Berlin. In der Corona-Krise erobern vielerorts Kojoten oder Rehe die leer gefegten Straßen. Tierschützer freut es, doch es gibt auch Warnungen.
Paraden von Tieren ziehen auf touristischer Mission durch die Städte und erhaschen durch Fensterscheiben Blicke auf Menschen, die in ihren Häusern eingesperrt sind: Cartoons wie dieser werden gerade im Internet geteilt, aber sie haben einen wahren Kern. Denn weltweit wagen sich Wildtiere in die seit der Corona-Krise vielerorts leer gefegten Innenstädte.
Kojoten etwa nähern sich zwar schon länger menschlichen Siedlungen, um Mülltonnen zu durchstöbern, doch Autos machten ihnen Angst. Am Osterwochenende nun posteten zahlreiche Einwohner von San Francisco, wie die sonst nachtaktiven Wildhunde bei Tageslicht entspannt durch die Straßen streifen oder sich vor der Kulisse der Golden Gate Bridge sonnen. Die Umweltbehörde veröffentlichte bereits eine Warnung: Man solle nicht vergessen, dass es sich um Wildtiere handle, und sich ihnen nicht nähern.
Corona-Krise: Pumas, Hirsche und Schwäne erobern die Städte
Derart erstaunliche Aufnahmen gibt es aus der ganzen Welt. Ein junger Puma streift durch Chiles Hauptstadt Santiago, im japanischen Nara tummeln sich Hirsche in der Einkaufsstraße. In Mailand sorgten Schwäne in den „Navigli“, einem eigentlich beliebten Ausgehviertel, für Aufsehen.
Tiere erobern die leeren Städte
„Normalerweise leben Wildtiere in unseren Städten im Verborgenen, an Orten, die wir nicht sehen, wie Gespenster“, erklärt Seth Magle vom Institute of Urban Wildflife in Chicago. „Jetzt wagen sie sich in sonst belebte Nachbarschaften vor – so wie bei uns ein Rudel wilder Truthühner.“ Im Tel Aviver Stadtpark Hajarkon etwa lebten nach einem Bericht der Zeitung „Haaretz“ schon vor der Corona-Krise zehn Schakalfamilien, nun zeigten sich die Tiere vermehrt auch auf Parkwegen.
Fische kehren in Venedigs Kanäle zurück
Auf den leeren Straßen der Hauptstädte Indiens und Nepals, wo normalerweise Millionen Menschen unterwegs sind, tummeln sich unterdessen besonders viele Affen. In Venedig posteten Menschen Bilder und Videos von Kanälen, die sauberer als sonst erscheinen und in die Fische zurückkehrten. „Die Natur erobert ihren Raum zurück“, schreiben Nutzer der Gruppe Venezia Pulita (Sauberes Venedig).
Besonders strikt ist seit dem 15. März die Ausgangssperre in Spanien. Nun gehen Wildschweine auf den Luxus-Avenues in Barcelona spazieren, und Pfaue aus dem Park schlendern seelenruhig durch Madrids Zentrum.
Iberischer Wolf wagt sich in Spanien in Wohngebiete vor
Der abgenommene Verkehr habe „einen Balsameffekt für die Tierwelt“, meint Roberto Hartasánchez von der Stiftung zum Schutz von Wildtieren (Fapas), allein schon, weil nun weniger Tiere überfahren würden. Ángel Sánchez vom ehrenamtlichen Verband für die Zählung des Iberischen Wolfs sagte der Zeitung „El País“, es gebe mehrere Berichte, wonach sich auch dieses Raubtier zuletzt verstärkt in bewohnte Gebiete vorgewagt habe.
Forscher wie Magle glauben, dass sich das veränderte Verhalten der Tiere auf moderate Weise nach Ende der Corona-Krise fortsetzen könnte – etwa bei Vögeln, die ihre Reviere für die Futtersuche erweiterten. „Diese Zeiten erinnern uns daran, dass Tiere immer in unserer Nähe leben“, sagt er. „Wir denken bei Städten nicht an einen Teil der Natur, aber sie sind es.“
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(mit dpa)