Wolfsburg. Ein 18-Jähriger versuchte seinen besten Freund und seine Freundin zu erstechen. Das Landgericht schickt den Täter in die Psychiatrie.

Die Meinungen, wie der Doppelmordversuch von Vorsfelde juristisch zu bewerten sei, gingen in den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage auf der einen Seite und Verteidigung auf der anderen Seite weit auseinander. War es eine heimtückische, gar geplante Tat und muss der Angeklagte dafür mehrere Jahre in Jugendhaft? Oder handelte er im Wahn? Mehrere Stunden zog sich die 2. große Strafkammer zu Beratungen zurück, ehe Donnerstagnachmittag das Urteil verkündet wurde.

Therapie statt Jugendhaft

Die Kammer folgte in ihren Feststellungen in wesentlichen Punkten dem Plädoyer des Verteidigers Karsten Krause. Wie von ihm gefordert und von der psychiatrischen Sachverständigen empfohlen, wird der Angeklagte im Maßregelvollzug, also in der geschlossenen Psychiatrie, untergebracht. Das bedeutet: zeitlich zunächst unbegrenzt. Er wird therapiert, solange bis Gutachter befinden, dass er als gesund entlassen werden kann.

Ein Motiv erkannte die Kammer bei dem jungen Angeklagten nicht. Vielmehr beging er infolge „seines krankhaften seelischen Zustandes und im Zustand der Schuldunfähigkeit er die Messerattacke“, stellte die vorsitzende Richterin Dr. Uta Inse Engemann fest.

Schlaftabletten gab es gar nicht

Der Angeklagte hatte in der Tatnacht am 19. November eine Party bei sich daheim veranstaltet. Mit dabei war auch sein bester Freund (18) und dessen Freundin (13). Als beide spätnachts schliefen, attackierte er das Paar mit dem Jagdmesser seines Vaters. Das war eine heimtückische Tat, die Opfer wurden schwer verletzt, er hatte ihren Tod in Kauf genommen, so Engemann.

War das denn auch eine von langer Hand geplante Tat? Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklage den Anschein erweckt, der Täter habe die Opfer und Zeugen mit Schlaftabletten versetzte Getränke angeboten - um sie zu betäuben? Das mit den Tabletten war wohl nur ein Scherz des Angeklagten. Es handelte sich um ein Abführmittel.

Der 18-Jährige gilt weiterhin als gefährlich

Auch bei einem weiteren wichtigen Punkt schossen die Anklägerin in ihrem Plädoyer über das hinaus, was festzustellen war. So wurde als Motiv für die Tat konstruiert, der Angeklagte hätte die Freundin seines Freundes „gehasst“ und wollte sie deshalb töten. Tatsächlich waren der Angeklagte und das Mädchen zwar nicht so dicke Freunde, aber eben auch Teil einer Clique, die sich regelmäßig freundschaftlich traf.

Der Angeklagte litt seit der Trennung von seiner Freundin Anfang 2022 unter psychischen Problemen, die sich in Aggressionen mündeten und immer mehr das Leben seiner Familie belastete. Ein Psychologe, den die Familie beauftragt hatte, warnte schon nach den ersten Gesprächen mit dem 18-Jährigen in einem Gutachten vor selbst- und fremdgefährdendem Verhalten. Auch die Gutachterin hatte dem Angeklagten attestiert, dass er weiterhin als gefährlich für die Allgemeinheit gilt. Dem schloss sich die Kammer an.

Der Angeklagte soll bereits am Freitag in ein Maßregelvollzugszentrum überstellt werden.

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