Berlin. Die einstige Impfstoff-Hoffnung Curevac sollte im Juni auf den Markt kommen. Doch die Studie läuft schleppend – aus paradoxen Gründen.

  • Der Curevac-Impfstoff wartet weiter auf die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA
  • Aus der laufenden Phase-3-Studie fehlen noch Daten zur Wirksamkeit des CVnCoV-Vakzins
  • Mit einem Update aus der Studie rechnet der Hersteller im Juni
  • Einblick in die Untersuchung hat Curevac selbst nicht
  • Derzeit wird bei den Infektionen unter den Studienteilnehmenden die Virusvariante bestimmt, die zu einer Covid-19-Erkrankung geführt hat
  • Das verspricht Daten zur Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffs gegen die verschiedenen Mutationen

Der Impfstoff der Tübinger Firma Curevac galt einmal als große Hoffnung im Kampf gegen die Corona-Pandemie. 225 Millionen Dosen des mRna-Vakzins hat die EU bestellt, im Juni war die Zulassung angepeilt.

Doch die Impfkampagnen der Mitgliedstaaten werden wohl noch eine Zeit lang ohne den Impfstoff mit dem Namen CVnCoV auskommen müssen. In den internen Lieferprognosen der Bundesregierung etwa taucht das Vakzin derzeit nicht mehr auf. Eigentlich hätten bis Ende Juni 1,4 Millionen Dosen an Deutschland geliefert werden sollen, bis Ende September 9,4 Millionen und im letzten Quartal 28,9 Millionen.

Am Dienstagabend bestätigte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) einen "Business Insider"-Bericht, nachdem "nicht vor August" mit einer Zulassung zu rechnen ist. Der Grünen-Politiker erklärte, dass es bei der von Curevac durchgeführten klinischen Studie zu dem Vakzin "Komplikationen" gebe.

Curevac-Zulassung: Keine Auswirkungen auf Lieferzusagen erwartet

Eine Curevac-Sprecherin sagte unserer Redaktion dazu: "Wir erwarten derzeit weitere Zwischenergebnisse zur Wirksamkeit unseres Impfstoffkandidaten CVnCoV im Laufe des Junis." Sobald diese Daten vorlägen, werde Curevac sie bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA einreichen. Das rollierende Zulassungsverfahren läuft dort bereits seit dem 12. Februar.

Wann mit einer Zulassung des Vakzins zu rechnen ist, konnte Curevac nicht sagen. Die EMA habe bereits umfangreiche Daten zu CVnCoV erhalten. "Leider können wir keine Aussagen zu dem Zulassungsprozess innerhalb der EMA machen", so die Sprecherin. Auch habe das Unternehmen gemäß rechtlicher Vorgaben keinen Zugang auf die Daten aus der Studie, sondern werde vom Data Safety Monitoring Board (DSMB), einer unabhängigen Expertengruppe zur Überwachung klinischer Studien, lediglich darüber informiert, dass die Studie und die Auswertung weiterer Fälle fortgesetzt würden.

Zumindest ein wenig Zuversicht scheint bei dem Tübinger Hersteller aber erhalten geblieben. Auswirkungen auf vorliegende Bestellungen werde der Zulassungsprozess nicht haben. "Unsere Priorität liegt nach wie vor darin, unseren Vertrag mit der Europäischen Union zur Bereitstellung von 225 Millionen Impfstoff-Dosen zu erfüllen, die sich auf 2021 und 2022 aufteilen."

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    Die von Landesgesundheitsminister Lucha angesprochenen "Komplikationen" bei der entscheidenden Phase-3-Studie, die über eine Freigabe von CVnCoV entscheidet, ergeben sich – ausgerechnet – auch aus den voranschreitenden Impfkampagnen und dem Pandemieverlauf. Immer mehr Menschen werden gegen das Coronavirus immun – sei es durch Impfung oder weil sie eine Infektion ausgeheilt haben und deswegen Antikörper gegen den Erreger ausgebildet haben.

    Das führt dazu, dass unter den rund 36.500 Teilnehmenden der in Europa und Lateinamerika durchgeführten Studie bislang lediglich 59 bestätigte Corona-Fälle aufgetreten sind. Mit diesen Fällen konnte laut Curevac eine erste Zwischenanalyse durchgeführt werden. Eine zweite sei bei mindestens 111 Fällen vorgesehen, dazu erwarte der Hersteller ein Update im Lauf des Junis, die dann der Öffentlichkeit wie der EMA vorgestellt würden.

    "Gemäß Studienprotokoll ist eine finale Wirksamkeitsanalyse der Phase-3-Studie bei 160 PCR-bestätigten COVID-19-Fällen vorgesehen", sagte die Curevac-Sprecherin unserer Redaktion. In anderen Worten: Der Studie fehlen derzeit die Covid-Fälle.

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      Wissenschaftsjournalist Volker Wildermuth erklärte im "Deutschlandfunk" am Montag noch weitere Probleme, die die Studie derzeit plagen. Einerseits: Es müsse geklärt werden, ob die Gruppe der Geimpften unter den Studienteilnehmenden deutlich weniger von Covid-19 betroffen gewesen sei, als die der Placebogruppe. "Da müssen noch viele Daten zusammenkommen", so Wildermuth.

      Andererseits sei es gerade wegen der laufenden Impfkampagnen in Europa und Lateinamerika für viele Menschen nicht mehr so attraktiv, an einer Studie teilzunehmen. Die Inzidenzen sinken und die Teilnahme garantiert nicht, dass ein wirksamer Impfstoff verabreicht wird. Die Wirksamkeit wird in der Studie ja erst geprüft, zudem besteht die realistische Chance, dass ein Placebo verabreicht wird.

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      Auch wenn der Impfstoff in den Impfkampagnen fehlt, allein in Deutschen Arztpraxen sind es laut Bundesgesundheitsministerium in der nächsten Woche rund 400.000 Dosen weniger als erwartet, es gibt ein paar Hoffnungsschimmer: "Da sich die Covid-19-Fälle in beiden Studienregionen kontinuierlich ansammeln, rechnet Curevac aktuell noch im Juni mit einem Update zur Wirksamkeitsanalyse", sagte die Sprecherin unserer Redaktion.

      Und zumindest scheint es keine Hinweise zu geben, dass der Impfstoff CVnCoV gefährlichen Nebenwirkungen auslöst – sonst hätte das DSMB die Phase-3-Studie nicht weiterlaufen lassen.

      Außerdem hat die lange Laufzeit der Studie auch einen Vorteil. Weil sich seit Beginn der Studie im Februar immer mehr Virusvarianten auf dem Globus verbreitet haben, könnte die Untersuchung bereits Hinweise auf die Wirksamkeit gegen die bisher bekannten Mutationen liefern.

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      Das Viren-Genom der Covid-19-Fälle innerhalb der Studie werde aktuell aufgeschlüsselt, um Erkenntnisse zur Ergänzung der erwarteten Wirksamkeitsdaten zu liefern, so die Curevac-Sprecherin. Für jede Infektion wird so die genaue Virusvariante bestimmt, ein umfassendes Bild der klinischen Wirksamkeit des Vakzins in der derzeitigen Situation zu bekommen. Der Hersteller sei überzeugt, dass "unser COVID-19-Impfstoffkandidat der ersten Generation, CVnCoV, einen wichtigen Beitrag zu den existierenden Pandemie-Impfprogrammen leisten wird".