Braunschweig. Im „Glücksschmiede“-Podcast erklärt Sportmediziner Thomas Gösling, warum Sportler durchschnittlich glücklicher sind. Zudem gibt er sportliche Tipps.

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Macht Sport auf Dauer glücklich? Prof. Thomas Gösling weiß, warum Langstreckenläufer durchschnittlich zufriedener sind – und seltener depressiv. Der Cheforthopäde und Sportmediziner am Städtischen Klinikum Braunschweig erzählt im Interview, welche Hormone bei körperlichen Aktivitäten ausgeschüttet werden und wie man täglich etwas fitter wird.

Herr Gösling, Sie legen in Ihrer Arbeit einen Schwerpunkt auf die Sportmedizin. Warum ist Sport so wichtig?

Es gibt das Sprichwort: Sport stärkt Körper und Geist. Sportler sind im Gruppenvergleich deutlich glücklicher und leiden auch weniger an Depressionen.

Also der Spruch „Sport ist Mord“ weit hergeholt?

Aus meiner Sicht ist Bewegung lebensnotwendig. Wir müssen uns generell bewegen, um gesund zu bleiben sowie gesund zu altern.

Beschreiben Sie uns doch einmal, was in unserem Körper passiert, wenn wir Sport machen.

Am bekanntesten ist die Tatsache, dass durch Sport Endorphine freigesetzt werden. Für das Glück verantwortlich ist jedoch ein anderes Hormon – das Serotonin. Es stimuliert das Gehirn und macht uns glücklich. Außerdem sorgt es für einen guten Schlaf. Besonders gut lässt sich das an einem Langstreckenläufer erkennen: Nach einiger Zeit ist dieser in einem sogenannten Flow, er läuft immer weiter und fühlt sich unbesiegbar.

Serotonin und Endorphin sind beides Glückshormone?

Serotonin ist ein Glückshormon – bei Endorphinen ist es noch nicht klar, ob sie tatsächlich glücklicher machen oder vielmehr einen Leidensdruck beim Sport aushalten lassen.

Ihr Kollege, Professor Reinshagen, hat uns bereits erklärt, dass die Rezeptoren als eine Art Tor funktionieren, durch die die Hormone und Proteine hindurchgehen und dann verarbeitet werden. Welche Bewegung mache ich im Sport, wodurch diese Prozesse in Gang gesetzt werden?

Das ist bis ins kleinste Detail nicht klar. Was wir wissen: wenn wir uns körperlich betätigen, unterdrücken wir unsere Stresshormone. Gleichzeitig fahren wir unsere Glückshormone, also Endorphine, Dopamin und das Adrenalin hoch. Eine japanische Studie ergab, dass zehn Minuten schon ausreichend sind, um die Freisetzung des Glückshormons Serotonin zu bewirken.

Wird die Hormonausschüttung bei dem Langstreckenläufer durch seine Bewegung beschleunigt oder findet sie stetig statt?

Der Sport selbst setzt die Glückshormone frei. Alle Ausdauersportarten, der Langstreckenlauf, Rudern oder Radfahren sind in dieser Hinsicht am besten untersucht. Ergebnisse zeigen, dass das Glücksgefühl in der Regel für 24 Stunden anhält. Zudem können Sportler, die dieses Glücksgefühl erfahren, besser schlafen.

Der Langstreckensport hat also einen nachwirkenden Effekt?

Insgesamt haben Langstreckenläufer weniger Depressionen als diejenigen in er Durchschnittsbevölkerung, die sich nicht sportlich betätigen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen bei Ausdauersportlern, wie in dem Fall des Fußballers Robert Enke.

Der nahm sich vor Jahren das Leben…Mir sagte ein Allgemeinmediziner einmal, dass Marathon-Läufe sich auf das Herz auswirken können. Können Sie das bestätigen?

Untersuchungen zu Läufern, die unter einer bestimmten Kilometeranzahl pro Woche trainieren und danach einen Marathon laufen, ergaben, dass sie ein erhöhtes Troponin aufweisen. Troponin ist ein Enzym und ein Nachweis dafür, dass Herzmuskelzellen zugrunde gehen – mögliche Anzeichen für einen Herzinfarkt. Läuft man aber gut vorbereitet mit einem Trainingsplan, ist diese Dauerbelastung gut für die Gesundheit.

Sind es je nach Sportart verschiedene Prozesse, die im Körper stattfinden?

Das ist eine schwierige Frage – ich gehe davon aus, dass es dieselben Prozesse sind. Aus orthopädischer Sicht sind es unterschiedliche Bewegungen, dennoch bleibt der hormonelle Ablauf gleich.

Kann man sich durch Sport also auf Glück konditionieren?

Man sollte sich da nicht unter Druck setzen. Empfohlen werden 150 Minuten pro Woche sportliche Betätigung. Dann liegt es an einem selbst, diese Minuten aufzuteilen. Ich fahre beispielsweise mit dem Fahrrad zur Arbeit und wieder nach Hause – und schöpfe somit die 150 Minuten beinahe aus. Abgesehen davon sind ein Herz-Kreislauf- sowie Krafttraining wichtig – gerade im Alter, weil ab dem 50. Lebensjahr die Muskelmasse deutlich abbaut.

Also ist es Quatsch, wenn Leute sagen: Ich bin ohnehin schon gestresst – Sport muss ich mir nicht auch noch antun?

Sport baut den Stress ja ab.

Was raten Sie unmotivierten Leuten, die sich morgens nicht auf ihr Fahrrad schwingen wollen?

Zum einen ist jeder für sich selbst verantwortlich. Zum anderen muss jeder herausfinden, ob er lieber morgens oder abends Sport machen kann.

Ist Glück für Sie als Mediziner nur ein chemischer Prozess? Wie nehmen Sie das wahr?

Wenn ich glücklich bin, denke ich eigentlich nicht darüber nach. In dem Moment freue ich mich einfach darüber, glücklich zu sein. Solche Momente andauernd zu hinterfragen, bewirkt das Gegenteil. Sport kann ein Mittel sein, aus dem Unglücklichsein wieder herauszukommen.

Was kann jeder täglich innerhalb von ein paar Minuten tun, um Glück zu empfinden?

In der Mittagspause auf der Arbeit einen zehnminütigen Spaziergang unternehmen.

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Professor Dr. Thomas Gösling ist Chefarzt der Orthopädie am Städtischen Klinikum Braunschweig. Sportmedizin ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit. 
Professor Dr. Thomas Gösling ist Chefarzt der Orthopädie am Städtischen Klinikum Braunschweig. Sportmedizin ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit.  © Peter Sierigk