Berlin. Schauspielerin Vanessa Redgrave wird mit der Goldenen Kamera für ihr Lebenswerk geehrt. Respekt war der Schlüssel für ihre Karriere, erzählt sie.

Ihre erste Filmrolle spielte sie an der Seite ihres Vaters, die erste Theaterrolle an der ihres Bruders – das war 1958. Gut 60 Jahre später erhält die britische Schauspielern Vanessa Redgrave, 82, die Goldene Kamera für ihr Lebenswerk.

Neben einer langen, vielfach ausgezeichneten Karriere als Schauspielerin ist sie seit Jahrzehnten für ihr gesellschaftliches Engagement bekannt. Auch davon erzählt sie unserer Redaktion in einem Telefongespräch. Zur Preisverleihung am 30. März, ab 20.15 Uhr im ZDF, kann sie nach einer Verletzung nicht persönlich kommen.

Frau Redgrave, Sie werden mit der Goldenen Kamera für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Worauf sind Sie selbst in Ihrem Leben besonders stolz?

Vanessa Redgrave: Nun, worauf es am Ende hinausläuft, ist dies: Man versucht immer zu schauen, wie man Probleme anpackt. Das können wunderbare Probleme sein, die dennoch gelöst werden müssen. Oder unangenehme Probleme – aber auch die müssen gelöst werden. Damit hat man sein ganzes Leben lang zu tun, wissen Sie? Samuel Beckett hat mal gesagt: Perfektion ist nicht das Ziel. Und das stimmt auch.

Sie kommen aus einer großen Schauspielerfamilie und haben immer wieder auch mit Familienmitgliedern gearbeitet. Wie geht das, wenn man sich so gut kennt?

Redgrave: Wenn man diesen Beruf ergreift, gehört dazu, dass man lernt, mit anderen Schauspielern zusammenzuarbeiten, so wie mit den anderen Abteilungen, Musik, Design, etc. Alles in einem professionellen Zusammenhang. Und mit Respekt – was übrigens das Wichtigste ist.

Vanessa Redgrave erhält die „Goldene Kamera“ für ihr Lebenswerk

Professionalität und Respekt: So funktioniert die Arbeit mit Familie?

Redgrave: Ja, für mich ist es so.

Sie haben als Kind die deutsche Bombardierung Londons erlebt. Welches Verhältnis haben Sie als Britin heute zu Deutschland?

Redgrave: Ich haben eine engere Verbindung zu Deutschland, als Sie vermutlich denken. 1993 habe ich in Hamburg eine große Konferenz und ein Konzert gegen Rechtsextremismus organisiert, mit Jürgen Flimm und Schauspielern vom Thalia-Theater. An der Konferenz nahmen Holocaust-Überlebende teil, Historiker, Regisseure, Musiker wie Bono und The Edge von U2 und viele andere. Weil wir hinter dem Slogan standen: „Wir werden nie vergessen, wir werden es nie wieder geschehen lassen.“ Das war die Zeit nach den Anschlägen auf türkische Mitbürger.

Sie engagieren sich schon ihr ganzes Leben gesellschaftlich. 2017 erschien „Sea Sorrow“, Ihr Film über die Situation von Flüchtlingen. Haben Sie das Gefühl, da hat sich inzwischen etwas getan?

Redgrave: Es gibt mehr Konflikte als letztes Jahr, mehr Flüchtlinge und mehr Katastrophen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, wodurch wieder mehr Menschen zu Flüchtlingen werden. Es bleibt ein Menschenrechtsthema. Darum ging es in meinem Film. Aber es gibt auch viele Menschen, die in die richtige Richtung arbeiten. Gerade in Deutschland wird viel dafür getan, dass die Flüchtlinge die richtige Unterstützung bekommen, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können. Deutschland ist dabei ex­trem gewissenhaft.

Sie sehen also auch eine positive Entwicklung?

Redgrave: Wenn Sie sich für das echte Leben interessieren – was ich als Schauspielerin tue –, für das echte menschliche Leben, dann suchen Sie nicht nur nach dem Bösen oder nur nach dem Guten. Sie sehen auf all die Veränderungen, die stattfinden, und was sie bedeuten und was jeder einzelne machen kann, um etwas zu verbessern.

Viele Menschen kritisieren Greta Thunberg, die 16-jährige Klimaaktivistin aus Schweden. Sie sagen, sie sei zu jung, um mitzureden.

Redgrave: Oh, sie ist fantastisch. Und 1993, als wir die Konferenz in Hamburg organisierten, bekam ich mit, dass gerade die Kinder und Jugendlichen am aktivsten waren für Unicef und für das, was wir dort versuchten. In dem Fall waren es Kinder aus dem früheren Jugoslawien und aus Somalia. Die jüngsten elf Jahre alt!

Was ist Ihr wichtigster Rat an junge Menschen?

Redgrave: Junge Menschen brauchen liebende Aufmerksamkeit. Wir können von ihnen ebenso lernen wie sie von uns. Und sie müssen von uns Älteren lernen. Ich glaube, die jungen Leute bekommen meistens nicht die richtige Art von Hilfe. Vor allem – was in meinem Land fehlt – brauchen sie eine ordentliche Bildung, ordentliche sportliche Einrichtungen, gute Ausbildungsmöglichkeiten. All das ist für die jungen Menschen in Großbritannien zerstört. Aber ich will nicht noch politischer werden.

Erfahren Sie mehr über die Preisverleihung: Die Goldene Kamera – Was sie 2019 so besonders macht