Deggendorf. Ein Arzt gibt tiefe Einblicke in seine Arbeit mit Flüchtlingen. Nach drei Jahren gibt er jetzt auf. Dabei war 2015 noch alles anders.

Vor zwei Jahren sei das alles noch anders gewesen, sagt der Arzt. Die Flüchtlinge, die 2015 den Weg zu großen Teilen über die Balkanroute gekommen waren, hätten seine Anweisungen akzeptiert. Sie seien dankbar gewesen, schildert der Mediziner, der seinen Namen nicht preisgeben will, in der „Zeit“ (Bezahlinhalt).

Er will seinen Namen nicht nennen, weil ihm dann genau so viel Unmut entgegenschlagen würde, wie es den Betreibern der Essener Tafel passierte, die vor ein paar Monaten Ausländern die Ausgabe verwehrte. Inzwischen nimmt die Tafel wieder Ausländer auf.

Der Mann ist Arzt in einem Transitzentrum für Flüchtlinge im bayerischen Deggendorf. Er erzählt, dass die Zeit, in der seine Arbeit von den Asylbewerbern respektiert wurde, vorbei sei. Viele seiner Patienten bezeichnet er als „Medizintouristen“, die in einer Sprechstunde auch schon mal Viagra fordern – und dann wütend werden, wenn sie das Medikament nicht bekommen.

Arzt schildert seine Eindrücke

Der Arzt teilt seine Patienten in mehrere Gruppen ein: Da sind die, die mit gewöhnlichen Beschwerden wie Husten oder Verstopfung seine Hilfe aufsuchen. Und dann gibt es die, meist junge Männer, die mit angeblich heftigen Schmerzen, „serious pain“, wie sie sagen, vorstellig werden. Und dann sind da noch die, die teuren Zahnersatz oder Massagen fordern.

Dabei gibt es für nicht anerkannte Asylbewerber nur Hilfe für Akutkrankheiten oder bei Schmerzen.

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    Der Arzt erzählt in der „Zeit“, dass sich an einem Abend von 41 Patienten nur einer bedankt hätte. Er hat den Verdacht, dass viele Asylbewerber, vor allem aus Aserbaidschan, extra nach Deutschland kommen, um sich behandeln zu lassen. Dabei wissen sie offenbar auch, dass die deutschen Behörden bei der Bearbeitung der Asylanträge langsam sind.

    Er habe erfahren, dass Aserbaidschaner mit dem Flugzeug in ein Schengenland wie Lettland oder Litauen einreisen, um den Bus nach Deutschland zu nehmen, wo sie dann Asyl beantragen würden. Die Wartzeit nutzen sie dem Bericht zufolge für Behandlungen.

    „Es reicht“

    Selbst wenn entschieden wurde, dass sie nicht bleiben dürfen, werden sie nicht abgeschoben– und er muss sich weiter um sie kümmern. Das sorge dafür, dass die, die Hilfe wirklich brauchen, diese nicht bekommen. Und dass die Aggressionen steigen. Kürzlich wurde er von einem Mann bedroht: Erst habe dieser mit der Faust auf den Tisch gehauen, dann sei er mit einem Messer wiedergekommen.

    Gegenüber „Bild“ sagte der zuständige Landrat Christian Bernreiter, dass er von der Geschichte gehört habe. Und wenn das stimmt, was ich nicht im Einzelfall prüfen kann, ist die Kritik des Arztes natürlich gerechtfertigt. Unser Staat kann nicht alles zahlen!“

    Dabei ist der Mediziner alles andere als ein „Fremdenfeind“, wie er sagt. 2015, als Zehntausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, habe er gerne geholfen – auch wenn er oft nur wenige Stunden Schlaf bekam, keinen Urlaub machen konnte. Doch die Menschen seien damals dankbarer gewesen. Und sie hatten die Hilfe wirklich nötig.

    Er schildert seine Eindrücke von damals so: „Bis aufs Fleisch wund gelaufene Füße, Beine voller Granatsplitter, Kinder in kachektischem Zustand, also ausgelaugt und abgemagert.“

    Nach drei Jahren in der Einrichtung gebe der Arzt jetzt auf. Er fühle sich im Stich gelassen – von der Politik. „Es reicht“, sagt er.