Berlin. Wenn ein Kind Symptome hat, die bei Covid-19 auftreten, darf es nicht in die Kita. Dazu gehört auch Schnupfen. Was sollten Eltern tun?

  • Kitas haben in der Corona-Pandemie wieder geöffnet, doch Eltern sind verunsichert: Mit welchen Erkältungssymptomen sollten Kinder besser zuhause bleiben?
  • Laut RKI gehört Schnupfen zu den Symptomen von Covid-19 – deshalb sind Kinderärzte alarmiert
  • Der Grund: Gerade Kinder unter drei Jahren haben im Winter fast durchgängig Schnupfnasen
  • Wann sollten sich Eltern um einen Corona-Test oder ein Attest kümmern?

Die Nase läuft, doch das Kind ist quietschfidel – und bis auf den leichten Schnupfen gesund. Vor der Coronavirus-Pandemie war das für die meisten Eltern kein Grund die Kinder nicht in die Kita zu schicken. Jetzt schon.

Zum Herbst und dem Beginn der Grippesaison fragen sich nun viele Eltern: Mit welchen Symptomen müssen Kinder zu Hause bleiben? Denn seit die Kitas in der Pandemie wieder geöffnet haben, gilt in den meisten Einrichtungen: Kinder, die erkältet sind, dürfen nicht kommen.

Erzieher und Erzieherinnen wollen nicht für einen neuen Corona-Hotspot verantwortlich sein. Kinderärztinnen und -ärzte haben übervolle Wartezimmer. Und für viele Eltern ist ein verlässlicher Kitaplatz die Voraussetzung, um Geld verdienen zu können, ohne psychisch und physisch in kürzester Zeit auszubrennen. Gerade für Eltern mit kleinen Kindern könnte der Herbst die nächste Belastungsprobe bringen.

Was sollten Eltern tun, wenn das Kita-Kind Erkältungssymptome hat?

In Brandenburg beispielsweise dürfen Kinder auch mit einem Schnupfen oder leichtem Husten ohne Fieber in Schulen und Kitas gehen. Es ist also kein Test auf das Coronavirus nötig, wie Bildungs- und Verbraucherschutzministerium Brandenburg in einem Informationsschreiben an Schulen und Kitas mitteilten. Doch das kann sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Lesen Sie hier: Corona-Regeln: Das müssen Sie in Ihrem Bundesland beachten

Was raten Kinderärzte?

„Wenn ein Kind nur einen leichten Schnupfen hat und kein anderer in der Familie und Umgebung krank ist, würde ich dazu raten, die Kinder trotzdem in die Kita gehen zu lassen, genauso, wie es bisher bei einem Kita-Schnupfen immer gehandhabt wurde. Dies ist vor dem Hintergrund der Corona-Erkrankungen aber wirklich eine schwierige Entscheidung”, sagt Dr. Annette Lingenauber, Kinderärztin in Hamburg und Sprecherin des Landesverbands Hamburg des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist.

Für Eltern bedeutet jede laufende Nase, jede Erkältung bei einem Familienmitglied also einen Konflikt: Gehen wir das Risiko ein, dass im Zweifelsfall die gesamte Kita geschlossen wird oder gehen wir auf Nummer sicher und gehen bei jedem Schnupfen mit dem Kind zum Arzt?

„Unsere Praxen sind jetzt schon gut gefüllt”, sagt Lingenauber weiter. „Wir haben viel zu tun damit, Atteste auszustellen“, so die Kinderärztin. Und wenn im Wartezimmer die Kinder dicht an dicht warten, nehme die Gefahr zu, dass sie sich mit weiteren Erregern infizieren.

Wann sollten Eltern auf jeden Fall einen Arzt kontaktieren?

Tauchen für Covid-19 typische Krankheitszeichen wie trockener Husten, Fieber über 38,5 Grad, Atembeschwerden, Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn und/oder Halsschmerzen auf, müssen die Kinder zu Hause bleiben. Die Eltern sollten einen Arzt informieren, der dann entscheidet, ob ein Test gemacht werden soll.

Außerdem gilt: Gibt es einen begründeten Verdacht, dass das Kind an Covid-19 erkrankt ist, zum Beispiel, weil es Kontakt zu einem Infizierten hatte oder sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat, sollen Eltern ebenfalls einen Arzt kontaktieren.

Brauchen Kita-Kinder ein Attest?

Dirk Rühling, praktizierender Kinderarzt in Weimar und Sprecher des Landesverbands Thüringen des BVKJ, hält es für sinnvoll, dass Ärzte Atteste ausstellen. „Gerade Kinder unter drei Jahren haben im Winter fast durchgängig Schnupfnasen – das ist ganz normal“, sagt er. „Solche Infekte haben in der Regel eine harmlose virale Ursache.“ Aber: „Die Kinder zeigen ja Symptome, Ärzte können die fachlich einordnen.“

Doch der Hausärzteverband Brandenburg befürchtet für den Beginn der Erkältungs- und Grippesaison im Herbst einen Ansturm auf die Praxen. Vor allem Kinderärzte seien die Hauptleidtragenden. Über den Lockdown habe sich viel angespart, sagt die Verbandsvorsitzende Karin Harre. „Jetzt treffen die Kinder in den Schulen und Kitas wieder aufeinander.

Da ist es ja nicht zu vermeiden, dass Keime ausgetauscht werden und die Kinder krank werden“, sagte die Ärztin. Im Verband überlege man deshalb, ob Kinder ab sechs Jahren auch zum Hausarzt gehen sollten, um die Kinderarztpraxen zu entlasten.

Gibt es eine Attestpflicht für Kita-Kinder?

Bei einer einfachen Erkältung gilt keine Attestpflicht für Kita-Kinder. Anders sieht das nach bestimmten Krankheiten wie etwa Masern, Mumps, Keuchhusten, Scharlach und Windpocken oder bei Kopflausbefall aus. Dann muss ein Arzt ein Attest ausstellen, das bestätigt, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Jedoch kann auch bei einer Erkältung ein Attest den Kitas Sicherheit geben, dass es sich nur um einen normalen Infekt – und nicht um Corona – handelt.

„Natürlich akzeptieren die Einrichtungen solche ärztlichen Atteste“, sagt Frank Jansen, Geschäftsführer des Bundesverbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK). Seiner Erfahrung nach wird es aber schwer möglich sein, dass alle Eltern solche Nachweise mitbringen, da die Kinderärzte bereits jetzt zeitlich überfordert sind. In diesen Fällen müssten Kita-Leitungen durch politische Regelungen entlastet werden, fordert er. Sinnvoll fände Jansen aber, wenn sich Eltern von Kindern mit einer chronischen Erkrankung – wie etwa Heuschnupfen – Atteste ausstellen lassen würden.

Wann gilt in den Kitas ein Betretungsverbot?

Für viele Kita-Träger ist die Lage klar. „Kinder, die Symptome aufweisen dürfen leider aktuell nicht in die Kitas“, sagt Jansen. Ein sogenanntes Betretungsverbot gelte für jedes Kind, das Symptome aufweist, die mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden. „Das ist für Eltern natürlich doof“, sagt Jansen.

Viele Eltern versuchten daher ihr Kind durch ein Attest des Kinderarztes „gesundschreiben“ zu lassen – auch um selbst wieder arbeiten gehen zu können. „Wir können von unseren Fachkräften in den Einrichtungen nicht verlangen, dass sie jede Situation einzeln einschätzen – das können sie auch gar nicht. Schließlich sind es pädagogische und nicht medizinische Fachkräfte“, so Jansen.

Deshalb orientieren sich die Mitgliedseinrichtungen des KTK-Bundesverbandes an Regelungen der Bundesländer oder Landkreise zum Betretungsverbot in den Kitas. Andere Träger orientierten sich an den Vorgaben des des Robert Koch-Instituts (RKI).

Doch das RKI beispielsweise weist Schnupfen als eines der möglichen Symptome von Covid-19 aus. Auf der Internetseite des Instituts heißt es: „Zu den im deutschen Meldesystem am häufigsten erfassten Symptomen zählen Husten, Fieber, Schnupfen, sowie Geruchs- und Geschmacksverlust.“ Lesen Sie auch: Coronavirus: Typische Symptome und Anzeichen der Infektion

In den meisten Kitas gilt ein sogenanntes Betretungsverbot für jedes Kind, das Symptome aufweist, die mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden.
In den meisten Kitas gilt ein sogenanntes Betretungsverbot für jedes Kind, das Symptome aufweist, die mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden. © dpa | Friso Gentsch

Wie reagieren Kita-Leitungen auf erkältete Kinder?

Kita-Leiterin Antje Legrand muss deshalb nun besonders hart durchgreifen. „Wenn ein Kind eine laufende Nase hat und die Eltern uns das nicht gesagt haben, müssen wir es sofort in einem abgetrennten Raum separieren“, erklärt die Leiterin der Kita Rabennest im rheinland-pfälzischen Braubach. Dann rufe sie die Eltern an und bitte diese, ihr Kind sofort abzuholen.

„Wir raten dann auch, direkt zum Arzt zu gehen, um abzuklären, was dahinter steckt“, sagt Legrand. Ein Attest brauchen die Kinder in der Kita Rabennest aber nicht. „Das ist je nach Kita-Träger unterschiedlich“, so die Kita-Leiterin. Wer symptomfrei ist, darf aber zurück in die Einrichtung. „Nur bei Durchfall oder Erbrechen, muss noch 48 Stunden gewartet werden.“

Wenn ein Kind eine laufende Nase hat, müssen die Eltern es sofort aus der Kita abholen.
Wenn ein Kind eine laufende Nase hat, müssen die Eltern es sofort aus der Kita abholen. © dpa | Peter Kneffel

Was ist, wenn bei meinem Kind der Erreger Sars-Cov-2 nachgewiesen wurde?

Wird eine Infektion mit dem Virus nachgewiesen, ordnet das Gesundheitsamt eine häusliche Quarantäne an. Bei leichtem Verlauf ist eine Wiederzulassung nach 14 Tagen häuslicher Isolation und mindestens 48 Stunden Symptomfreiheit ohne zusätzliches ärztliches Attest möglich.

Wie lange dürfen Eltern am Arbeitsplatz wegen kranker Kinder fehlen?

Doch das bedeutet auch, dass die Kinder bei jeder laufenden Nase zu Hause beaufsichtigt werden müssen. Bisher seien die meisten Eltern sehr verständnisvoll, berichtet Legrand. „Eine Mutter hat mir aber erzählt, dass sie noch nicht weiß, wie sie die Betreuung im Herbst und Winter sicherstellen soll, wenn die Erkältungszeit losgeht”, sagt die Kita-Leiterin. „Ich habe ihr gesagt, dass ihr Mann dann auch die Betreuung übernehmen muss. Der hat schließlich genauso viele Tage zur Verfügung“,

Laut Gesetz darf jedes Elternteil im Jahr pro Kind zehn Tage am Arbeitsplatz fehlen, um sich um ein krankes Kind zu kümmern – bei vollem Gehalt. Für Alleinerziehende sind es bis zu 20 bezahlte Arbeitstage.

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Müssen sich Eltern um eine Ersatzbetreuung kümmern?

Doch was ist wenn Kitas schließen müssen, weil auch die Fachkräfte erkältet sind? „Wenn der Arbeitnehmer sein Kind bei der Kita nicht los wird – warum auch immer –, kann er zunächst einmal zu Hause bleiben, ohne dass ihm eine Abmahnung oder gar Kündigung droht“, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

„Er muss sich allerdings um eine Ersatzbetreuung kümmern, die Lage ist also nicht so viel anders, als wenn das Kind auch nach Ansicht des Arztes krank ist.“ Doch auch das könnte schwierig werden, wenn das Kind im Winter durchgängig eine Schniefnase hat. Und gerade, wenn eine Corona-Infektion nicht komplett ausgeschlossen werden kann, fallen die Großeltern als Ersatzbetreuer der Kinder aus. Lesen Sie hier: Coronavirus-Risikogruppen: Diese Personen sind gefährdet

Wird das Gehalt weitergezahlt?

Unsicher sei laut dem Anwalt aber, ob und woher der Arbeitnehmer sein Geld bekomme. Das sei arbeitsrechtlich sehr kompliziert und müsse im Einzelfall angeschaut werden. Die Gesetzeslage sieht vor, dass Eltern in der Regel zwei bis drei Tage am Stück vom Arbeitsplatz fernbleiben können und das Gehalt weitergezahlt werde, wenn die Betreuung der Kinder nicht sichergestellt ist. Danach ist jedoch eine Lohnfortzahlung erstmal nicht gesichert.

Die Bundesregierung hat deshalb in der Corona-Krise ein Sozialschutz-Paket beschlossen, das einen möglichen Verdienstausfall der Eltern auffangen soll. „Die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens wird für bis zu sechs Wochen gewährt und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2016 Euro begrenzt”, heißt es auf der Internetseite des Bundesarbeitsministeriums. Die Auszahlung der Entschädigung ist bis Ende 2020 befristet.

Was ist mit dem gesetzlichen Betreuungsanspruch?

Laut Bredereck mache es arbeitsrechtlich zunächst einmal keinen Unterschied, ob bei dem Kind Corona-Verdacht besteht oder aus welchem Grund das Kind nicht kitatauglich ist: „Dementsprechend gelten die ganz normalen Regelungen.“

Und er fügt hinzu: „Im Übrigen gab es schon der Vergangenheit die Forderung von einigen Kitas, dass nach einer Erkältungskrankheit eine „Gesundschrift“ durch den Arzt erfolgt. Die Kitas handeln hier natürlich gelegentlich auch recht selbstherrlich, ohne zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer ja im Prinzip einen (einklagbaren) Betreuungsanspruch hat.“

Doch bevor Eltern den Betreuungsanspruch einklagen, ist es vielleicht doch schneller und einfacher, sich ins volle Wartezimmer beim Kinderarzt zu setzen – und ein Attest abzuholen, das bescheinigt, dass es sich nur um einen gewöhnlichen „Kita-Schnupfen” handelt.

(mit dpa)

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