Berlin. Bald beginnt die re:publica. Ihre Direktorin Jeannine Koch spricht im Interview über die Ziele von Europas größter Digital-Konferenz.

Die nächste Medienkonferenz re:publica in Berlin (2. bis 4. Mai) steht unmittelbar bevor. Jeannine Koch ist ihr seit acht Jahren treu – erst als Volunteer, nun als ihre neue Direktorin. Bevor sie zur re:publica kam, war sie Marketing-Chefin bei der Internationalen Gartenausstellung (IGA). Zwei große Events, zwei völlig verschiedene Publika.

Warum ihre Wurzeln bei der re:publica liegen, was sich verändert hat und ob sich die Konferenz für ein breiteres Publikum öffnen könnte, verrät sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Was steckt hinter dem neuen Motto, POP?

Jeannine Koch: Es bedeutet Power of People. Wir wollen den Begriff „POP“ aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Da steckt Popkultur genauso drin wie Populismus. Das Thema Digitalisierung ist im Mainstream angekommen und ist von daher gesellschaftsfähig geworden. Gleichzeitig steht das Motto aber auch für den englischen Begriff „to pop“, also „zerplatzen“.

Und wir wollen mit unseren TeilnehmerInnen auf aktuelle Lebensrealitäten gucken und Filterblasen, die unter anderem auch durch neue Technologien entstehen, zum Platzen bringen – um den Menschen ihre Power zurückzugeben.

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    Sie sollen in der Lage sein, selbst zu entscheiden: Welche Informationen hole ich mir? Woher kommen diese? Aus welcher Quelle? Sind sie verifiziert? Kann ich ihnen vertrauen? Einfach auch, um zu verstehen, dass soziale Medien auch Medienunternehmen sind.

    2010 haben Sie Ihre Diplomarbeit zum Thema Umgang mit privaten Daten am Beispiel Facebook geschrieben. Wie sehen Sie die aktuelle Debatte? Müssen die Nutzer von sozialen Netzwerken mehr Macht über ihre Daten zurückbekommen?

    Koch: Absolut. Ich finde die Souveränität über seine eigenen Daten zu behalten, ist das A und O – und eine schöne Utopie. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem das Ganze nicht mehr für jeden überschaubar ist.

    Zu dem Zeitpunkt, als ich meine Abschlussarbeit geschrieben habe, war gerade die Hochzeit der Privacy-Umstellungen bei Facebook. Da wusste ich, es gibt dieses Rädchen, da kann ich einstellen, wer meine Fotos sehen darf und so weiter und so fort.

    Jeannine Koch ist die neue Direktorin der re:publica.
    Jeannine Koch ist die neue Direktorin der re:publica. © Pako Quijada | Pako Quijada

    Und inzwischen benötigt man schon erweiterte Kenntnisse, um sich durch den Dschungel der Dateneinstellungen zu kämpfen. Man fragt sich bisweilen, wer eigentlich zum Beispiel alles meine Bilder sehen kann, auf denen ich vertagged worden bin, weil zum Teil nicht mehr deutlich wird, welche der Privacy-Einstellungen eigentlich die Souveränen sind, meine oder die des „Vertaggers“.

    Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, Ihr Facebook-Konto zu löschen?

    Koch: Total oft. Fakt ist, ich hatte und habe so viel beruflich mit Social Media zu tun, dass sich die Frage gar nicht stellte. Nichtsdestotrotz muss ich ja wissen, was passiert und eine Meinung dazu entwickeln. Aber ich muss nicht mehr jedes einzelne Rad selber drehen.

    Die Besucherzahlen der re:publica steigen stetig. Ist in Planung, auch die Konferenz an sich mehr für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

    Koch: Wir sind jetzt im zwölften Jahr, das ist eine wahnsinnige Leistung. Angefangen hat die re:publica 2007 als Bloggerkonferenz mit 700 TeilnehmerInnen. Letztes Jahr waren es bereits 9000 TeilnehmerInnen – das ist schon ein ganz schön breite Öffentlichkeit.

    Es ist auch dieses Klassenfahrt-Feeling, was andererseits den Charme auf der re:publica ausmacht. Da stehen Leute auf dem Hof, die waren vor zwölf Jahren auch schon da, bringen jetzt ihre Kinder und ihre Kumpels mit, das ist total schön und in der Form wächst die Veranstaltung dann eben schon.

    Thematisch wiederum öffnen wir uns ja jedes Jahr aufs Neue, einfach, weil wir uns gesellschaftlichen Entwicklungen annähern. Aber, dass wir jetzt sagen, wir machen re:publica für alle, das würde vermutlich nicht funktionieren, weil wir ja nicht alle auf dem gleichen Wissensstand sind.

    Gibt es trotzdem noch Aspekte, die es bei der re:publica zu verbessern gilt?

    Koch: Es wäre vermessen zu sagen, dass es sie nicht gibt. Es gibt immer Verbesserungspotenzial, da schauen wir stets über den Tellerrand und reagieren auf Entwicklungen, wie zum Beispiel beim Thema Diversity, darunter zählen ja auch Gender Balance, die Herkunftsländer der TeilnehmerInnen und People of Colour.

    Inwiefern funktioniert das schon gut: Wie divers ist die re:publica?

    Koch: Inzwischen total divers. Wir haben in diesem Jahr ungefähr 15 Prozent People of Colour bei uns auf der Bühne, was super ist. Im letzten Jahr hatten wir 47 Prozent weibliche Speaker und werden das in diesem Jahr wahrscheinlich noch steigern. Unser großer Wunsch mit 50/50 ist immer schwierig, aber wir sind auf einem sehr guten Weg.

    Außerdem fragen wir explizit bei Panel-Bewerbern ab, ob 50 Prozent Frauen auf der Bühne vertreten sein werden. Wenn das nicht gewährleistet werden kann, aus welchen Gründen auch immer, müssen sie eben eine andere Diversität auf die Bühne bringen.

    Dieses Interview ist zuerst auf futurezone.de erschienen – Das neue Tech-News-Portal der Funke Mediengruppe.