Braunschweig. Bauprojekt im Braunschweiger Ortsteil Stöckheim löst Hoffnungen aus. Kann es den Niedergang der Ladenzeile stoppen?

Alteingesessene Stöckheimer haben sie noch gut in Erinnerung: Die damals noch florierende Ladenzeile an der Leipziger Straße mit Bäcker, Fleischer, Eisdiele und mehr. Heute ist der Anblick ein anderer. Teilweiser Leerstand trübt das Ortsbild.

Der sichtliche Niedergang ist Thema vieler Gespräche im Stadtteil. Zudem erfreut sich nicht jeder an Spielothek oder Wohnungsprostitution – beides ist dort ebenfalls zu finden. Versuche von Politik, Verwaltung und einer Bürgerinitiative, für eine Aufwertung zu sorgen, sind jetzt allerdings fehlgeschlagen. Nur an einer Stelle tut sich etwas.

„Von Seiten der Verwaltung bestehen keine weiteren Möglichkeiten, steuernd in Investitionsmaßnahmen von Eigentümern einzugreifen oder aktiv den Leerstand zu vermeiden oder zu beenden“, teilte die Stadt dem Bezirksrat kürzlich mit. Vorausgegangen war ein Gesprächstermin, zu dem die Verwaltung die Eigentümer der Immobilien eingeladen hatte.

Wichtiger Gesprächstermin – doch die Eigentümer von „Problemimmobilien“ sind nicht dabei

Von den neun Adressaten erschienen aber nur drei – noch dazu welche, deren Gebäude in gutem Zustand sind und keinen Leerstand aufweisen. Eigentümer von „Problemimmobilien“ mit Leerstand waren nicht zu dem Termin gekommen.

Ergebnis des begrenzten Austauschs: In Sachen Wärmedämmung und Dachsanierungen besteht bei vielen Gebäuden Nachholbedarf. Auch Heizungsanlagen sind veraltet, einige werden noch mit Öl betrieben. Vonseiten der Stadt wurde den Eigentümern mitgeteilt, dass eine straßenseitige Aufstockung im Bereich der eingeschossigen Ladenzeile analog zu der vorhandenen zweigeschossigen Bebauung planungsrechtlich denkbar sei.

Heterogene Interessenlage in der Ladenzeile Leipziger Straße

Grundsätzlich sei auch eine Zusammenlegung mehrerer Immobilienabschnitte denkbar, um eine größere Verkaufsfläche zu erzielen und damit die Attraktivität für Versorgungseinrichtungen zu steigern.

Die zu dem Termin erschienenen Eigentümer seien einem Verkauf der Immobilien an einen Investor, der die Ladenzeile insgesamt oder abschnittsweise entwickelt, nicht grundsätzlich abgeneigt gewesen, so die Stadt. Doch wie die Interessenlage bei den anderen aussehe, sei unklar.

Ein weiterer Eigentümer, der sich später telefonisch gemeldet habe, habe diese Option für sich ausgeschlossen. Heißt: Eine konzertierte Vorgehensweise gestaltet sich aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen schwierig.

Eigentum ist in Deutschland geschützt. Man kann niemanden zwingen. Aber vielleicht haben die Gespräche einigen zumindest die Notwendigkeit deutlich gemacht, dort etwas zu tun“, erklärt Bezirksbürgermeister Matthias Disterheft (SPD) auf Nachfrage.

Sein CDU-Stellvertreter Kurt Schrader sieht ein verändertes Kaufverhalten als Grund für die Situation an. „Die Menschen kaufen so viel im Internet ein. Da würde es mich schon sehr wundern, wenn die Ladenzeile brummen würde“, meinte Schrader.

Beide befürworten jedoch das derzeitige Bauvorhaben am Gebäude der ehemaligen Filiale der Bäckerei Tutschek. Dort finden derzeit Arbeiten statt, um die Immobilie in einen Beherbergungs­betrieb in Form eines Boardinghouses umzugestalten.

Die Stadt geht davon aus, dass die dort entstehenden neun Zimmer im Erdgeschoss mit zusätzlichem gemeinsamen Aufenthaltsraum überwiegend von Arbeitern und Monteuren angemietet werden. Eine solche Einrichtung fördere Infrastruktur und Gastronomie in Stöckheim und trage zu einer Belebung des Stadtteils bei, glaubt die Verwaltung.

Stätte für Wohnungsprostitution ist vielen ein Dorn im Auge

Diese Meinung teilen nicht alle. Martina Glienke von der Initiativgruppe „Ladenzeile Leipziger Straße“ sieht die Umnutzung nicht als vorteilhaft an. Zusätzlicher Verkehr entstehe, der Parkdruck könne sich erhöhen, meint sie. Zudem entstehe das neue Boardinghouse in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Stätte für Wohnungsprostitution – ein Schelm, wer Böses dabei denke.

In die gleiche Richtung ging in der Vergangenheit eine Nachfrage der Bezirksratgruppe BIBS/Die Linke. Die Stadt hatte hierzu jedoch erklärt, dass eine Erweiterung der Prostitutionsstätte nicht anzunehmen sei. Die Baugenehmigung lasse ausschließlich die Nutzung der Immobilie als Beherbergungsbetrieb zu, Prostitution sei dort nicht zulässig. Bereits in der Vergangenheit sei sie konsequent gegen versuchte Erweiterungen des Prostitutionsbetriebes im Nachbargebäude sowie durch einen dort eingerichteten Escort-Service vorgegangen – dies werde sie bei Bedarf weiter tun.

Bauherr des Boardinghouses ist Siegfried Wiertelorz. Auf Anfrage unserer Zeitung zeigt er sich verärgert darüber, dass er nach eigener Aussage zweieinhalb Jahre auf die Baugenehmigung seitens der Stadt habe warten müssen. Eine Verbindung zur Wohnungsprostitution verneint er. Ihm sei der Betrieb im Nachbargebäude genauso ein Dorn im Auge wie vielen anderen Stöckheimern.

Ein Teil der möblierten Appartements sollte bis Ende des Jahres fertig sein, erklärt er. Geschäftsreisende könnten dort unterkommen, dauerhaft auch Angestellte örtlicher Betriebe, gegebenenfalls auch mal Privatleute auf der Suche nach einer Hotelalternative.

Wiertelorz hatte bis zuletzt mit dem Casa del Sol einen Beherbungsbetrieb mit ähnlichem Konzept in der Berliner Straße betrieben. Den habe er allerdings vor wenigen Wochen verkauft, erklärt der langjährige Gastronom, der seinen Lebensmittelpunkt kürzlich – fernab der ihn nervenden deutschen Bürokratie, wie er sagt – nach Spanien verlagert hat. Dem Gespräch mit der Stadt sei er auch deshalb ferngeblieben.

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