Bad Oeynhausen. In Bad Oeynhausen wurden Bewohner eines Behindertenheims offenbar ohne Rechtsgrundlage fixiert. Wurde auch noch Reizgas eingesetzt?

Der Skandal um mutmaßliche Freiheitsberaubungen in einer Behinderteneinrichtung im nordhrein-westfälischen Bad Oeynhausen weitet sich aus: Rund anderthalb Jahre nach Bekanntwerden des Falls wird gegen 145 Beschuldigte wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung ermittelt, wie die Staatsanwaltschaft Bielefeld am Montag mitteilte.

Darunter sind der ehemalige Leiter eines Geschäftsbereiches, Ärzte und verantwortliche Betreuer sowie Angehörige des Pflegepersonals der Diakonischen Stiftung Wittekindshof (DSW), wie es weiter seitens der Polizei des Kreises Minden-Lübbecke und die Staatsanwaltschaft Bielefeld hieß.

Diese hohe Zahl ergebe sich, weil Teile des Pflegepersonals an einzelnen freiheitsentziehenden Maßnahmen beteiligt gewesen sein sollen, ohne diese jedoch angeordnet zu haben.

Freiheitsberaubung in Behinderteneinrichtung - Skandal weitet sich aus

Die Vorwürfe lauten auch auf Körperverletzung. Bei den freiheitsentziehenden Maßnahmen waren Bewohner eingeschlossen oder auf Stühlen oder Matten fixiert worden, ohne dass ein Richter dies angeordnet hatte. In 21 Fällen sei Reizgas eingesetzt worden. Ob der Einsatz wegen einer Notwehr-Situation gerechtfertigt war, werde noch überprüft, hieß es in der Mitteilung.

Seit Oktober 2019 wird gegen den ehemaligen Leiter ermittelt. 32 Geschädigte sind durch die Ermittler identifiziert worden. Am Samstag hatte das NRW-Gesundheitsministerium bestätigt, dass zur Aufklärung der Vorwürfe eine eigene Projektgruppe eingerichtet worden sei.

Das Gesundheitsministerium wurde nach eigenen Angaben im Juli 2020 informiert, dass die Ermittlungen auf weitere Mitarbeiter ausgedehnt worden seien. Daraufhin seien alle Bezirksregierungen angewiesen worden, „sämtliche Einrichtungen der Diakonischen Stiftung Wittekindshof (DSW) zu prüfen“.

Ermittlungen kamen nach einer Anzeige ins Rollen

Die Stiftung hatte bereits im Juli angekündigt, den betroffenen Geschäftsbereich 4 aufzulösen. Die Stiftung unterstütze die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorbehaltlos, hieß es im Sommer 2020 in einer Mitteilung.

„Sollten sich die geäußerten Verdachtsmomente im Rahmen der Ermittlungen der zuständigen Behörden in Teilen oder ganz bestätigen, werden wir uns dem als Stiftung vorbehaltlos stellen und daraus die nötigen Konsequenzen ziehen“, hatte Stiftungsvorstand Dierk Starnitzke gesagt.

Nach Angaben der Polizei waren die Ermittlungen 2019 nach der Anzeige eines Angehörigen ins Rollen gekommen. (dpa/afp/les)