Dresden. Ein Polizist gesteht, die Leiche eines Mannes aus Hannover zerstückelt zu haben. Er wird wegen Mordes verurteilt. Nun muss er abermals vor Gericht.

Als der Geschäftsmann aus Hannover im November 2013 nach Sachsen fährt, ist es seine letzte Reise. Schon seit seiner Jugend hat Wojciech S. nach Angaben aus seinem Umfeld die makabre Fantasie, sich „schlachten“ zu lassen. Auf einer Kannibalismus-Seite im Internet war der 59-Jährige auf den Kriminalbeamten Detlev G. gestoßen: Der träumt seinerseits davon, eine Leiche zu zerstückeln. Er holt den Gast vom Bahnhof ab und fährt mit ihm in seine Pension im Gimmlitztal im Erzgebirge. Kurz darauf ist Wojciech S. tot. Detlev G. zerlegt die Leiche und vergräbt sie im Garten hinter dem Haus. Die Zerstücklung gesteht er – mehr nicht.

Rund vier Jahre ist es her, dass der grausige Fall bekannt wurde. Am Mittwoch (21. Februar) soll der Prozess gegen den vom Dienst suspendierten Beamten des Landeskriminalamts (LKA) neu aufgerollt werden – zum zweiten Mal vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Neben der Frage, ob der Polizist mit dem bizarren Doppelleben den Mann aus Niedersachsen auch getötet hat, geht es bei den vom 5. Strafsenat in Leipzig zu verhandelnden Revisionen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erneut auch um das Strafmaß.

Ende 2016 hatte das Landgericht Dresden Detlev G. in einem zweiten Prozess wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu acht Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängten sie wie schon in der ersten Verhandlung nicht.

Die Richter waren zwar überzeugt, dass der ehemalige Polizist Wojciech S. auch getötet hat. Sie sahen in dem unbedingten Todeswunsch des Opfers jedoch einen außergewöhnlichen Umstand und distanzierten sich von dem bei Mord üblichen „lebenslang“. Damit würden sie Rechtsgeschichte schreiben. Nun aber muss der BGH erneut prüfen, ob die angewandte „Rechtsfolgenlösung“ richtig ist, erklärte Lorenz Haase von der Staatsanwaltschaft Dresden. „Das erscheint zumindest fraglich.“

Der Hintergrund: In den 1980er Jahren hat der BGH entschieden, dass bei Mord eine geringere Strafe als „lebenslang“ möglich ist – und zwar beim Merkmal Heimtücke. „Für Mord zur Ermöglichung einer anderen Straftat und Befriedigung des Geschlechtstriebs ist das bisher nicht entschieden“, sagte Haase.

„Lebenslang für Mord ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte der Verteidiger von G.. In dem Pensionskeller sei nichts geschehen, was der Andere nicht gewollt habe. Sein Mandant habe stets betont, nur einen der Wünsche des Geschäftsmannes, den er in einem Kannibalen-Forum im Internet kennengelernt hatte, erfüllt zu haben.

Der BGH kann den spektakulären Kriminalfall nun entscheiden – oder zur erneuten Verhandlung zurück verweisen – wohl diesmal an ein anderes Landgericht.

Der Mordparagraf ist seit Jahren umstritten. Die vom geschäftsführenden Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) angestrebte Reform, mit der das Dogma der lebenslangen Haft für Mörder fallen könnte, blieb bisher aus. Die Koalition hat sich nach Angaben eines Ministeriumssprechers nicht auf den Referentenentwurf einigen können. Mit Ablauf der Legislaturperiode sei er nun gegenstandslos. dpa