Hannover. Für den Rückgang gibt es nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen mehrere mögliche Gründe. Auch Parteien sehen Handlungsbedarf.

Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber bei Niedersachsens Polizei ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Im vergangenen Jahr waren es 4339 Bewerberinnen und Bewerber für das sogenannte erste Einstiegsamt des Polizeivollzugsdienstes, wie das Innenministerium in Hannover auf dpa-Anfrage mitteilte. 2021 lag diese Zahl noch bei etwa 4600, 2018 noch bei mehr als 6000. Im vergangenen Jahr haben rund 900 Menschen im ersten Einstiegsamt begonnen.

Die Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen (GdP) teilte mit: „Wir denken nicht, dass es einen Rückgang an jungen Menschen gibt, die gerne anderen helfen und sich für den Erhalt unserer Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie einsetzen wollen, was immer noch die größte Motivation für den Polizeiberuf ist.“ Man befürchte allerdings, dass die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsumfeldes im Vergleich zu vielen Alternativen zum Arbeitsmarkt nachlasse.

„Ein Beispiel, das man auch als Außenstehender wahrnehmen kann, sind die Gebäude, in denen die Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst versehen. Hier gibt es sehr viele negative Beispiele, die kein Ruhmesblatt Niedersachsens sind“, hieß es weiter von der Gewerkschaft. Die Bundespolizei sei bei Gehältern und Zulagen wesentlich besser aufgestellt.

„Hier ist das Land als Arbeitgeber gefragt, sowohl in Sachen Bezahlung und Personaldeckung, aber auch in Bezug auf Themen wie Gleichstellung, Perspektiven bei Teilzeitbeschäftigung und genereller Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktuellen Ansprüchen zu entsprechen“, forderte die GdP.

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Nicht nur in Niedersachsen: In vielen Bundesländern weniger Polizei-Bewerber

Wie die Ergebnisse einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigen, haben sich in etlichen Bundesländern 2022 weniger Männer und Frauen für die Laufbahn im Polizeivollzugsdienst beworben als in den Jahren zuvor. Nach Angaben der Innenressorts wurde die Mindestkörpergröße, die in mehreren Bundesländern noch gilt, in den vergangenen fünf Jahren vielerorts gesenkt.

Das Innenministerium in Hannover teilte mit, dass die geschlechtsabhängige Mindestkörperlänge 2018 im Bundesland angepasst wurde. Demnach müssen männliche Bewerber seitdem auch wie Frauen mindestens 1,63 Meter groß sein. Zuvor mussten Männer demnach mindestens fünf Zentimeter größer sein.

Mangel an Bewerbungen: Was Parteien in Niedersachsen nun umsetzen wollen

Der polizeipolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Alexander Saade, sagte auf Anfrage: „Die niedersächsische Polizei steht nicht nur mit Arbeitgebern der Wirtschaft im Wettbewerb um junge Talente, sondern auch mit 15 weiteren Landespolizeien und der Bundespolizei. In den kommenden fünf Jahren werden wir über 4000 talentierte junge Menschen in den Polizeidienst einstellen müssen – allein um die entsprechenden Pensionierungszahlen zu kompensieren.“

Für die erforderliche Sanierung von Dienststellen wolle man in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro bereitstellen. Zugleich sollen moderne Arbeitszeitmodelle oder mehr Teilzeit ausgebaut werden, sagte der SPD-Politiker. Er sieht die Bewerberzahlen bei der niedersächsischen Polizei – insbesondere im Ländervergleich – noch immer auf gutem Niveau.

Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sagte, man wolle die Möglichkeiten für schnellere Beförderungen und ein höheres Einstiegsgehalt prüfen. „Wir wollen die Polizeizulage anheben und deren Anrechnung bei Ruhegehältern wiedereinführen.“

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Oppositionspolitiker André Bock von der CDU sagte, der Fachkräftemangel sei auch bei der Polizei angekommen. Das Innenministerium müsse schnellstmöglich die Polizeizulage erhöhen. Er forderte zudem bessere Arbeitsbedingungen sowie eine umfassende Sanierung von maroden Polizeigebäuden. „Zu den bisher guten Arbeitsbedingungen des Polizeiberufs gehören auch Respekt und Anerkennung in der Bevölkerung. Wenn Polizisten im Einsatz angegriffen, bespuckt und mit Steinen beworfen werden, dann müssen alle demokratischen Parteien entschlossen handeln.“

Stephan Bothe, innenpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, betonte, einen Bewerbermangel bei der Polizei könne sich das Land angesichts der derzeitigen Sicherheitslage kaum leisten. Schuld seien die Rahmenbedingen, die von der Politik geschaffen wurden: „Polizeikräfte müssen an immer neuen Brennpunkten für Sicherheit sorgen. Clankriminalität, Bankautomatensprengungen und Klimaproteste sind Beispiele. Die Silvesterkrawalle haben gezeigt, dass wir Menschen ins Land geholt haben, denen es anscheinend Vergnügen bereitet, Polizisten anzugreifen.“