Braunschweig. Der Verein Braunschweig eSports ist der erste reine eSport-Verein der Stadt. Warum die Mitglieder Gaming als Sport betrachten.

Auf den ersten Blick sitzen nur ein paar Menschen vor Computern im selben Raum und spielen dasselbe Video-Spiel. Auf den zweiten Blick jedoch sind sie hochkonzentriert bei der Sache, es geht um Reaktionsschnelligkeit, Hand-Auge-Koordination und Teamgeist. „Wenn du der Letzte in der Runde bist, alle bei dir mitfiebern, du am Ende die Runde gewinnst und ihr zusammen jubelt – das Gefühl ist unbeschreiblich“, sagt Florian Kleinschmidt in unserem Podcast „Yes BS“. Der 38-Jährige ist Kapitän seines eSport-Teams in dem Taktik-Ego-Shooter „Counter Strike: Global Offensive“.

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Das Team tritt für „Braunschweig eSports“ an, den ersten Verein der Stadt, der nur elektronischen Sport betreibt, also das wettbewerbsmäßige Zocken auf dem PC oder an der Konsole. Kleinschmidt hat den Verein im vergangenen Jahr mitgegründet und ist Vorsitzender. Zwar handelt es sich bei „Braunschweig eSports“ um einen Amateurverein, doch ein stumpfes „Ballerspiel“ ist „Counter-Strike“ deshalb trotzdem nicht. „Das ist ein Taktik-Shooter, wir studieren Spielzüge ein, wie beim American Football.“

Im Spielmodus Fünf-gegen-Fünf geht es dabei darum, dass ein Team eine „Bombe“ platzieren muss und das andere Team versucht, dies zu verhindern oder die Bombe zu entschärfen. Der martialische Begriff „Bombe“ und der Einsatz von digitalen Waffen brachten „Counter-Strike“ Anfang der 2000er Jahre einen Ruf als „Killerspiel“ ein. Zu Unrecht, wie Kleinschmidt findet: „Die Bombe ist nur ein Symbol, das der Spielmechanik dient, es könnte ebenso gut ein Ball sein“, sagt er.

Braunschweig bei eSport spät dran

Die Mannschaft trifft sich zwei Mal pro Woche online für Training, Video-Analysen von Spielzügen und das Auskundschaften des Spielstils der nächsten Gegner. An Liga-Spieltagen treffen sich die Team-Mitglieder in der Virtual Lounge an der Kleinen Burg in Braunschweig. „Das kann man sich wie bei jedem anderen Sportverein vorstellen. Erst wird gespielt und danach gibt es ein gemütliches Beisammensein mit dem ein oder anderen Kaltgetränk“, so Kleinschmidt. Wie bei anderem Vereinssport steht Teamgeist, Fairplay und Toleranz im Vordergrund. Braunschweig sei verhältnismäßig spät dran mit einem eSport-Verein. „Vergleichbar große oder gar kleinere Städte wie Krefeld, Magdeburg oder Osnabrück haben schon seit Jahren Vereine“, sagt Kleinschmidt.

Daniela Hardt und Florian Kleinschmidt mit einem Trikot von „Braunschweig eSports“ zu Gast im Podcast „Yes BS“ mit Redakteur Joschka Büchs.
Daniela Hardt und Florian Kleinschmidt mit einem Trikot von „Braunschweig eSports“ zu Gast im Podcast „Yes BS“ mit Redakteur Joschka Büchs. © FUNKE NDS | Ida Wittenberg

eSport ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Eines der größten Counter-Strike-Turniere in Deutschland füllt regelmäßig 15.000 Plätze in der Lanxess-Arena in Köln. Online schauten über 200 Millionen Menschen das Finale der Weltmeisterschaft in „League of Legends“ („LOL“). „LOL“ ist ein Multiplayer-Kampfarena-Spiel, bei dem zwei Teams mit ihren Helden jeweils die gegnerische Basis zerstören müssen.

Auch bei „LOL“ tritt Braunschweig eSports mit einer Mannschaft an. Angeführt wird sie von Kapitänin Daniela Hardt. Die 27-Jährige entwickelte über das Zuschauen bei Profi-eSportlern eine Faszination für das Spiel. Zwar spielt das Team von Hardt nur in einer unterklassigen Amateurliga, doch auch ihre Spiele werden im Internet übertragen und kommentiert. „Ich habe mich noch nie so gut gefühlt, wie in dem Moment, als ich gehört habe, dass der Kommentator vor Zuschauern meine Spielzüge gelobt hat“, sagt sie.

eSportler kämpfen gegen Vorurteile

Trotz der wachsenden Anhängerschaft kämpfen die eSportler gegen eine Reihe von Vorurteilen an: Beispielsweise ist Zocken längst nicht mehr nur Sache von Jugendlichen. „Unser Team besteht zur Hälfte aus Familienvätern“, sagt Kleinschmidt, der selbst Kinder hat. Das Alter im Verein reicht von 16 bis zu 40 Jahren.

Ein weiteres Vorurteil: Zocken ist doch kein richtiger Sport. „Dabei hat die Sporthochschule Köln in einer Studie festgestellt, dass die Cortisol-Werte im Blut und die Herzfrequenz bei Gamern in ähnliche Höhen steigen wie bei Rennfahrern“, sagt Kleinschmidt. Übergewichtige, blasse Stubenhocker sucht man auf den Bildern der Vereinswebseite vergebens. „Die meisten von uns machen auch konventionellen Sport“, sagt Kleinschmidt.

Spieler während eines eSport-Matches von Braunschweig eSports im Spiel Counter-Strike: Global Offensive.
Spieler während eines eSport-Matches von Braunschweig eSports im Spiel Counter-Strike: Global Offensive. © Florian Kleinschmidt

„LOL“-Kapitänin Hardt baut diesen auch in das Vereinstraining ein: „Wir machen auch mal vor den Spielen ein paar Rückenübungen und wärmen unsere Handgelenke auf“, sagt sie. Das dient nicht zuletzt der Vorbeugung von Verletzungen, etwa dem Karpaltunnelsyndrom, Rücken- oder Schulterschmerzen. Hardt geht zudem ins Fitnessstudio und zum Boxen.

Mit Gemeinnützigkeit könnte eSport Schub erhalten

Sie ist eine von wenigen Frauen im Verein, so wie im eSport, allgemein. Auch wenn sie sich im Verein wohlfühlt, hätten Frauen in der Szene nach wie vor einen schweren Stand, wie sie erklärt: „Wenn man sich bei Online-Spielen als Frau zu erkennen gibt, werden häufig alle Fehler im Team auf die Frau geschoben.“ Auch Macho-Sprüche wie „Was machst du am Computer, geh zurück in die Küche“, höre sie häufig. „Man braucht schon eine gewisse Resilienz“, sagt sie. Dabei ist eSport eine der wenigen Sportarten, in der im Wettbewerb nicht zwischen Männer- und Frauensport unterschieden wird. Eigentlich eine große Chance, wie Kleinschmidt und Hardt finden.

Nicht nur deswegen kämpft der eSport in Deutschland um die Anerkennung als gemeinnütziger Sport. „Dann würden auch Fördergelder fließen und etwa Fußballvereine könnten eSport-Abteilungen gründen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu riskieren“, sagt Kleinschmidt. Die Vereine könnten mit dem Angebot wieder mehr Jugendliche begeistern und etwa mit dem Fußball-Videospiel „Fifa“ eine Brücke zum echten Fußball schlagen.

Für Braunschweig wünscht sich Kleinschmidt langfristig ein Vereinsheim oder besser noch einen zentralen Ort für alle eSportler in der Stadt. Dort könnte man auch Menschen ohne einen eigenen Spiele-PC die Teilnahme an dem Sport ermöglichen.

Das ganze Interview mit Daniela Hardt und Florian Kleinschmidt hören sie in unserem Podcast „Yes BS“ in unserer e-Paper-App, bei Spotify oder Apple Podcasts.

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