Franziskus wird 80 – Der Papst der Worte und Signale
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Lesezeit: 8 Minuten
Von Walter Bau
Berlin/Rom. Papst Franziskus wird an diesem Samstag 80 Jahre alt. Auf dem Pontifex ruhen die Hoffnungen vieler Katholiken auf einen Kurswechsel.
Er ist ein Papst auf Augenhöhe mit den Gläubigen. Franziskus hat die Umwandlung der katholischen Kirche zu seiner Mission gemacht: Raus aus dem Elfenbeinturm, ran an die Menschen. Zu seinem 80. Geburtstag am 17. Dezember, dreieinhalb Jahre nach Amtsantritt, ist noch nicht ausgemacht, ob der Pontifex damit Erfolg haben wird.
Franziskus kritisiert Regierungen und Wirtschaftsbosse, setzt sich für Flüchtlinge und Straftäter ein. Krieg und Gewalt setzt er Barmherzigkeit und Bescheidenheit entgegen. Er vertraut dabei auf die Macht der Worte und der Gesten. Manche seiner Zitate sind Leitlinien seines Pontifikats.
• „Buona sera.“
Guten Abend. So begrüßt Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 um kurz nach 20 Uhr als Papst Franziskus die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. Keine Formalien, kein Latein. Ein schlichter Gruß.
Der bescheidene Auftritt zum Start in sein Pontifikat ist typisch für die Art, wie der Jesuit aus Argentinien, der sich nach einem Bettelmönch aus dem Mittelalter nennt, sein Amt an der Spitze der Katholischen Kirche sein Pontifikat seitdem ausfüllt: zurückhaltend, genügsam, sympathisch.
Auf den „Professor Papst“ Joseph Ratzinger folgt „Bruder Franziskus“, der Papst von nebenan. Franziskus sieht sich auf Augenhöhe mit den Gläubigen. Und er spricht eine Sprache, die die Menschen verstehen.
• „Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen.“
Dieser Satz, den Franziskus schon bald nach seinem Amtsantritt vor Journalisten im Vatikan sagt, steht wie ein Motto über seinem Wirken. Bescheidenheit ist angesagt – was die Kurie schnell zu spüren bekommt. Franziskus entmachtet den einflussreichen Kardinalstaatssekretär, Tarcisio Bertone, der jahrelang im Vatikan die Strippen zog.
Seinen Kardinälen liest er gehörig die Leviten. Er wirft der behäbig-eitlen Garde der Oberhirten vor, sie würden „sich unsterblich fühlen“, litten unter „mentaler Erstarrung“ und „spirituellem Alzheimer“. Starker Tobak für die Würdenträger in den heiligen Hallen Roms.
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Der Papst fordert Demut statt Pomp. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran, wäscht Strafgefangenen an Gründonnerstag die Füße, lässt sich bei seinem Besuch in den USA in einem Fiat 500 zum Weißen Haus fahren statt in einer Staatskarosse. Das Jahr 2016 ruft er zum Jahr der Barmherzigkeit aus. Franziskus, das wird schnell nach seinem Antritt deutlich, ist ein Papst, der auch auf die Macht der Gesten setzt. Doch deren Macht ist begrenzt.
• „Als ich klein war, habe ich gedacht, dass ich einmal Metzger werde. Das hätte mir gefallen.“
Aus diesem Berufswunsch des jungen Bergoglio wird nichts. Als Sohn italienischer Einwanderer am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires geboren, studiert er stattdessen Theologie. 1958 tritt er in den Jesuitenorden ein, wird 1969 zum Priester geweiht und steigt 1998 zum Erzbischof von Buenos Aires auf. 2001 wird Bergoglio Kardinal.
Eine steile Karriere – die ihn schon 2005 beinahe in den Vatikan führt. Doch im Konklave unterliegt er dem Deutschen Joseph Ratzinger. Seine zweite Chance bekommt Bergoglio, als Ratzinger 2013 seinen Rücktritt verkündet.
• „Wir erleben die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg.“
Im April 2016 reist Franziskus nach Lesbos. Auf der griechischen Insel leben Tausende Bootsflüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen. Zuvor war der Papst bereits auf Lampedusa, wo so viele Flüchtlinge stranden – wenn sie denn die gefährliche Reise überhaupt überleben.
„Es genügt nicht, sich darauf zu beschränken, dem augenblicklichen Notfall zu begegnen, sondern es müssen weitreichende und nicht einseitige politische Pläne entwickelt werden“, legt Franziskus in Lesbos die Finger in die Wunde der westlichen Politik, die immer mehr auf Abgrenzung setzt. Als Signal nimmt er am Ende zwölf Flüchtlinge mit nach Rom. Vor dem EU-Parlament hat er schon zuvor gemahnt: „Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem Friedhof Europas wird.“
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Am Rande seines Besuchs in ehemaligen KZ Auschwitz im Juli 2016 findet Franziskus deutliche Worte für die polnische Regierung. Warschau hatte sich geweigert, Flüchtlinge aus Syrien und aus dem Irak aufzunehmen. Es sei „die Bereitschaft zur Aufnahme derer notwendig, die vor Kriegen und Hunger fliehen“.
An die polnische Bevölkerung appelliert Franziskus, „sich allen entgegenzustellen, die behaupten, es könne sich nicht ändern“. Eine kaum verklausulierte Aufforderung zum Widerstand. An der politischen Linie in Warschau ändert sie freilich nichts.
• „Ich habe mich schon dabei überrascht, dass ich bestimmten, sehr rigiden Gläubigen gewünscht habe, sie möchten doch einmal straucheln, denn dann könnten sie sich als Sünder erkennen und Jesus wirklich begegnen.“
Viele Katholiken erhofften sich alsbald nach seinem Amtsantritt von dem Papst, der so nah bei den Menschen zu sein scheint, dass er seine Kirche auf einen liberaleren Kurs führen möge. Zölibat, Frauenpriestertum, Homo-Ehe – für einen Moment scheint kein Tabu mehr unverrückbar. Doch wer solch große Hoffnungen hegt, wird enttäuscht. Eine Entwicklung, an der der Papst nicht unschuldig ist.
Papst Franziskus – Sein Leben in Bildern
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Bestes Beispiel: der Umgang der Kirche mit wieder verheirateten Geschiedenen. Sie sind von den Sakramenten ausgeschlossen, was für die Betroffenen oft ein großes Problem darstellt. Im päpstlichen Schreiben „Amoris Laetitia“ vom April 2016 heißt es, in einigen Fällen könnten diese Gläubigen die „Hilfe der Sakramente“ in Anspruch nehmen.
Seitdem ist die Verwirrung in der Amtskirche groß, was die nun konkret bedeutet. Dürfen Geschiedene, die erneut geheiratet haben, die Kommunion empfangen oder nicht? Auf ein klares Wort des Papstes warten die Geistlichen in den Kirchengemeinden bisher vergeblich.
Ähnlich diffuse Worte und Signale des Papstes gibt es in der Debatte um die Rolle der Frau in der Kirche oder um Verhütungsmittel. Dem scheinbaren Schritt nach vorn folgt alsbald der Rückzieher. Franziskus, der Zauderer.
• „Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen. Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden.“
Am Reformationstag 2016 reist Franziskus ins schwedische Lund zum Lutherischen Weltbund, um gemeinsam mit den Protestanten das Jahr Martin Luthers einzuläuten. Ein historischer Besuch, ohne Zweifel. Wieder solch eine Geste des Pontifex.
Doch auch unter Franziskus kommt die Ökumene nicht wirklich voran. Seinen Signalen der Annäherung, wie in Lund die herzliche Umarmung mit Martin Junge, dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, folgen keine Taten.
• „Ich habe das Gefühl, dass der Herr mich für eine kurze Sache eingesetzt hat. Es ist aber nur ein Gefühl.“
Als Jorge Mario Bergoglio an jenem Märzabend auf der Loggia des Vatikans sein Amt als 266. Papst in der Geschichte antrat, war der damals 76-Jährige der vielleicht älteste Erneuerer, den die katholische Kirche je erlebt hat. Franziskus hat seitdem manches angestoßen – etwa die Erneuerung der Kurie. Dass allzu große Hoffnungen enttäuscht wurden, war unvermeidlich.
Der Mann aus Lateinamerika ist nicht der Revoluzzer im Papstamt, den viele Katholiken in ihm sehen wollten. Sein Verdienst ist es, die oft abgehobene Amtskirche in der kurzen Zeit seines Pontifikats wieder geerdet zu haben. Franziskus hat mit seinen Worten und Signalen die Kirchentür für die Gläubigen wieder ein Stück weiter geöffnet.