Braunschweig. Was macht ein Ei zum Bio-Ei, warum leben Hähne im Legehennen-Betrieb und was wird aus den Bruderhähnen? Wir waren zu Besuch im Klostergut Dibbesdorf.

Schreckhaft sind sie, keine Frage. Wenn ein Singvogel etwas zu ambitioniert zwitschert oder jemand niest, dann stürzen die Legehennen des Klosterguts Dibbesdorf in Windeseile zurück in ihren mobilen Hühnerstall. Weit weg bewegen sie sich ohnehin nicht. Auch, wenn sie es durchaus könnten. Viel Platz haben sie auf der Weide im Nordosten der Stadt. Echte Bio-Hennen. Und alle drei Monate bekommen die Dibbesdorfer Hennen ein neues Stück Weide. Dann ziehen sie mit ihrem mobilen Stall ein Stück weiter. Frische Würmer, frischer Klee.

Drei mobileHühnerställe betreiben Luisa und Jannes Wehmann in ihrem Biobetrieb. Lennart Pfingsten, der in dem Betrieb im dritten Jahr eine Ausbildung zum Landwirt macht, öffnet an diesem Tag die Tür zu einem von ihnen. Mit 1470 Legehennen ist es der größte des Klosterguts. In den anderen leben 800 beziehungsweise 1000 Hennen. Zusammen legen sie täglich rund 3000 Eier. Nicht jede legt also jeden Tag ein Ei. Rund 290 seien es pro Henne und Jahr, berichtet Pfingsten. Da die Hennen auch draußen nach Futter suchten, auch Würmer, Klee und anderes essen, legten sie weniger Eier als Hennen, die nur Kraftfutter und somit mehr Energie zugeführt bekommen.

„Wenn es 16 Stunden hell ist, ist die Legeleistung optimal“

Ausgeklügelt muss das System sein, damit die Hennen ihre Eier legen. Das Licht beispielsweise sei entscheidend. 16 Stunden Helligkeit am Tag seien optimal, damit die Hennen Eier legten, sagt Pfingsten. Wenn es weniger als zwölf Stunden hell ist, dann würden die Hennen denken, dass Winter ist – und folglich keine Eier legen.

Und auch die Temperatur muss stimmen. „Wenn es sehr warm ist, geht die Legeleistung runter“, sagt Pfingsten. Rollos vor dem Stall helfen bei der Regulierung.

Schnell rein: Sobald sie draußen ein ungewöhnliches Geräusch hören, huschen die Legehennen samt Hahn zurück in den Stall.
Schnell rein: Sobald sie draußen ein ungewöhnliches Geräusch hören, huschen die Legehennen samt Hahn zurück in den Stall. © Peter Sierigk

Nachdem die Hennen morgens ihre Eier gelegt haben, in der Regel bis 9.30 Uhr, geht der Stall automatisch auf. Bis dann sind die Türen geschlossen. „Sonst würden die Hennen ihre Eier überall legen.“ Wenn die Dämmerung einsetzt, gehen die Hennen von selbst wieder in den Stall. Abends gehen die Türen dann wieder zu, auch das automatisch. Dass die ein oder andere Henne dann noch draußen ist, sei nicht zu vermeiden. Einige von ihnen gingen nachts auch gar nicht mehr rein. Gefahr hin oder her. Die kommt vom Habicht, oder des Nachts auch vom Fuchs und Marder. Wenn der Fuchs in den Stall eindringt, dann könne er auf einen Schlag schon mal 40 Tiere töten. Vorfälle dieser Art gebe es immer mal wieder.

Die Hähne sind die Beschützer – und zahlen dafür schon mal mit dem Leben

Die Hennen, die derzeit im mobilen Hühnerstall leben, sind im Januar aufs Klostergut gekommen. Da waren sie 17 Wochen alt. Bio-Legehennen von einem Aufzüchter aus Baden-Württemberg. Die Rasse heißt Lohmann Brown-Classic. Laut Fachhandel zeichnet sie Top-Leistungen in Freilandhaltung aus und ein ruhiges, ausgeglichenes Verhalten.

Ei-Kennzeichnung und Legehennenhaltung
Ei-Kennzeichnung und Legehennenhaltung © Jürgen Runo

Hähne schaden dennoch nicht. Die sorgten für Ruhe, sagt Pfingsten. Zehn von ihnen leben mit den 1470 Hennen im Stall. Damit die Hennen Eier legen, braucht man sie nicht. „Sie sorgen dafür, dass die Hennen ruhiger werden, draußen sind sie die Beschützer“, sagt Pfingsten. Wenn ihnen etwas komisch vorkomme, warnten sie die Hennen und warteten oft auch ab, bis sie im Stall seien – zahlten dafür dann aber auch schon mal mit dem Leben.

Die Größe der Eier kann stark variieren

Dass im Frühstücks-Ei ein Küken sitzt, sei trotz Hahn aber nicht zu befürchten. „Selbst wenn ein Ei befruchtet sein sollte, bildet sich nichts aus, da die Eier dafür bei 28 bis 29 Grad konstant bebrütet werden müssen“, sagt Pfingsten. Doch die Hennen seien ans Brüten gar nicht gewöhnt und ohnehin würden die Eier täglich eingesammelt. Der sogenannte Hahnentritt sage nichts darüber aus, ob ein Ei befruchtet wurde. Vielmehr handelt es sich um den Einschluss von Blut. 14 Tage dauert es, bis sich ein Ei in der Henne zur Reife ausgebildet hat. In dieser Zeit kann es zu kleinen Verletzungen kommen, bevor die Schale ausgebildet ist, beispielsweise wenn ein Ei quer liegt.

Der Hahn bringt Ruhe in die Hennen-Schar.
Der Hahn bringt Ruhe in die Hennen-Schar. © Peter Sierigk

Aus allen drei mobilen Hühnerställen sammeln die Mitarbeiter des Klosterguts täglich rund 3000 Eier ein. Die können in der Größe stark variieren – vom XS-Ei, in dem manchmal noch gar kein Eigelb vorhanden ist, bis zum XL-Ei, in dem auch schon mal zwei Eigelbe stecken können.

Draußen können die Legehennen nach Lust und Laune picken

Vermarktet werden alle Eier, im eigenen Hofladen, in zwei Automaten an der Berliner Heerstraße und an der Ebertallee sowie in lokalen Supermärkten. Nicht jeden Tag werden sie ausgeliefert, sondern einmal in der Woche, 21.000 Eiergleichzeitig. Die kleinsten Eier der Größen XS und S kommen in sogenannte Junghennenboxen. Die Eier, die mindestens bis zum 28. Tag nach dem Legen haltbar sind, sind dann maximal sieben Tage alt.

Damit die Bio-Legehennen auch Bio-Eier produzieren, müssen weitere Kriterien erfüllt sein. Das Futter beispielsweise muss ebenfalls Bioqualität haben. Die Hennen bekommen eine Mischung aus Mais, Weizen, Erbsen, Sonnenblumen- und Sojakuchen – also dem, was nach dem Pressen übrig bleibt –, Thymian und weiteren Inhaltsstoffen. Draußen können sie dann nach Lust und Laune picken.

Anderthalb Jahre bleiben die Hennen – dann kommen sie in den Suppentopf

Anderthalb Jahre bleiben die Hennen, dann lässt die Legeleistung laut Pfingsten nach und eine neue Generation kommt, nachdem der Stall gründlich gereinigt wurde. Die alten Hennen werden dann zu Suppenhühnern oder Hühnerfrikassee. 300 bis 500 Tiere lasse das Klostergut auf dem Bauckhof in Klein Süstedt bei Uelzen selbst schlachten, um sie dann auf dem Hof zu vermarkten. Der Rest werde an einen Viehhändler verkauft.

Scharren nach Lust und Laune, für anderthalb Jahre – danach geht es in den Suppentopf.
Scharren nach Lust und Laune, für anderthalb Jahre – danach geht es in den Suppentopf. © Peter Sierigk

Wenn neue Hennen kommen, dann verschreibt sich das Klostergut Dibbesdorf auch den Bruderhähnen, und zwar in gleicher Zahl wie bei den Hennen. Zwar leben sie nicht auf dem eigenen Hof, aber sie werden bei anderen Biobetrieben aufgezogen. Das Klostergut verpflichtet sich, Produkte abzunehmen, die aus den Hähnen hergestellt werden. Hühnerbrühe, Wiener Würstchen, Hähnchenkeule. Wer das in dem Umfang nicht leisten kann, zahlt einen Betrag, um das auszugleichen. So ist sichergestellt, dass auch die Bruderhähne eine Chance auf ein längeres Leben haben.

Lesen Sie auch:

Mehr wichtige Nachrichten aus Braunschweig lesen:

Täglich wissen, was in Braunschweig passiert: Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!