Berlin. Lange durften schwule und bisexuelle Männer kein Blut spenden. Das soll sich jetzt ändern. Wir erklären, was die neuen Regeln heißen.

Nach der Ehe für alle jetzt also die Blutspende für alle: Neue Richtlinien, die die Bundesärztekammer am Montag vorgestellt hat, erlauben zum ersten Mal, dass auch Männer, die mit anderen Männern Sex haben, Blut spenden.

Ganz so einfach wie bei Hetero-Männern ist die Sache allerdings noch nicht. Wir erklären die neuen Regeln:

Was ist die wichtigste Änderung?

Männer, die mit Männern Sex haben – MSM, wie die Bundesärztekammer diese Gruppe abkürzt – dürfen jetzt Blut spenden. Bisher war das nicht erlaubt. Auch jetzt sind diese Männer aber erst dann zur Spende zugelassen, wenn sie 12 Monate keinen Sex mit Männern gehabt haben.

Sind schwule und bisexuelle Männer die einzigen, die zurückgestellt werden?

Nein. Generell gilt die 12-Monats-Regel für alle Personen, „deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko“ bedeutet, wie es in der Richtlinie heißt. Damit gemeint sind neben Männern, die mit Männern Sex haben, auch Heterosexuelle, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben, alle Sexarbeiter und Transexuelle „mit sexuellem Risikoverhalten“.

Komplett ausgeschlossen von der Spende sind weiterhin Menschen, die Aids oder andere übertragbare Krankheiten haben. Auch wer sich zwischen 1980 und 1996 länger als sechs Monate in Großbritannien oder Nordirland aufgehalten hat, darf nicht spenden. Diese Einschränkung bezieht sich auf ein erhöhtes Risiko, BSE-versuchtes Fleisch konsumiert zu haben, das mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verantwortlich ist.

Warum diese Regelung?

Mit der 12-Monats-Regel soll das Problem des „diagnostischen Fensters“ umgangen werden. Das ist die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Moment, in dem sie sich nachweisen lässt. Wie groß das Fenster ausfällt, hängt vom Einzelfall ab. Laut Robert-Koch-Institut kann das Fenster bis zu acht Wochen betragen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2015 entschieden, dass ein Ausschluss von der Blutspende rechtmäßig sein kann. Aber, sagten die Richter damals, es müsse geprüft werden, ob es nicht geeignete Alternativen zu einem Ausschluss gebe. Das Urteil gab der Debatte um den Sinn eines dauerhaften Ausschlusses neuen Schwung.

Wie sind die Reaktionen auf die neue Regelung?

Die Bundesärztekammer ist mit der neuen Regelung zufrieden: „Mit der Richtlinie sichern wir die hochwertige Versorgung der Spender und der auf Blutprodukte angewiesenen Patienten. Gleichzeitig schafft die Richtlinie Handlungssicherheit für die behandelnden Ärzte“, sagte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Kammer, am Montag.

Die Deutsche Aids-Hilfe kritisiert die Neureglung. Zwar begrüße man die Aufhebung des kompletten Ausschlusses von der Spende. Aber die Regelung gehe nicht weit genug, sagt Vorstand Björn Beck. Eine HIV-Infektion könne man sechs Wochen nach dem letzten Sex sicher ausschließen. Die jetzige Frist von einem Jahr „schließt die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus.“ Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland rügte die neue Richtlinie.

Wie regeln das andere Länder?

Für die Rückstellung von Männern, die mit Männern Sex haben, für 12 Monate haben sich laut Ärztekammer einige EU-Länder entschieden: In Tschechien, Schweden, den Niederlanden, Irland und Frankreich gilt diese Frist, zum Teil schon seit 10 Jahren. In Spanien und Südafrika sind es nur sechs Monate, die schwule und bisexuelle Männer bis zur Spende warten müssen. In England und Schottland sollen es ab 2018 sogar nur noch drei Monate sein. (tma)