Gifhorn. Der Gifhorner Volker Schlag setzt mit Musik ein Zeichen für eine tolerante Gesellschaft. Er ist Kandidat des Zuversichts-Preises.

Volker Schlag sitzt in seinem kleinen Heiligtum – vor dem Mischpult in seinem Studio unter dem Dach des Gifhorner Kultbahnhofs. Er trägt eine Schiebermütze, weißes Shirt, dunkles Hemd, eine hellbraune Hose und Lederstiefel. Um Ihn herum stehen Gitarren – akustische, halbakustische und E-Gitarren, dazu ein Kontrabass, Bassgitarren, Keyboards, Schlagzeug und ein großes Sofa. „Die gesammelten Werke der vergangenen 40 Jahre“, sagt der 55-Jährige mit einem Lächeln. Nur seine allererste Gitarre, die hat ihren Ehrenplatz zu Hause. Gekauft hat er sie vom Azubilohn, 290 Mark also rund 150 Euro, während seiner Lehre als Elektriker bei einer alteingesessenen Gifhorner Elektrofirma.

Im Mai 1985 erstes Konzert mit den Hounddogs in Wolfsburg-Ehmen

Schlag erzählt von seinem neuen Projekt. An einer Wolfsburger Grundschule bringt er Viertklässlern eine neue Art von Musikunterricht nah, vermittelt ihnen, wozu Musik gut ist, was Musik kann und dass Musik viel mit Gefühlen zu tun hat. Er zeigt ihnen, wie wichtig es ist, Grenzen zu überwinden, wenn sie als Sänger oder Musiker vor Publikum stehen. Nur eine Regel gibt es: Niemand darf ausgelacht werden.

Der Musiker weiß, wovon er spricht. An sein erstes Konzert mit den Gifhorner Hound Dogs erinnert er sich noch ganz genau: im Mai 1985 im Dorfkrug Knigge in Wolfsburg-Ehmen. Ja, die Haare sind kürzer geworden, die Fokuhila-Frisur ist weg, aber geblieben ist der Spaß und die Freude an der Musik, am Rock ’n’ Roll. Elvis Presley ist noch immer sein Lieblingsmusiker. Wenn sein „Hound Dog“ irgendwo erklingt, dreht Schlag richtig auf.

Mittlerweile spielt Schlag bei Brenner, einer Biker-Band, den Baß. 2018 sind sie gestartet, ein Jahr später mit eigenem Album auf Tour gegangen und auf Europas größter Silvesterparty am Brandenburger Tor das neue Jahr begrüßt – und dann kam Corona: Keine Konzerte, nicht gemeinsam ins Studio, kein Musikunterricht – der Kultbahnhof dicht. Was macht Schlag? Ganz einfach Musik, Gute-Laune-Mucke.

Mitte Mai 2020 veröffentlicht er zusammen mit Dirk Schlag, Musiker bei Santiano, das Musikvideo „Komm tanzen wir“. Es soll den Menschen wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern. „Ein Corona-Song mit positiver Message“, schreibt er auf seiner Facebookseite. Und: „Finde dein kleines Glück und behalt es auch, wenn die Normalität dich wieder einholt!“

Als die Stadt Gifhorn das Schützenfest und das Ende August geplante Altstadtfest absagt, macht Schlag zusammen mit der Waterloo-Kapelle des Uniformierten Schützenkorps ein Musikvideo. „Wir lassen uns nicht unterkriegen … wir gehen zusammen durch das Feuer und blasen für dich die Hölle aus“, heißt es in dem Song.

Und nach den Sommerferien gibt’s ein Altstadtfestchen am Kultbahnhof. An zwei Abenden treten Bands aus der Region auf, vor einem kleinen Publikum, alles nach Corona-Regeln . „Wir wollten halt ein bisschen Glück vermitteln, ein bisschen Normalität“, erzählt der Gifhorner.

Anfang 2021 organisiert er zusammen mit Kultbahnhof-Partner Kian Badachschan ein Projekt im Senioren-Wohnheim Christinenstift. Zusammen mit Malaika Lehner und Jaron Steinkamp unterstützen sie ehrenamtlich die Pflegekräfte für einige Wochen.

Immer wieder legt er sich in dieser Zeit mit Corona-Leugnern, Gegnern der Corona-Regeln und Verschwörungstheoretikern an. Die verbale Gewalt, die ihm auf einer Demo im Dezember 2021 entgegenschlägt, macht ihn fassungslos. „Ein traumatisches Erlebnis“, sagt er rückblickend. Schlag verordnet sich eine Facebook-Pause, auch zum Schutz von Familie und Freunden, die wie er angefeindet werden.

Zu Beginn des Ukrainekrieges startet er zusammen mit der United Kids Foundation eine Spendenaktion für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Dazu schreibt er das Lied „Pepperland“ und produziert mit dem Kultbahnhof-Team und Kindern der Albert-Schweitzer-Schule ein Musikvideo. „Ein Lied über alte, weiße und egoistische Männer, getrieben von Gier und Hass“, sagt er. Und die Leidtragenden seien immer die Kinder.

So ist Schlag: Wenn ihm etwas nicht passt, sagt er es, klar und deutlich, frei heraus. Deshalb kann er sich auch kaum vorstellen, in einer Partei Politik zu machen. Allerdings: „Wenn ich mal Bundeskanzler werde, dann gibt es ein Gesetz, dass jeder ein Handwerk erlernen muss“, sagt er mit einem Schmunzeln. Das Handwerk habe sein Leben sehr, sehr beeinflusst. Er sei total froh, ganz früh ans Handwerk herangelassen worden zu sein, erst in der Autowerkstatt seines Onkels, dann als Elektriker.

Klar, dass er im Kultbahnhof jeden Nagel, jede Steckdose kennt. Deshalb will er auch unbedingt eine seiner nächsten Projektideen umsetzen: Kindern das Handwerk nahe zu bringen. Damit sie frühzeitig lernen, Entscheidungen zu treffen, teilweise schwierige Dinge versuchen umzusetzen und zu lösen. Das passt irgendwie zu Schlag.

Mit Brenner ist ein neues Album in Arbeit

„Jeden Tag etwas Positives tun“, sagt er, das ist so ein Stück Lebensmotto. Das kann das Restaurieren des Brenner Bikes sein, eine alte Yamaha Virago 535. Oder eben Musik. Im Februar ist Schlag erstmals zusammen mit dem Brenner-Sänger Martin Goldenbaum als Singer-Songwriter aufgetreten. „Eine ganz neue Erfahrung“, sagt er.

Begonnen haben auch die Arbeiten am dritten Brenner-Album. Nach dem Debüt folgte das Album Rockschlager vom Coverversionen von Schlagern wie „Wunder gibt es immer wieder, „Dann geh‘ doch“ und „Mendocino“. Damit hat es die Band bis zu Florian Silbereisen in die Show geschafft. Jetzt sind wieder eigene Songs dran, authentische Bikersongs, passend zum Image der Band. Schlag selbst fährt eine Kawasaki Drifter 1500.

Gifhorner Kultbahnhof feiert zehnjähriges Bestehen

Und dann ist da noch die Initiative Runter vom Sofa, rein in die Clubs. Eine Herzenssache. Endlich dürfen die Leute wieder in die Clubs, aber sie kommen nicht, jedenfalls nicht so zahlreich wie vor Corona. „Die Leute kriegen ihre Hintern nicht mehr hoch“, sagt er. Das müsse sich wieder ändern. „Das spielen fantastische Bands vor 30 Leuten, das geht gar nicht.“ Die haben ein volles Haus verdient – so, wie auch der Kultbahnhof, der in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen feiert.

Gemeinsam-Preis

Am 25. Mai ehrt unsere Zeitung zusammen mit dem Braunschweiger Dom zum 20. Mal Menschen für ihr ehrenamtliches Engagement.

Der Zuversichts-Preis steht in diesem Jahr für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und wird von der Jury vergeben.

Heute: „Volker Schlag setzt mit Musik Zeichen für eine tolerante Gesellschaft“