Maria Furtwängler spielt seit 17 Jahren die „Tatort“-Kommissarin Lindholm. Auch im Krimi tritt sie für ein unabhängiges Frauenbild ein.

Selbst wenn man Maria Furtwängler gegenübersitzt, ist die Narbe schwer zu erkennen. Die Schauspielerin zeigt auf die Stelle: Wie ein Schnitt führt die Narbe vom Kinn die Wange entlang und ist gleichzeitig ihre früheste Kindheitserinnerung.

Als sie zwei Jahre alt war, wurde Maria Furtwängler von einem Hund gebissen, mitten ins Gesicht. „Ich weiß noch genau“, sagt sie, „wie meine Mutter geweint hat.“ Sie sagt, dass sie dann ihre Mutter gefragt habe: „Mami, hat er dich auch gebissen?“

Erst vor einigen Wochen habe die Mutter ihr aber den wahren Grund verraten, warum sie damals geweint hatte: „Sie dachte damals nur: Oh Gott, jetzt kriegt sie keinen mehr ab.“

Furtwängler: Die einsame Frau ist immer noch ein No-Go

Maria Furtwängler (52) muss selbst darüber lachen. Schließlich arbeitet die Schauspielerin seit Jahren mit ihren Filmrollen immer wieder daran, ein neues Frauenbild in die Öffentlichkeit zu tragen: selbstbewusst, unabhängig, stark. Mit diesen Attributen spielt sie seit mittlerweile 17 Jahren die Rolle der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm, die vor allem Fälle in den Städten und Dörfern von Niedersachsen löst.

„Der einsame Mann gilt immer als der starke Wolf“, sagt sie, „der darf sich besaufen und gegen die Welt antreten.“ Die einsame Frau hingegen sei in der Gesellschaft noch immer ein No-Go. „Da denken viele noch immer zuerst an ‚alte Jungfer‘“, sagt sie. „Wir haben da zu starke Vorurteile im Kopf und gegen die tritt Charlotte Lindholm ein.“

Furtwängler spielt oft starke Frauenfiguren

Doch nicht nur in dieser Rolle, vielmehr zieht sich das Thema durch viele Filmfiguren, die Maria Furtwängler verkörpert hat. So trat sie vor rund zwölf Jahren als Magdalena von Mahlenberg in dem TV-Mehrteiler „Die Flucht“ als Gräfin auf, die sich gegen ihren Vater auflehnt.

Einige Jahre später spielte sie die Hauptrolle in dem wunderbaren Arthouse-Film „Das Wetter in geschlossenen Räumen“. Sie war die Dorothea, eine selbstbewusste Frau, die in Afrika als Helferin arbeitet, aber langsam die Kontrolle über ihr Leben verliert.

Dorothea trifft Politiker im Abendkleid an der Hotelbar, während im Zimmer ihr junger Liebhaber wartet, mit dem sie die Nächte durchfeiert, während draußen die Bomben explodieren.

„Tatort“-Themen öffneten Furtwängler oft die Augen

Auch im aktuellen „Tatort“ („Das verschwundene Kind“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) setzt sie Akzente, als sie nach Göttingen kommt, um einen besonderen Fall zu lösen: In einem Abbruchhaus werden Hinweise entdeckt, die auf eine Geburt deuten. Doch Mutter und Kind bleiben spurlos verschwunden. Charlotte Lindholm muss klären, ob die beiden möglicherweise getötet wurden. Zudem muss sie sich mit einem neuen Team auseinandersetzen.

Für Maria Furtwängler waren gerade die „Tatort“-Rollen oft ein Augenöffner in vielerlei Hinsicht. „Ich hätte mich sonst nie mit dem Thema verdrängte Schwangerschaften beschäftigt“, sagt sie. „Dabei ist es ein Thema, das in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt.“

Dienstälteste „Tatort“-Kommissarin ist Furtwängler noch nicht

Für die Schauspielerin – Mutter eines Sohnes (28) und einer Tochter (26) – ist es geradezu unvorstellbar, dass man den körperlichen Zustand einer Schwangerschaft ignorieren könnte. „Aber wenn einige Probleme zu groß werden, kann der Kopf sie komplett verdrängen.“

Furtwängler wurde bereits mehrfach zur beliebtesten „Tatort“-Kommissarin gewählt. Die dienstälteste Kommissarin ist aber weiterhin Ulrike Folkerts, die seit 30 Jahren Fälle löst.

Mit 17 Jahren „Amtszeit“ ist Maria Furtwängler da noch nicht einmal in der Nähe, hat sich aber schon sehr an ihre Rolle der Charlotte Lindholm gewöhnt. Sie redet bei jeder Folge inzwischen mit und weiß zum Teil besser als die Drehbuchautoren, wie die Ermittlerin auf bestimmte Situationen reagiert.

Frauen gratulieren Furtwängler zu ihrer Arbeit

„Es ist schon das geilste Format im deutschen Fernsehen“, sagt sie, „und ich bin immer wieder froh, Teil dieser Familie zu sein.“ Neulich saß sie mit dem Kommissar-Kollegen Klaus Berendt („Max Ballauf“) im Flugzeug und freute sich, weil er noch so brannte für seinen Job.

„Direkt danach kam eine ältere Dame und tätschelte mir den Kopf und sagte: Sie machen das toll.“ Sie fand das erst etwas übergriffig, aber freute sich dann doch. Diese positive Reaktion bekommt sie eben häufig von Frauen, weil sie so auftritt: stark und selbstbewusst.

BBC als Vorbild: Schwarze und Frauen in hohen Positionen

Im neuen „Tatort“ wird sie dabei herausgefordert von ihrer LKA-Kollegin Anaïs Schmitz, gespielt von der in Uganda geborenen Florence Kasumba. „Ich finde es gut, dass wir ihre Herkunft im ‚Tatort‘ nicht thematisieren“, sagt Maria Furtwängler. Ein Vorbild sei für sie die BBC: „In der britischen BBC etwa tauchen immer wieder Schwarze und Frauen in hohen Positionen auf, ohne dass es problematisiert wird.“

Sie hofft, dass es auch in Deutschland auf dem Gebiet bald entspannter sei. Dann hätte der „Tatort“ einen guten Beitrag geleistet.