Oldenburg. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll Niels Högel fast 100 Patienten als Pfleger ermordet haben. Der Prozess steht kurz vorm Ende.

Der Mordprozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel geht in die Endphase. Am Freitag hatten die Angehörigen der Opfer das Wort. Die Rechtsanwälte der Nebenkläger beschrieben mit eindringlichen Worten in ihren Plädoyers das Leben der Opfer und ihrer Familien. Dadurch werde den Opfern das Gesicht und die Würde zurückgegeben, die Högel ihnen genommen habe, sagte eine Nebenklage-Vertreterin.

Die Tatmotive des 42-Jährigen stünden auf tiefster moralischer Stufe und zeugten von einer völligen ethischen Verwahrlosung und menschlichen Verrohung, sagte ein anderer der insgesamt 17 Nebenklage-Vertreter. Er vertritt die Familie einer 74-Jährigen, deren Tötung Högel zugegeben hatte.

Högel-Prozess: Sicherungsverwahrung gefordert

Mehrere Nebenklagevertreter sprachen sich wie die Staatsanwaltschaft für eine lebenslange Strafe und Feststellung der besonderen Schwere der Schuld aus und zusätzlich für eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung. Die Staatsanwaltschaft sieht in 97 der 100 angeklagten Fälle die Täterschaft Högels als erwiesen an – 43 hatte Högel bereits selbst eingeräumt.

Högel wurde bereits zu lebenslanger Haft verurteilt, im aktuellen Prozess geht es um weitere Straftaten, die ihm zur Last gelegt werden. Die Staatsanwaltschaft hat den Ex-Pfleger wegen Mordes an 100 Patienten an den Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst angeklagt.

Zwei Todesfälle seien laut Anklage nicht dem ehemaligen Pfleger zur Last zu legen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Opfer mit verschiedenen Medikamenten zu Tode gespritzt zu haben. Die Staatsanwältin wollte in ihrem vermutlich mehrere Stunden dauernden Plädoyer auf jeden einzelnen Fall eingehen.

Niels Högel ist bereits wegen sechs Morden verurteilt worden

Daniela Schiereck-Bohlmann ist Oberstaatsanwältin im Prozess gegen den wegen Mordes angeklagten Niels Högel.
Daniela Schiereck-Bohlmann ist Oberstaatsanwältin im Prozess gegen den wegen Mordes angeklagten Niels Högel. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Der 42-jährige Ex-Pfleger wurde bereits 2015 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Damals wurde ihm der Mord an sechs Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation hatte das Landgericht Oldenburg den Mann bereits zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der Sprecher der Opfer-Angehörigen, Christian Marbach zeigte sich enttäuscht über den bisherigen Prozessverlauf am Landgericht Oldenburg. Anders als Högel angekündigt habe, habe dieser die Chance nicht genutzt, zur Aufklärung beizutragen, reinen Tisch zu machen und den Angehörigen Wahrheit zu verschaffen.

Ähnlich äußerte sich auch die Anklage in ihrem Plädoyer. Der Angeklagte habe sich eines Lügenmodells bedient, Vorgänge bestritten und nur mit zunehmender Beweislast nach und nach Taten eingeräumt, sagte Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann. Die Geständnisse von Högel seien dennoch glaubhaft, hieß es weiter.

Bis zuletzt stand immer auch die Frage im Raum: Schützte ein Klinikum den Serienmörder?

Am Donnerstag soll als erste Nebenkläger-Vertreterin Gaby Lübben ihren Schlussvortrag halten. Plädoyerberechtigt sind neben der Staatsanwaltschaft insgesamt 17 Nebenklagevertreter sowie die beiden Verteidigerinnen Högels. Als Zeuge hatte bisher unter anderem der Oldenburger Klinik-Chef im Prozess gegen Niels Högel ausgesagt. Das Urteil wird am 6. Juni erwartet. (dpa/ac)