Berlin/Montgomery. 43 Intensivstationen und kein freies Bett: Ein 73-Jähriger US-Amerikaner ist an den Folgen der “Pandemie der Ungeimpften“ gestorben.

"Ray war ein großartiger Mensch." Keiner sei so gewesen, wie er, sagt seine Familie. Der US-Amerikaner starb am 1. September an einem Herzinfarkt, weil nicht schnell genug ein freies Intensivbett für ihn aufgetrieben werden konnte.

Wenige Tage zuvor, kurz vor seinem 74. Geburtstag, kam der Antiquitätenhändler Ray DeMonia in die Notaufnahme des Krankenhauses von Cullman, im Norden des Bundesstaates Alabama. Fieberhaft telefonierte das Personal 43 Intensivstationen in drei Staaten im Süden der USA ab, in der Hoffnung, ein Bett für den Patienten zu finden. Doch die Stationen waren voll, belegt mit schweren Covid-19-Fällen.

Schließlich fanden die Pfleger des 73-Jährigen eine Station, im 320 Kilometer entfernten Meridian, im Bundesstaat Mississippi. Weit entfernt der Heimat erlag der 73-Jährige seinem Herzleiden. "Wir hätten nie gedacht, dass uns das einmal passiert", sagte seine Tochter der "Washington Post".

Im Süden grassiert die "Pandemie der Ungeimpften"

Zwar starb Ray DeMonia nicht am Coronavirus – er ist dennoch ein Opfer der "Pandemie der Ungeimpften", die sich im Süden der USA breit gemacht hat. Von Texas bis North Carolina erkranken Menschen schwer an Covid-19, weil sie sich nicht impfen lassen, füllen die Intensivstationen und belegen dort Betten, die dringend für weniger vermeidbare Fälle gebraucht werden.

Alabama etwa, dessen republikanische Gouverneurin Kay Ivey noch im Mai ein Gesetz unterzeichnet hatte, dass es privaten Geschäften wie öffentlichen Einrichtungen gleichermaßen verbietet, einen Impfnachweis zu verlangen, hat eine der niedrigsten Impfquoten der USA. Gerade einmal 40 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft, landesweit beträgt die Quote im Schnitt 54,4 Prozent.

Alabamas Gouverneurin kämpft gegen Impfpflicht

Von einer Impfpflicht aber will die Gouverneurin Ivey nichts wissen. Sie kämpft mit ihren republikanischen Kollegen gegen die Anordnung von US-Präsident Joe Biden, die sämtlichen Angestellten der Bundesregierung und im Gesundheitswesen eine Covid-19-Impfung auferlegt und Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten zu wöchentlichen Corona-Tests bei der Belegschaft verpflichtet. Lesen Sie dazu: Kommt im Herbst der Corona-Lockdown für Ungeimpfte?

"Empörend und ausufernd" nennt Ivey die Anordnung Bidens, die rund 100 Millionen Menschen in den USA betreffen soll. Die Gouverneurin setzt weiterhin auf freiwilliges Impfen, deklariert ihren Kampf gegen Mandate aus Washington als "Kampf für unsere hart arbeitenden Männer und Frauen und unserer Freiheitsrechte". Die Sieben-Tage-Inzidenz in ihrem Bundesstaat liegt derweil bei 541,1 Fällen pro 100.000 Einwohnenden – und ist damit fast doppelt so hoch wie der US-Gesamtwert.

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Impfaufrufe verhallen überwiegend ungehört

Die Aufrufe Iveys zum Ärmel hochkrempeln scheinen vor allem bei der überwiegend weißen Bevölkerung Alabamas ungehört zu verhallen. Laut Daten der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates sind knapp 37,6 Prozent der 1,3 Millionen Weißen im Bundesstaat geimpft, während die 46.000 asiatischen und 552.000 schwarzen Menschen zu 57,4 beziehungsweise 38,4 Prozent eine Covid-19-Impfung in Anspruch nehmen.

So bleibt auch der Familie von Ray DeMonia nicht viel mehr, als an ihre Mitmenschen zu appellieren, sich doch endlich impfen zu lassen. "Zu Ehren Rays, bitte lasst euch impfen, falls das noch nicht geschehen ist", schreibt die Familie in einer Online-Traueranzeige. So würden Betten frei für Notfälle, die nicht mit dem Coronavirus zusammenhängen. (pcl)