Berlin. Die neue Variante des Coronavirus AY4.2 breitet sich in Großbritannien aus. Sie ist ein Mutation der hochansteckenden Delta-Variante.

  • Eine neue Mutation der Delta-Variante breitet sich in Großbritannien aus
  • Auch in Deutschland wurde sie bereits nachgewiesen
  • Ist sie mitverantwortlich für den Anstieg der Corona-Infektionszahlen im Vereinigten Königreich?

So richtig einig sind sich Forscherinnen und Forscher nicht: Wie gefährlich ist die neue Mutante der Delta-Variante des Coronavirus, die seit Juli in Großbritannien beobachtet wird? Und ist sie womöglich mitverantwortlich für den raschen Anstieg der Infektionszahlen auf der britischen Insel?

„Eine neu als AY4.2 bezeichnete Sublinie der Delta-Variante ist in England auf dem Vormarsch“, heißt es im aktuellen Virusvariantenbericht der britischen Behörden. In der letzten Septemberwoche habe AY4.2 etwa sechs Prozent der Neuinfektionen ausgemacht, Tendenz steigend. Auch in Deutschland wurde der Subtyp bereits nachgewiesen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Donnerstag bekanntgab.

Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtete auf Anfrage, dass die Subvariante von Delta seit der Woche vom 5. bis 11. Juli circa 280 Mal in Deutschland nachgewiesen worden sei. Es wird jedoch nur ein kleiner Teil der Corona-Proben auf Virenvarianten geprüft. Der Anteil von AY.4.2 an allen Gesamtgenomsequenzen habe seit jener Woche in der Stichprobe des RKI zwischen 0 und 0,5 Prozent gelegen. Die Verbreitung ist damit noch sehr gering.

Francois Balloux, Biologe und Direktor des Genetics Institute des University College in London, äußerte in einem Gespräch mit dem Sender BBC die Vermutung, die neue Mutante könnte zehn bis 15 Prozent ansteckender sein als die herkömmliche Delta-Variante. Das reiche nicht aus, um für die aktuelle Infektionswelle der Grund zu sein.

Delta-Variante hatte Ursprung auch in Großbritannien

Zum Vergleich: Die Delta-Variante ist ungefähr 50 bis 60 Prozent infektiöser als die Alpha-Variante, die ebenfalls in Großbritannien ihren Ursprung hatte, und im Sommer in kürzester Zeit von Delta als vorherrschender Variante abgelöst wurde. „In diesem Stadium würde ich dazu raten abzuwarten. Keine Panik“, sagte Balloux.

Eigentlich herrscht zumindest in U-Bahnen in London Maskenpflicht. Doch seit dem von der Regierung verkündeten
Eigentlich herrscht zumindest in U-Bahnen in London Maskenpflicht. Doch seit dem von der Regierung verkündeten "Freedom Day" verzichten viele Britinnen und Briten auf Schutzmaßnahmen. © dpa

Auch Andrew Rambaut, Professor für molekulare Evolution in Edinburgh (Schottland), glaubt nicht an einen besonderen Fitnessvorteil von AY4.2 Das teilte er via Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der Subtyp sei erst vor einigen Monaten aufgetaucht und verbreite sich, anders als vorherrschende Delta-Typ, in den Regionen „sehr unterschiedlich“.

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WHO hat AY4.2 im Blick

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat laut eigener Aussage eine neue Mutante der Corona-Variante Delta im Blick. AY4.2 weise zwei zusätzliche Mutationen im Spike-Protein auf, teilte die WHO am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Sars-CoV-2 nutzt dieses Protein, um an die Zellen anzudocken und die Aufnahme des Virus in die Zelle zu vermitteln.

Ähnliche Mutationen kämen bereits in der Alphavariante und in einigen Deltastämmen vor, sagte Ravi Gupta, Professor für klinische Mikrobiologie an der Cambridge University der Zeitung „Guardian“. Die Effekte für die Infektiösität oder eine mögliche Immunflucht seien eher klein, so der Wissenschaftler.

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Auch die britischen Gesundheitsbehörden kündigten unterdessen an, die Verbreitung von AY4.2 „genauestens“ verfolgen zu wollen. Bisher ist die Variante nicht offiziell von der Gesundheitsbehörde als „Variante unter Beobachtung“ oder „besorgniserregende Variante“ eingestuft worden. Neben den britischen Fällen sollen der Nachrichtenagentur PA zufolge einige Fälle der Variante auch in den USA, in Russland und in Dänemark bekannt sein. (kai/dpa)