München. Marianne Sägebrecht ist mit dem Kinderfilm „Findus zieht um“ neu im Kino. Ein Gespräch über Respekt, Alleinsein und platonische Liebe.

Mit Marianne Sägebrecht ein Interview in der vorgegebenen Zeit zu führen, ist unmöglich. Denn die 73-jährige Bayerin („Out of Rosenheim“) sprudelt nur so über vor Energie und Themen. Da geht es um die „MeToo“-Debatte, um jugendliche Straftäter oder um alte Hollywood-Zeiten, als sie „Der Rosenkrieg“ drehte.

Eigentlich möchte man diese Unterhaltung gar nicht mehr unterbrechen. Dabei gerät der eigentliche Anlass fast aus dem Blick, obwohl die Schauspielerin in der Kinderbuchverfilmung „Pettersson und Findus – Findus zieht um“ (aktuell im Kino) nach dem ersten Teil von 2014 wieder in eine ihrer erfolgreichsten Rollen schlüpft.

Sie feierten Ihren großen Durchbruch im Kino vor rund 30 Jahren. Ihr neuer „Pettersson und Findus“-Film ist ihre 72. Schauspielrolle. Was können eigentlich junge Kollegen von Ihnen lernen?

Marianne Sägebrecht: Ich sage denen immer: Das Wichtigste ist: Weg mit der Arroganz. Macht eure Arbeit, respektvoll, höflich und möglichst noch passioniert. Denn man trifft sich im Leben immer wieder. So etwas sollte in der Schauspielschule unterrichtet werden. Das macht man in Hollywood auch so.

Wie sich Danny DeVito beim „Rosenkrieg“ um seine ganze Crew gekümmert hat, das war toll. Und ich nehme mir das zum Vorbild. Wenn ich einen Film drehe, dann organisiere ich ein Festessen für das Team. Meine Tochter geht die Wände hoch: „Mami, gib Ruh.“ Ein anderes großartiges Beispiel ist übrigens Michael Douglas – ein wirklicher Traummensch.

Douglas, mit dem Sie „Der Rosenkrieg“ drehten, ist allerdings im Zuge der „MeToo“-Kampagne mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert worden.

Marianne Sägebrecht: Ich kann nur sagen: Beim Dreh ist nichts passiert. Das kann es auch nicht. Da werden entsprechende Verträge unterschrieben. Wenn jemand eine Zote von sich gibt, dann fliegt er raus. Aber „MeToo“ war schon wichtig. Es gab dadurch eine Katharsis, und jetzt beruhigt sich das wieder. Alles wird grundsätzlich besser.

Sie engagieren sich stark sozial. Versuchen Sie die Welt zu verbessern?

Marianne Sägebrecht: Ich bin keine Missionarin und lasse andere Menschen auch in Ruhe. Ich mache das behutsam. Ein Beispiel: Ein Bauer erzählte mir, er sei in die Stadt gefahren, und das sei furchtbar gewesen, weil alle wie die Teufel dreingeschaut hätten.

Da sagte ich zu ihm: Weißt du, was die Erklärung sein könnte? Wahrscheinlich hast du wie der Teufel geschaut und die anderen haben dasselbe von dir gesagt. Probier’s mal mit einem Lächeln, und dann wirst du schauen. Eine Woche später sagte er zu mir: „Jetzt war ich wieder in der Stadt und habe es mit dem Lächeln probiert, und es hat funktioniert. Jetzt werde ich das gleich mal bei meinem Weibsteufel zu Hause versuchen.“

Was sagen Sie zu den Leuten, die Ihre Gutmütigkeit für naiv halten?

Marianne Sägebrecht: Das passiert mir ständig. Zum Beispiel, als ich mich für jugendliche Strafgefangene engagiert habe. Aber am Schluss waren alle Zweifler ganz baff, welches Potenzial in diesen Jugendlichen steckt.

Wer in Ihrem Leben fehlt, ist ein fester Partner, was Sie auch mit Ihrer Figur in den „Pettersson und Findus“-Filmen gemeinsam haben. Vermissen Sie das nicht?

Marianne Sägebrecht: Die Ähnlichkeiten gibt es tatsächlich, aber ich mag das Alleinsein. Diese Frau empfindet zwar etwas für ihren Nachbarn Pettersson, doch sie bleiben Freunde, kommen nicht als Liebespaar zusammen. Sie will ihm einfach nicht auf die Pelle gehen, und das finde ich toll. Eine Freundschaft zwischen Mann und Frau, die ohne Sex auf der platonischen Ebene abläuft, ist total wertvoll.

Deshalb hält sie auch so lange. Das Entscheidende ist die Kommunikation mit den Menschen und ganz speziell unseren Nachbarn. Und dafür ist es wichtig, dass wir nicht so auftreten, als hätten wir die Weisheit mit dem Löffel gefressen gegessen. Deshalb sollten wir ihnen erst einmal zuhören.