Berlin. Die Wirksamkeit von Homöopathie ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Nun hält eine Studie auch noch fest: Sie führt zu höheren Kosten.

Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Christian Lübbers staunte am Jahresanfang 2017 nicht schlecht: Im bayerischen Weilheim holte er einen Eiterbrei mit zehn Globuli-Kügelchen aus dem Gehörgang eines vierjährigen Mädchens. Die Eltern hatten dem Kind die Kugeln ins Ohr gesteckt, statt sie einzunehmen.

Eine neue Studie zeigt jetzt: Der Einsatz von Homöopathie führt nicht nur zu seltsamen Missverständnissen bei der Anwendung, sondern auch zu höheren Kosten im Vergleich zu Schulmedizin.

Schulmedizin um 2000 Euro günstiger

Wissenschaftler der Berliner Charité haben die anonymisierten Abrechnungsdaten von fast 44.000 Versicherten der Techniker Krankenkasse ausgewertet. Wenn sich Versicherte in ein Programm einschreiben, werden ihnen auch homöopathische Behandlungen bei entsprechend weitergebildeten Ärzten bezahlt. Und das kam sowohl die Techniker Krankenkasse und ihre Versicherten, als auch die Volkswirtschaft teurer, ergab die Studie, die die Autoren nun in einem Beitrag für die Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht haben.

Über den Zeitraum von 33 Monaten machte das im Mittel fast 2000 Euro höhere Kosten aus, darin enthalten sind rund 800 Euro mehr für die Gesellschaft durch durchschnittlich 3,3 zusätzliche Fehltage im Job.

Studienautoren für mehr Zeit in der Schulmedizin

Die Gesundheitsökonomen vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité wollen ihre Ergebnisse aber nicht als Appell an Versicherungen verstanden wissen, Kosten der Homöopathie nicht mehr zu übernehmen. Ihnen geht es eher um die Frage, ob sich mögliche Vorzüge der homöopathischen Behandlung in die Schulmedizin integrieren lassen. „Unsere Studie beleuchtet wirklich nur die Kostenseite“, erläutert Dr. Thomas Reinhold, Leiter des Projektbereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung an der Charité.

Nötig sei eine Diskussion, warum Patienten diese Therapie wünschen und häufig damit zufrieden seien. Da etwa die Globuli keinen nachgewiesenen Effekt hätten, liege das wohl an der zusätzlichen Zeit, die Homöopathen aufbringen könnten, vermuten die Mediziner. Nur bei der Versorgung mit Homöopathie wird Ärzten einmal jährlich ein einstündiges Gespräch vergütet und dazu quartalsweise ein halbstündiges sowie zwei weitere 15-minütige.

Reinhold sagte unserer Redaktion, es sollte stärker darum gehen, Schulmedizinern mehr Möglichkeit zum Gespräch zu geben: „Die Koppelung an ein Glaubenskonzept wie die Homöopathie wäre damit obsolet.“

Andere Studien hatten Kostenvorteil gesehen

Höhere Kosten hatten die Wissenschaftler bereits für den Zeitraum der ersten 18 Monate des Programms nachgewiesen. Nun haben Reinhold, Julia Ostermann und Claudia M. Witt der Studie zufolge Zweifel daran ausgeräumt, ob der Effekt weiter besteht. Die Kosten liegen laut Studie auch nach 33 Monaten höher, und der Abstand verringert sich nicht mehr. Ihr Ergebnis widerspricht damit Studien mit kleinerer Datenbasis und über kürzere Zeiträume, die zum Teil sogar einen Kostenvorteil für die Homöopathie ergeben hatten.

Verglichen wurden bei der Studie zwei Gruppen, die sich von Alter, Frauenanteil und Gesundheitskosten vor Start des Homöopathieprogramms nur minimal unterschieden. Zu den rund 22.000 Nutzern der „komplementärmedizinischen Angebote“ waren in gleicher Zahl passende Versicherte gesucht worden, die nicht dort eingeschrieben sind. Bei den Homöopathiegruppe liefen in dem Zeitraum im Mittel Kosten von 12.414 Euro auf, bei der Kontrollgruppe lagen sie bei 10.429 Euro. Höhere Kosten ergaben sich demnach bei allen Diagnosen.

Patienten wählten immer seltener Homöopathie

Die Forscher können nicht ausschließen, dass dabei auch noch andere Effekte eine Rolle spielen, zu denen die Daten keine Informationen liefern: Die Gruppe der Menschen, die sich für Homöopathie entschieden haben, könnte im Mittel etwa gesundheitsbewusster sein – oder auch gerade nicht.

Deutlich wurde auch, dass der Anteil der Patienten, die homöopathische Behandlung in Anspruch nahmen, über den Zeitraum deutlich zurückging. Gegen Ende des Beobachtungszeitraums ließ sich nur noch jeder Fünfte aus der Gruppe so behandeln.

TK löste mit Tweet Shitstorm aus

Die Techniker Krankenkasse selbst hatte im Frühjahr mit einem unüberlegten Tweet eine Diskussion über Wert der Homöopathie ausgelöst. Nach Kritik an der Kostenübernahme hatte die Kasse einen Twitterer aufgefordert, er solle die Nicht-Wirksamkeit belegen. Das ist allerdings ein wissenschaftlich völlig unübliches Vorgehen. Eine Erwiderung darauf lautete: „Können Sie mir eine wissenschaftliche Studie zeigen, dass keine unsichtbare Teekanne um die Erde kreist?“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Krankenkasse entschuldigte sich umgehend und sprach vom Fehler eines Mitarbeiters. Die Kasse unterstrich, dass nur Behandlungen bei homöopathischen Ärzten bezahlt werden, nicht aber bei Heilpraktikern. Versicherte kritisierten aber, mit ihren Beiträgen „Esoterik“ mitfinanzieren zu müssen. Die Kasse musste sich auch vielfach fragen lassen, wieso sie „Zauberzucker“ bezahle, aber keine Sehhilfen erstatte.