Berlin. Die Ticket-Börse Viagogo steht schon lange in der Kritik. „Frontal 21“ berichtet über dubiose Geschäftspraktiken der Karten-Anbieter.

Verkaufsstart für das Konzert eines populären Künstlers – und nach wenigen Minuten sind alle Tickets weg. Ein verbreitetes Problem, das mit einem nervigen Phänomen einhergeht. Denn in aller Regel tauchen bereits zum Verkaufsstart Eintrittskarten für die vermeintlich ausverkauften Veranstaltungen bei anderen Anbietern auf. Völlig überteuert.

Besonders bekannt für hohe „Resale“-Tickets, also Wiederverkaufs-Karten, ist die Plattform Viagogo. Sie präsentiert sich als Angebot für Fans, die Tickets haben, die sie aus persönlichen Gründen nicht mehr brauchen und abgeben wollen.

Inzwischen mehren sich aber Vorwürfe: Fachhändler würden entgegen der Bedingungen die Plattform nutzen, um massig Gewinn mit echten Musikliebhabern zu machen.

Künstler und Veranstalter werfen Viagogo Wucherpreise vor

Künstler, Veranstalter und Verbrauchschützer werfen Viagogo entsprechend vor, dass auf der Internetplattform Tickets oft zu Wucherpreisen und mit horrenden Servicegebühren gehandelt würden. Recherchen des ZDF-Magazins „Frontal 21“ zeigen offenbar, dass auf Viagogo auch Großverkäufer mit fragwürdigen Methoden Kasse machen.

Dabei gibt es auch mal richtige Pannen. Viagogo verkaufte 2017 Tickets für eine nicht existierende Kebekus-Show.

Das Geschäftsmodell „basiert auf dem Vertragsbruch Dritter“, sagte Rechtsanwalt Felix Holzhäuser gegenüber „Frontal 21“. Holzhäuser vertritt den Fußballclub Bayer04 Leverkusen und die Deutsche Fußballliga.

Über Viagogo würden regelmäßig Karten rechtswidrig weiterverkauft, obwohl viele Veranstalter dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen hätten. Die Käufer würden darüber bewusst in die Irre geführt. Das ganze Geschäftsgebaren der Ticketplattform sei nicht durch Seriosität ausgezeichnet.

Erfahrungsbericht: Reingefallen auf Viagogo: So läuft das miese Ticket-Geschäft

Fußballvereine erkennen Tickets von Viagogo teilweise nicht an

Viele Fußballvereine, auch Bayer04 Leverkusen, erkennen „Viagogo-Tickets“ nicht an und verweigern Fans den Zutritt, wenn sie keine neuen Karten kaufen. Viagogo teilte mit: „Jeder hat das Recht mit Tickets zu handeln.“ Ein Weiterverkaufsverbot beschränke Kundenrechte. Jetzt decken „Frontal 21“-Recherchen auf, wie auf Viagogo Ticket-Händler Geschäfte machen.

Ein ehemaliger Händler, der sich anonym äußert, sagte im Interview: Ein Großteil der Tickets auf Viagogo werde nicht von Fans, sondern von „professionellen Händlern verkauft, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.“ Einige dieser Händler seien gleichzeitig Inhaber von Vorverkaufsstellen und hätten so Zugriff auf Karten zu Originalpreisen.

Die würden sie über die Zweitmarktplattform teuer weiterverkaufen. Viagogo teilte dazu mit: „Solange die Tickets legal erworben wurden, interessiert es uns nicht, wie viele Tickets eine Person verkauft – sei es der durchschnittliche Fan, der Großhändler oder der Eventveranstalter.“

Bereits Gerichtsstreit in England – Branchenpraktiken umstritten

In England gibt es bereits Berichte über Resale-Plattformen, die direkt mit Konzertveranstaltern arbeiten und Kontingente bekommen – die deutlich höheren Einnahmen landen dann direkt bei den beteiligten Firmen, die Künstler erhalten nichts.

Viagogo wurde bereits verurteilt, weil die Käufer nicht korrekt informiert würden, dass die Gefahr bestünde, bei Veranstaltungen keinen Einlass zu bekommen und sie keinerlei Absicherung hätten. Zudem würde die Seite falsche Angaben über die Popularität von Veranstaltungen machen, um Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Wie „BBC“ berichtet, setzt die Firma die Vorgaben nur zögerlich um.

Tickets werden häufiger personalisiert – Ed-Sheeran-Fans mussten draußen bleiben

Immer mehr Künstler setzen nun auf eine Personalisierung der Tickets. Die Kabarettistin Monika Gruber verteidigte dieses Vorgehen im „Frontal 21“-Interview: „Ich muss meine Fans davor schützen, dass die einen völlig überteuerten Wucherpreis bezahlen.“ Für Grubers Shows wurden Tickets mit einem Originalpreis von 20 Euro über Viagogo für bis zu 256 Euro angeboten.

Die Geschäftspraktiken von Viagogo hatten im vergangenen Sommer für Aufsehen gesorgt, als der britische Popstar Ed Sheeran die Karten für seine Welttournee personalisieren ließ. In Deutschland kamen hunderte Fans mit „Viagogo-Tickets“ nicht ins Stadion.

Die Band Rammstein setzte ebenfalls auf Personalisierung. Trotz Verbot: Viagogo bietet weiter Rammstein-Tickets an.

Der Tickethandel ist nicht verboten, laut „Frontal 21“ beobachte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz die Entwicklungen. Die Verbraucherzentrale Bayern klagt vor dem Landgericht München I gegen Viagogo. Ziel ist es, die Ticketplattform zu mehr Transparenz zu zwingen. (ses)