München/Stuttgart. Die Wahl des Jugendwortes hat zum Nachdenken über die deutsche Sprache angeregt. Dieses Jahr wird erstmals kein Begriff ausgezeichnet.

Die einen hielten es ohnehin für ausgemachten Unfug, die anderen ließen sich gern für den eigenen Sprachschatz inspirieren – oder war von den teils kreativen Wortschöpfungen zumindest amüsiert. So oder so – mit der Wahl zum „Jugendwort des Jahres“ ist vorerst Schluss.

Das heißt: Vorerst kein neues „Babo“ mehr, kein „Smombie“, kein „Yolo“ und kein „I bims“. Das bestätigt der Leiter des Pons-Verlags, Erhard Schmidt, der Deutschen Presse-Agentur.

Ob es sich um ein endgültiges Aus für die stets medienwirksam inszenierte Wahl oder nur um eine Pause handelt, „wird noch entschieden“, sagt er. Das Jugendwort, diese umstrittene wie belächelte kleine Institution in der deutschen Sprache, es gibt sie nicht mehr - zumindest vorerst.

Hintergrund ist eine grundlegende Umwälzung in der Verlagslandschaft. Jahrelang hatte der Langenscheidt-Verlag in München das Jugendwort gesucht, um damit Werbung zu machen für sein Lexikon „100 Prozent Jugendsprache“.

Eine Jury kürte Wortneuschöpfungen wie „Smombie“, ein Kunstwort aus Smartphone und Zombie, den Satz „Läuft bei dir“, „Babo“, was so viel bedeutet wie Boss, und „Yolo“ für „You only live once“ - man lebt nur einmal.

Kein Jugendwort mehr: Pons-Verlag übernimmt Langenscheidt

In diesem Frühjahr aber hatte die Konkurrenz, der zur Klett-Gruppe gehörende Pons-Verlag in Stuttgart, die Marke Langenscheidt und die zugehörigen Produkte übernommen. „Der Deal kam für das Produkt zu einem ungünstigen Zeitpunkt“, sagt Pons-Chef Schmidt.

Das Lexikons „war nicht so, dass wir das Produkt in diesem Jahr in einem vernünftigen Zustand zu Ende führen konnten“. Und darum fällt jetzt eben auch die Werbung dafür aus.

Richtig tragisch sei das nicht, meint Annette Trabold, die Sprecherin des Leibniz-Institutes für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. „Diese Jugendwörter waren ja nicht ganz einwandfrei statistisch belegt. Da waren Modeerscheinungen und Eintagsfliegen dabei.“

Das IDS erfasst seit Jahren Wortneuschöpfungen in einem Neologismenwörterbuch. „Die Auswahl des Jugendwortes hat unseren Ansprüchen nicht genügt.“ Allerdings - und das betont sie – sei es immer schade, wenn ein Anlass abhanden kommt, über Sprache nachzudenken, über Sprache zu diskutieren.

Ein Rückblick auf die Jugendwörter der letzten 10 Jahre:

  • 2018: „Ehrenmann/Ehrenfrau“. Diese Wortschöpfung bedeutet „jemand, der etwas Besonderes für dich tut“.
  • 2017: „I bims“. Der Ausdruck bedeutet „Ich bin“ oder „Ich bin’s“ und ist ein Sprachphänomen aus den sozialen Medien.
  • 2016: „Fly sein“. Der Ausdruck kommt aus der Hip-Hop-Sprache und soll so viel bedeuten wie: jemand oder etwas „geht besonders ab“.
  • 2015: „Smombie“. Das aus Smartphone und Zombie zusammengesetzte Wort beschreibt jemanden, der von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, weil er nur noch auf sein Smartphone starrt.
  • 2014: „Läuft bei dir“. Vor drei Jahren wurde ein Satz zum „Jugendwort“ gekürt. Er soll als Synonym für cool oder krass gelten.
  • 2013: „Babo“. Das Wort bedeutet so viel wie Boss oder Anführer. Der Ausdruck erinnert an den türkischen Begriff Baba (Vater).
  • 2012: „Yolo“. Das ist ein Akronym und steht für „You only live once“ - eine Aufforderung, alle Chancen auf Erlebnisse zu nutzen.
  • 2011: „Swag“. Der US-amerikanische Ausdruck bezeichnet eine „beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung“ oder eine „charismatisch-positive Aura“. Wörtlich übersetzt bedeutet „to swagger“ stolzieren, prahlen oder schwadronieren, und „swaggerer“ heißt Aufschneider oder Angeber.
  • 2010: „Niveaulimbo“. Mit dem Begriff beschrieben Jugendliche das Absinken des Niveaus beispielsweise im Fernsehprogramm, bei Partys oder in Gesprächen.
  • 2009: „hartzen“. Das an Hartz IV angelehnte Wort kann so etwas wie herumhängen oder auch arbeitslos heißen.
  • 2008: „Gammelfleischparty“. Damit ging alles los. Das erste „Jugendwort des Jahres“ ist eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für eine Ü-30-Party.

Jugendwort zeigt Trend auf

Ähnlich sieht das auch der Sprachwissenschaftler Nils Uwe Bahlo, der an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster zur Sprache der Jugend forscht: „Die Wahl zum Jugendwort hat zum Nachdenken über Sprache angeregt. Auch wenn es sicherlich unwissenschaftlich war, hat es doch so herrlich kontrovers zu Diskussionen um und über Sprache angeregt.“

Denn diskutiert wurde viel über das Jugendwort. War es nun die „Gammelfleischparty“, eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für eine Ü-30-Party und 2008 das erste gekürte Jugendwort überhaupt, oder 2016 „Fly sein“.

Der Ausdruck kommt aus der Hip-Hop-Sprache und soll so viel bedeuten wie: Jemand oder etwas „geht besonders ab“. Die Reaktionen immer wieder: Gibt es wirklich junge Leute, die so reden? Und sind die wirklich jung?

„Jugendsprachen sind wie jeher stilistische Modeerscheinungen, die von Gruppe zu Gruppe variieren können“, sagt Bahlo. „Allen gemein ist die Grundlage: die deutsche Sprache.“

Wahl sollte online fortgeführt werden

Medienberichten zufolge hatte sich zwischenzeitlich ein anderer Anbieter gefunden, der die Jugendwort-Wahl in einem reinen Online-Voting fortführen wollte. Nachdem die Seite gehackt wurde, habe er aber Abstand von der Idee genommen.

Sie ist inzwischen nicht mehr online. Pons war nach Angaben Schmidts an der neuen Wahl-Aktion nicht beteiligt. Die Ermittlung eines Jugendwortes sei aber nicht geschützt. „Daher können wir so eine Aktion auch nicht verbieten.

Diese Aussage haben wir auch gegenüber der Firma gemacht, die diese Aktion durchgeführt hat“. Sprachwissenschaftler Bahlo wäre – im Sinne der Diskussion – „sehr dafür“, die Wahl wieder auflegen zu lassen.

Auch, weil dann sein ganz persönlicher Favorit womöglich noch eine Chance auf den Titel hätte: der türkische Ausdruck Çüş, der so viel bedeutet wie „Oha“ oder „Boah“ und fast klingt wie das deutsche „Tschüss“. Doch jetzt heißt es erst mal: Tschüss, Jugendwort! (jzi/dpa)