Paris. Die Pariser nennen ihn „Spiderman“, Macron bürgerte ihn eilig ein. Ein Mann aus Mali rettete einen kleinen Jungen und wird zum Held.

„Es war atemberaubend, unglaublich“, erzählt Samuel. Der Student ist einer der Augenzeugen gewesen, die am Samstagabend im 18. Pariser Arrondissement der spektakulären Rettung eines vierjährigen Jungen beiwohnte. Der Kleine baumelte hilflos an der Außenseite einer Balkonbrüstung seines Wohnhauses und drohte vier Stockwerke in die Tiefe zu stürzen.

Während ein durch die Rufe entsetzter Passanten aufgeschrecktes und sich über das Abtrenngitter des Nachbarbalkons lehnendes Ehepaar vergeblich versucht, die Hände des Jungen zu ergreifen, entschließt sich unten auf der Straße ein athletisch gebauter Mann zum Handeln.

Kurz entschlossen erklimmt er die Fassade des Hauses, hangelt sich von Balkon zu Balkon nach oben, erreicht das weinende Kind und zieht es über die Brüstung zurück auf festen Boden. Mit Handys aufgezeichnete Videos seiner waghalsigen und in weniger als einer Minute absolvierten Klettertour wurden in den sozialen Netzwerken inzwischen mehrere Millionen Mal aufgerufen, so dass es nahezu keinen Franzosen gibt, der den kurzen Clip nicht gesehen haben dürfte.

„Spiderman kann sich was abschneiden“

„Allein beim Zuschauen ist mir schwindelig geworden“, erklärt Ghislaine, die in dem gleichen Wohnhaus lebt und gerade vom Einkaufen nach Hause kam. Und Samuel fügt hinzu: „Ich halte mich für ausgesprochen sportlich, aber so etwas würde ich mich nie trauen. Von dem Typ kann sich sogar Spiderman noch eine Scheibe abschneiden.“

Präsident Emmanuel Macron mit Mamoudou Gassama.
Präsident Emmanuel Macron mit Mamoudou Gassama. © dpa | Thibault Camus

Polizei und Feuerwehr, die von den Passanten sofort herbeigerufen wurden, treffen erst ein, als alles vorüber ist. Sie kümmern sich um den kleinen Jungen, der von einem abgerissenen Fingernagel abgesehen keinen Schaden erlitten hat. Und um seinen Retter, den 22-jährigen Malier Mamoudou Gassama, der sich bei der Aktion einige Hautabschürfungen zugezogen hat.

Vater festgenommen, Kind in Obhut des Jugendamts

Eigentlich hätte Gassama festgenommen werden müssen, denn er hält sich seit rund sechs Monaten illegal in Frankreich auf. Davon kann unter den gegebenen Umständen natürlich keine Rede sein. Stattdessen nehmen die Polizisten den Vater des Jungen fest, weil er seinen Sohn unbeaufsichtigt allein ließ. Der Junge wurde dem Jugendamt anvertraut.

„Ich habe die Leute schreien gehört und habe nachgesehen, ob jemand Hilfe braucht“, erzählt Gassama am Sonntag, als er in den sozialen Netzwerken bereits als „Held“ oder „Spiderman“ des 18. Arrondissements gefeiert wird: „Ich habe nicht groß nachgedacht, bin an der Fassade hochgesprungen, habe einen Balkon zu fassen gekriegt und bin dann einfach immer weiter nach oben geklettert. Allah sei Dank, ich habe den Jungen retten können.“

Dafür dankte dem Flüchtling aus Westafrika nicht nur die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo persönlich, die seine „heroische Tat als ein Vorbild für alle Bürger“ würdigt und ihm die Hilfe der Stadt zusagt bei seinen Bemühungen, sich in Frankreich ein neues Leben aufzubauen.

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Job und Einbürgerung in die Wege geleitet

Das tat auch Präsident Emmanuel Macron, der den jungen Mann am Montag im Elysée-Palast empfing. Wobei es das Staatsoberhaupt nicht bei warmen Worten beließ. Nachdem er Gassama mit der „Nationalen Ehrenmedaille für Zivilcourage und Selbstlosigkeit“ ausgezeichnet hat, kündigt Macron an, ein sofortiges Einbürgerungsverfahren einzuleiten. Außerdem verspricht der Präsident dafür zu sorgen, dass der Malier seinen Traum, Feuerwehrmann in Paris zu werden, verwirklichen kann.

Ende gut, alles gut – jedenfalls für den Spiderman des 18. Arrondissements und den kleinen Jungen, dessen Leben Gassama rettete. Für den Vater des von Gassama geretteten Jungen nicht. Er sitzt wegen der Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht in Untersuchungshaft. Sollte er vor Gericht gestellt und verurteilt werden, drohen ihm bis zu zwei Jahre Gefängnis und 30.000 Euro Geldstrafe.