Berlin. Seit Wochen verhaken sich Bund und Länder in einem vertrackten Ringen um die Straßenverkehrsordnung. Kommt das Reizthema in dieser Woche vom Tisch? Der Minister lenkt den Blick auf “eine politische Farbe“.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dringt auf eine Lösung im Streit um schärfere Sanktionen für Raser und fordert dafür Bewegung der Grünen in den Ländern.

"Der Kompromiss liegt auf dem Tisch. Er wurde im Verkehrs- und Innenausschuss des Bundesrates angenommen", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Jetzt blockiert nur noch eine politische Farbe. Ich habe weder Verständnis für die Blockade, noch für die Auslösung dieses Chaos." Baden-Württembergs Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) wies Vorwürfe zurück und wandte sich gegen Abstriche bei der Verkehrssicherheit.

Nach wochenlangem Gezerre soll sich der Bundesrat an diesem Freitag erneut mit Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) befassen. Es geht darum, dass seit Ende April Führerscheinentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde (km/h) zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h zu schnell - dies hatte der Bundesrat in eine umfassende StVO-Novelle hineingebracht. Vorher waren die Schwellen höher. Die Regelung wurde wegen eines entdeckten Formfehlers aber außer Vollzug gesetzt. Strittig ist nun, ob nur der Fehler behoben werden soll - das wollen die Grünen. Oder ob auch die schärferen Sanktionen abgemildert werden - dafür setzt sich Scheuer ein.

Der Minister sagte, auch er sei "runter von einer Maximalforderung". Wenn die Grünen nur den Formfehler korrigieren wollten, sei das kein Kompromiss. "Jetzt müssen sich die Grünen bewegen, alle anderen haben sich schon bewegt." Verkehrs- und Innenausschuss der Länderkammer empfehlen nach einem Vorschlag von Union und SPD, dass Fahrverbote bei den genannten Tempoverstößen unter anderem nur vor Schulen und Kitas sowie im Wiederholungsfall binnen eines Jahres drohen sollen. Der Umweltausschuss empfiehlt, nur den Formfehler zu beheben.

Scheuer warnte, die Taktik der Grünen sei, am Freitag im Bundesrat eine Lösung zu verhindern. "Aber ich gebe die Hoffnung nie auf. Wir brauchen eine Lösung zum Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Fahrradfahrer", sagte er mit Blick auf den eigentlichen Kern der jetzt ausgesetzten StVO-Novelle. "Ich appelliere noch mal an die Kompromissfähigkeit und Verantwortung."

Landesminister Hermann sagte am Montag der dpa: "Wir wollen keine Abstriche bei der Verkehrssicherheit machen. Das ist der Grund, dass wir nicht auf den Vorschlag von Bundesminister Scheuer eingegangen sind." Das liege nicht an fehlender Kompromissbereitschaft der grünen Seite. "Minister Scheuer selbst hat sich ja vom großen Konsens im Bundesrat verabschiedet, an dem aber die grüne Seite festhält. Rabatte für riskante Schnellfahrer lehnen wir ab." Man sei aber offen für neue Vorschläge, die den Fuß- und Radverkehr sicherer machten.

Der FDP-Verkehrsexperte im Bundestag, Oliver Luksic, warf den Grünen vor, eine Neufassung der Straßenverkehrsordnung zu verzögern. "Statt auf Verhältnismäßigkeit zu setzen, halten sie an ihren dogmatischen Anti-Auto-Reflexen fest." Das Beharren auf Maximalforderungen riskiere die gesamte Reform.

Scheuer äußerte sich auch zur bisher unbeantworteten Frage, wie es zum Formfehler in der Verordnung kam, in der Gesetzesgrundlagen nicht vollständig zitiert wurden. "Wir waren federführend. Wir haben den Fehler gemacht. Ich entschuldige mich nochmals dafür." Der Minister betonte zugleich: "Mehrere Ressorts der Bundesregierung und die 16 Bundesländer haben die Novelle auch angesehen. Aber keiner hat den Fehler bemerkt."

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