Jutta Speidel gehört zu den beliebtesten deutschen Schauspielerinnen. Hier spricht sie über ihren neuen Film, Liebe und Weihnachten.

Sie ist eine der bekanntesten und beliebtesten Schauspielerinnen Deutschlands: Jutta Speidel (64). Ihre Karriere begann 1970 mit dem„Schulmädchenreport“, doch für viele TV-Zuschauer wird sie wohl für immer die resolute Nonne aus der Serie „Um Himmels Willen“ bleiben. Genauso resolut, frisch und fröhlich wirkt sie auch nach diesem langen Interview-Tag für den ARD-Film „Wir sind doch Schwestern“, (nach dem gleichnamigen Familienroman von Anne Gesthuysen), der am 22. Dezember um 20 Uhr 15 in der ARD ausgestrahlt wird.

Dabei ist Jutta Speidels Arbeitstag noch nicht zu Ende: Gleich geht’s in Theater, denn heute Abend steht sie noch auf der Bühne. Gebrechlicher und vom Leben gezeichnet, aber trotzdem voller Persönlichkeit, wirkt ist sie in ihrer Filmrolle: Speidel spielt in „Wir sind doch Schwestern“ die 87-jährige Betty, die nach vielen Jahren des Familienstreits wieder auf ihre beiden älteren Schwestern trifft. Anlass ist der 100. Geburtstag der Ältesten, der auf einem Gutshof in der niederrheinischen Provinz gefeiert wird. Die drei alten Damen blicken auf ein ganzes Jahrhundert voll Krieg, Liebe, Zerwürfnisse und Skandale zurück.

Frau Speidel, die Betty, die Sie spielen, trifft mit 87 nach über 40 Jahren auf ihre ältere Schwester. So lange haben die beiden nicht miteinander gesprochen. Könnte Ihnen das auch passieren?

Jutta Speidel: Nein, für mich ist so was das Schlimmste. Ich kenne einige Familien, bei denen die Kinder entweder gar keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern haben oder nur viermal im Jahr voneinander hören. Das finde ich ganz schrecklich. Gerade in der heutigen Zeit ist die Familie das Wichtigste.

Das heißt, bei Ihren zwei Töchtern würden Sie auch über jeden Schatten springen und jeden Stolz über Bord werfen?

Speidel: Immer! Natürlich gibt’s bei uns auch mal Streit. Zwischen Mutter und Töchtern gibt es auch manchmal Schwierigkeiten, aber wir finden immer wieder zueinander.

Jetzt an Weihnachten steht die Familie im Mittelpunkt, da brechen dann oft Konflikte aus. Wie schafft man es friedlich über die Feiertage?

Speidel: Also wir streiten uns so gut wie nie an Weihnachten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns alle so unglaublich darauf freuen. Wir sind alle richtige Kitsch-Julen! Weihnachten feiern wir traditionell bei meiner jüngeren Tochter Antonia in Berlin. Sie hat dort einen eigenen Designladen, und da ist zu dieser Zeit Hochsaison. Also helfen meine ältere Tochter und ich ihr, so gut es geht, kaufen zum Beispiel den Tannenbaum und schmücken ihn.

Generell würde ich sagen: Gebt jedem Familienmitglied eine Aufgabe! Gerade ältere Menschen mögen es gar nicht, wenn man sie einlädt und sie dann nur auf der Couch rumsitzen.

Viele Schauspielerinnen sprechen von dem Druck, immer jung aussehen zu müssen. War es für Sie befreiend, dass Sie im Film einfach mal alt aussehen durften?

Speidel: Diesen Druck habe ich nie gehabt. Mir ist wichtig, dass ich die Figur richtig spiele und dass ich sie erfülle. Ich finde es toll, dass der Regisseur sich sehr bewusst drei Schauspielerinnen ausgesucht hat, die in ihrem tatsächlichen Leben nichts in ihrem Gesicht haben machen lassen. So passt alles zusammen.

Sie haben mal gesagt, Sie haben keine Angst vor dem Älterwerden. Warum?

Speidel: Weil man Alter nicht greifen kann. Mal ist man 20, mal ist man 30, mal ist man 40 – ich fühle mich immer unterschiedlich alt. Einmal zwickt es mich im Kreuz, dann denke ich: du olle Oma. Doch das Alter sitzt im Kopf und nirgendwo sonst. Zu meinen Freundinnen sage ich immer: Jammern über das Alter kannst du mit jemand anderem, ich will das nicht hören. Ich sage nicht: Oh, nächstes Jahr werde ich 65. Ich sage: Wow! Nächstes Jahr habe ich schon 65 Jahre gelebt! Das ist meine Haltung.

Im Film geht es auch um die große Liebe. Die Schwestern sind immer wieder an den Moralvorstellungen gescheitert. Würden Sie sich aus moralischen Gründen von einer Liebe abhalten lassen?

Speidel: Ich bin der Meinung, wenn es wirklich Liebe ist – und nicht nur ein Verliebtsein oder eine Eroberung, die man aus Machtinstinkten machen möchte –, muss diese auch gelebt werden. Dann ist ein offener Umgang damit das Beste.

Und Sie, sind Sie jetzt verliebt?

Speidel: Ich bin nicht verliebt. Doch, ich bin schockverliebt! In meinen Enkel, aber total. Ich habe jetzt einen kleinen Mann an meiner Seite, der ganz unfassbar charmant ist. Aber wenn Sie darauf hinauswollen, ob ich eine neue Liebe habe: nein.

Und suchen Sie eine neue Liebe?

Speidel: Nein. Ich habe drei große Lieben in meinem Leben gehabt, und die habe ich gelebt. Das ist mehr, als man erhoffen kann. Obwohl, ich denke, wenn jemand auf mich zukommen würde, wo es passt und wo nicht eine einseitige Liebe da ist – das könnte mir schon noch mal passieren. Aber einen älteren Mann kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Ich möchte auch keine Zipperleins. Und wahrscheinlich würde ich nur ambulant eine Beziehung führen wollen, nicht – wie sagt man? – „stationär“.

Ambulant? Ach so, ohne zusammenzuziehen meinen Sie?

Speidel: Ja, genau. Ich glaube, dass man ab einem gewissen Alter – und ich bin das sowieso – ein Einzelgänger ist und das auch braucht.