen dich, optimistisch zu sein"

Hoffnung geben Obama die nachfolgenden Generationen: „Unsere Kids, ihre Altersgenossen überall im Land, sie glauben daran, und es ist fast ihre zweite Natur, dass alle Menschen gleich sind.“ Und Springsteen fügt hinzu: „Es klingt abgedroschen, aber deine Kinder zwingen dich, optimistisch zu sein, weißt du. Es ist ihre Welt, die man ihnen jetzt übergibt.“

Das Buch enthält neben der Dialoge thematisch passende Songtexte von Springsteen, Original-Skripte der Reden von Obama mit handschriftlichen Notizen und zahlreiche Fotos aus ihren privaten Archiven. „Renegades“ liest sich angenehm leicht. Und am Ende fühlt man sich fast, als wäre man dabei gewesen, bei den Gesprächen in der Scheune in New Jersey.