Peine. Peiner Politiker äußern sich zum Ende des Inklusionsprojekts an der Eichendorffschule.

Eine Klassenassistenz für jede Grundschulklasse – mindestens 5200 Personen aus Niedersachsen stehen hinter dieser Idee. Innerhalb weniger Wochen fand eine Petition an den Landtag zahlreiche Unterzeichner, nun muss sich der Petitionsausschuss mit dem Thema befassen. In Peine, einer der Pilotregionen, stößt das Thema auf geteilte Meinungen.

Seit 2016 sitzt in jeder Klasse der Peiner Eichendorffschule ein weiterer Erwachsener: Die Klassenassistentinnen begleiten den Unterricht, haben einen besonderen Blick auf Schüler und Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten und kümmern sich um diejenigen, die ein akutes Problem haben. Der Unterricht läuft weiter. Als Pilotprojekt war der Einsatz zunächst bis 2020 geplant, nach zwei Verlängerungen ist in diesem Sommer Schluss.

Viele stehen hinter der Idee

Der Vorsitzende des Schulelternrates, Hauke Mattern, bewertet das Projekt als Erfolg: Viele der 350 Kinder an der Grundschule sprechen Deutsch als Zweit- oder Drittsprache, manche lernen es erst an der Schule. Dazu komme teilweise sonderpädagogischer Betreuungsbedarf durch Lern- und Entwicklungsstörungen. Vor dem Projekt sei es daher nicht ungewöhnlich gewesen, dass in jeder Klasse mehrere Integrationskräfte saßen und sich um das ihnen zugewiesene Kind kümmerten – ein Unruhefaktor, der zudem einzelne Kinder stigmatisiere. Die Einstellung des Assistenzprojekts zum kommenden Schuljahr kritisiert er daher (wir berichteten).

An der Gifhorner Grundschule Am Lerchenberg in Wesendorf, Landkreis Gifhorn, lief ebenfalls ein Klassenassistenz-Projekt. Deren Schulleiter, Jörg Bratz, steht ebenfalls hinter der Idee. Als Vorsitzender des LNGS e.V., einem Verband der Leitungen Niedersächsischer Grundschulen, hat er mit seinen Mitstreitenden eine Petition an den Landtag gerichtet. Das Ziel: Jeder Grundschulklasse in Niedersachsen eine Klassenassistenz zu ermöglichen. 5000 Unterzeichner sind notwendig, um angehört zu werden. Ein Ziel, dass der Verein nach eigenen Angaben übertroffen hat, es fanden sich mehr als 5200 Unterstützer.

Finanzielle Unterstützung endet

Auch Julius Schneider, Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Peine, bewertet das Pilotprojekt an der Eichendorff-Schule auf die Nachfrage unserer Redaktion als Erfolg. Allerdings, räumt er ein, sieht er keine Möglichkeit die Klassenassistenz auf alle Schulen in ganz Niedersachsen auszuweiten. Weder finanziell noch personell könne es flächendeckend übertragen werden. „Trotzdem werbe ich innerhalb unserer Fraktion regelmäßig für entsprechende Modelle. Gerade wenn es an einer Schule mehr Einzelfallhelfer als Klassen gibt, drängt es sich ja gerade zu auf“, so der SPD-Mann. Zudem könne es durch den individuellen Anspruch auf einen Einzelfallhelfer zu rechtlichen Problemen kommen. Diese werden durch andere Stellen finanziert, als Klassenassistenten. „Hier muss eine Lösung zwischen Bund und Land gefunden werden, um sowohl den Kindern gerecht zu werden, die auf ihre individuelle Assistenz nicht verzichten können, als auch den Klassen, wo eine Klassenassistenz sinnvoller wäre.“

Das die Finanzierung einer der Knackpunkte ist, weiß auch Christoph Plett von der CDU. Bereits im Mai 2022 wandte er sich an den damaligen Niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonnemit der Bitte um Prüfung, ob das laufende Klassenassistenz-Projekt an der Eichendorffschule durch das Land gefördert werden kann. Die Antwort aus dem Ministerium lässt sich knapp mit Nein zusammenfassen: Ein Förderung durch Landesmittel gibt es nur für Vorhaben, die noch nicht begonnen worden sind. Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung Braunschweig habe aber seine Bereitschaft erklärt, bei der Weiterentwicklung und der Ausdehnung des Projekts auf weitere Schulen mit seinem vielfältigen Beratungsangebot unterstützend mitzuwirken. „Das Kultusministerium bleibt aufgefordert, das Projekt der Klassenassistenz an einer Schule wieder aufzunehmen und es wissenschaftlich bewerten zu lassen, ob die Hilfe für Lehrerinnen und Lehrer durch die Klassenassistenz in der Zukunft sinnvoll ist. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Klassenassistenzen nicht an jeder Grundschule notwendig sind, sondern nur dort, wo zum Beispiel viele Flüchtlingskinder oder Kinder mit Migrationshintergrund beschult werden“, so Plett.

Eltern aktivieren und Kontakte schaffen

Als Alternative zur Klassenassistenz soll ab dem Schuljahr 2023/24 in Peine, nach Beschluss des Jugendhilfeausschusses des Kreistages, die sogenannte inklusive Bildungslandschaft starten. An vier Grundschulen im Stadtgebiet, darunter die Eichendorffschule, sollen unter anderem Ansprechpartner aus dem Bereich der Jugendhilfe als Brücke zwischen Schule, Eltern und Jugendamt fungieren. Dazu gehört die Etablierung von Angebotenwie Elterncafés, Gruppenangebote oder Patenschaften. Laut einem Bericht des Instituts für Sozialpädagogische Forschung aus Mainz, das die Eichendorffschule ab 2020 wissenschaftlich begleitete, bestehe weiterhin die Möglichkeit, dass eine Fachkraft mehrere Kinder unterstützen kann.

Plett kündigt an, dass die CDU-Kreistagsfraktion eine Anfrage stellen wird, wie mit dem Beschluss des Ausschusses in Zukunft umgegangen wird. „Der Vorteil gegenüber den Schulbegleitern ist, dass die Klassenassistenzen nicht einem bestimmten Schüler zugeordnet sind, sondern sie sind in der Lage, den Lehrerinnen und Lehrern auch bei mehr als einem Schülern zu helfen.“

Bratz traf sich als LNGS-Vorsitzender mit der Kultusministerin Julia Willie Hamburg. Die signalisierte, das sie das Gespräch mit dem zuständigen Sozialministerium suchen würde. Die Eichendorffschule selbst äußert sich nicht zu der Thematik. Lara Salgueiro, kommissarische Konrektorin, verwies darauf, dass sich Landesbedienstete nicht zum Projekt äußern dürfen.